Sinsheim: Dührens Protestanten treffen sich bald bei den Katholiken
Von Christian Beck
Sinsheim-Dühren. Wann genau der Abrissbagger mit der Arbeit beginnt, ist noch nicht klar. Doch er wird kommen, wohl noch in diesem Jahr. Und dann wird das evangelische Gemeindehaus weichen. An dessen Standort in der Karlsruher Straße wird dann der neue Kindergarten gebaut. Doch wo sollen sich die Protestanten künftig treffen, um zu proben, sich auszutauschen und zu feiern? Sie gehen zu den Katholiken, ins Prälat Bauer-Haus. Ab Oktober soll es soweit sein. Und beide Seiten freuen sich.
Das evangelische Gemeindehaus wurde im Jahr 1979 erbaut, ist so alt also noch nicht. Doch an jedem Gebäude fallen Instandhaltungsarbeiten an. Aber dafür hat die Gemeinde kein Geld – erst jüngst wurde die Kirche saniert. Und das Gemeindehaus ist groß. Laut Pfarrerin Annette Röhrs doppelt so groß wie jene Fläche, die im Rahmen des Liegenschaftsprojekts der evangelischen Kirche gefördert wird. "Wir haben dann ganz kurz von einem Neubau geträumt", berichtet Röhrs. Doch auch dafür war kein Geld da.
Ein erstes Anklopfen bei den Katholiken sei "gleich sehr einladend" verlaufen: "Kommt doch zu uns!", habe damals noch Pfarrer Wolfgang Oser gesagt, erzählt Röhrs. Und schließlich habe die Ökumene in Dühren eine lange Tradition. Manche Gruppen tragen das Ökumenische im Namen, andere sind es de facto, beispielsweise der "Shanty-Chor" oder die "Geistlichen Spielleute". Und so dürfen die Protestanten künftig das Gemeindehaus der Katholiken nutzen. Ein Mietvertrag wurde geschlossen, berichtet Röhrs: "zu sehr günstigen Konditionen".
Beide Seiten sprechen von einer "Win-win-Situation". Anita Hruza vom katholischen Gemeindeteam sagt mit breitem Lächeln: "Wir freuen uns." Im Prälat Bauer-Haus seien ohnehin noch Kapazitäten frei gewesen. Sie ist sich mit Röhrs einig, dass es wichtig war, dass sich die Dührener weiterhin im Ort treffen und beispielsweise zu Fuß zur Probe kommen können. Beide Dekane betonen die Signalwirkung der neuartigen Zusammenarbeit: Es sei die Idee aufgekommen, "dass die ,Dühremer Regelung‘ ein Vorbild sein könnte für andere Gemeinden