Vergessen, wo er herkommt ...
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Über den bevorstehenden Wechsel von Max Eberl in die Position des Geschäftsführers Sport eines Getränkevertriebsunternehmens ist in den letzten Tagen und Wochen viel gesagt und geschrieben worden. Nur noch nicht von jedem. Da SEITENWAHL (von einer einzelnen Ausnahme abgesehen ????) Neuigkeiten erst dann thematisiert, wenn sie amtlich sind, ist jetzt der Zeitpunkt, sich ein letztes Mal mit der Person Max Eberl zu beschäftigen, bevor das Thema in den Tiefen der Vereinsgeschichte verschwindet und Max Eberl nur noch der Repräsentant eines Konkurrenten mit zweifelhaftem Geschäftsgebaren ist.
Max Eberl war von 1999 bis 2005 als Spieler von Borussia Mönchengladbach ein überschaubar begabter Verteidiger, dessen Alleinstellungsmerkmal es war, in seiner gesamten Karriere nie auch nur ein einziges Tor geschossen zu haben. Nach einer Zeit als Nachwuchskoordinator wurde Max Eberl 2008 Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach und später auch Geschäftsführer der Spielbetriebs GmbH. In seiner bis 2022 währenden Amtszeit war Max Eberl DAS Gesicht des Vereins. Er schaffte es in dieser Zeit, die Koordinaten von Borussia Mönchengladbach neu auszurichten. Nach chaotischen Jahren war „Kontinuität“ das neue Stichwort, die neue Leitlinie im Verein, gelebt z.B. durch das Festhalten an Michael Frontzeck bis zum letztmöglichen Moment, gelebt auch durch Konstanz in der Geschäftsführung, gelebt durch das Festhalten an Lucien Favre selbst gegen dessen eigenen hin und wieder geäußerten Willen zum Abschied. Gelebt, indem man mit Spielern wie Brouwers, Jantschke, Herrmann, Kramer, Stindl, Sommer, Elvedi oder Traoré (Aufzählung nicht abschließend) eine im Großen und Ganzen funktionierende Struktur erschuf, um die wirtschaftlich notwendigen und sportlich unvermeidlichen Abgänge von Passanten wie Reus, Xhaka, Kruse oder Zakaria immer aufs Neue zu kompensieren, ja sogar gestärkt aus dieser Fluktuation hervorzugehen.
Die Zeit von 2011 bis 2019 war die erfolgreichste Periode der jüngeren Vereinsgeschichte, was mehrere Teilnahmen an der Champions League und der Europa League belegen, Erfolge, an die in Gladbach noch im Herbst 2010 niemand zu denken wagte. In dieser Phase wirkte Eberl wie eine moderne Ausgabe von Helmut Grashoff, ambitioniert, aber dennoch bodenständig. Eberl schien sich der Möglichkeiten und Grenzen von Borussia Mönchengladbach bewusst zu sein, ja er erhob diese gewissermaßen zum Prinzip seines Handelns. Betrachtet man die Rhetorik dieser Jahre, dann war sehr viel davon die Rede, bei allem Erfolg nicht zu vergessen, wo man herkommt. Eberl redete gern von Leitplanken, die man sich gegeben habe. Er meinte damit, dass das Personal von Borussia Mönchengladbach auch charakterlich zum Verein passen müsse und dass Trainer, Spieler und auch Fans von Borussia Mönchengladbach die wirtschaftlichen Realitäten in der Bundesliga zu akzeptieren haben. Zu akzeptieren, dass es Vereine mit größeren finanziellen Möglichkeiten gibt, an denen man nur im Ausnahmefall sportlich vorbeikommt, zu akzeptieren, dass man sportlichen Erfolg für Borussia Mönchengladbach nicht an Titeln, sondern nur an der Ausschöpfung des Potentials festmachen kann, schien Max Eberl damals leicht zu fallen. Unvergessen, mit welchem Enthusiasmus Eberl den Einstelligkeitshattrick feierte, unvergessen auch der Nachdruck, mit dem er betonte, die Qualifikation für die Champions League sei für Borussia Mönchengladbach wie ein Meistertitel. Ein gern gebrauchtes Sprachbild Eberls war das von gallischen Dorf, dass den Imperien der Bundesliga widerstehen und da sein müsse, wenn die anderen schwächeln. Der Max Eberl dieser Tage lehnte auch ein Angebot aus München ab, weil seine Arbeit in Mönchengladbach noch nicht beendet war, wie er damals sagte.
Die Verdienste, die Max Eberl sich in dieser Zeit um Borussia Mönchengladbach erworben hat, werden bleiben, auch wenn natürlich die von Ex-Trainer Rose in die Welt posaunte These, Eberl habe Gladbach alleine aufgebaut, kompletter Unsinn ist und nur beweist, wie wenig Rose den Verein Borussia Mönchengladbach verstanden hat (wenn er sich überhaupt je die Mühe gemacht haben sollte, das zu tun).
Den Max Eberl aus dieser Zeit gibt es jedoch nicht mehr. An irgendeinem Punkt seiner Entwicklung hat Max Eberl für sich entschieden, dass die selbst geschaffenen Leitplanken zu eng sind. Zu eng für den Ansatz, „den nächsten Schritt“ gehen zu wollen. Zu eng für den plötzlich entdeckten Anspruch Max Eberls, selbst auch einmal etwas „Blechernes“ in der Hand halten zu wollen. Das war der Beginn einer Fehlerkette, die mit der Inthronisierung von Marco Rose als Trainer begann (ungeachtet dessen, dass die Beendigung der Stagnation unter Dieter Hecking wahrscheinlich richtig war) und mit der Einstellung der neuen Freundin auf einer Position im unmittelbaren Umfeld der Mannschaft endete. Weitere Bestandteile der Fehlerkette haben die Kollegen von mitgedacht-block.de in einem lesenswerten Artikel aufgelistet, was hier keiner Wiederholung bedarf. Auch die Häufung der 2023 auslaufenden Verträge wäre einem voll auf seinen Job konzentrierten Max Eberl ungeachtet Corona wohl nicht passiert. Diese Entwicklung ging einher mit einer veränderten Rhetorik des Vereins in Person seines führenden Repräsentanten Eberl, der sich – wie schon gesagt – aufs Blecherne fixierte, kritischen Anmerkungen von Fanseite gegenüber zunehmend dünnhäutig reagierte und sich in der unschönen Auseinandersetzung um ein Positionspapier kleinerer Vereine zur Verteilung der Fernsehgelder recht harsch an die Seite des in üblicher Gutsherrenart agierenden FC Bayern stellte. Gleichzeitig, so deuten verschiedene Stimmen aus dem Umfeld des Vereins an, machte Max Eberl so etwas wie eine Charakterveränderung durch: Aus einem stets zugewandten Menschen, dessen Türen meist für alle offen standen, wurde ein verbissener und verschlossener Mensch, der auch intern sachlich-kritische Beiträge eher unwirsch abbügelte und nur mehr auf sich selbst hörte.
Alle Erklärungsversuche in Bezug auf die Ursachen dieser Entwicklung wären ein Ausflug ins Reich der Spekulation, den wir uns sparen wollen. Ob und wie krank Max Eberl im Januar 2022 war, ob es damals schon Pläne zu einem Wechsel in Richtung des Dosenimperiums gab, all das ist eigentlich vollkommen unerheblich. Denn denkt man die Entwicklung von Max Eberl seit 2019 zu dem Max Eberl des Jahres 2022 zu Ende, dann ist klar: Genauso wenig, wie Marco Rose zu Borussia Mönchengladbach passte, genauso wenig wie Adi Hütter zu Borussia Mönchengladbach passte, genauso wenig passt der aufs Blecherne fixierte Max Eberl des Jahres 2022 charakterlich noch zu Borussia Mönchengladbach. Dieser Max Eberl hat die einstigen Leitplanken verlassen, dieser Max Eberl hat vergessen, wo Borussia Mönchengladbach herkommt und wo Borussia Mönchengladbach hingehört, was einen Verein wie Borussia Mönchengladbach ausmacht. Deshalb war die Trennung im Januar 2022 genauso logisch wie die jetzige Vertragsauflösung. Deshalb ist der „nächste Schritt“, in dem aus dem tapferen Gallier der Legionär des Dosenvertriebs wird, ebenso logisch.
Max Eberl als Mensch ist zu wünschen, dass er irgendwann aufwacht. Max Eberl als Sportmanager ist zu wünschen, dass sich Geschichte wiederholt (was Historiker stets bestreiten) und zwar in der Form, dass Max Eberl in gleicher Weise scheitert wie einst Klaus Allofs, der sich nach dem Verlust seines glücklichen Händchens aus Bremen auf den Weg nach Wolfsburg machte, um dort den „nächsten Schritt“ zu gehen. Das Ende ist bekannt.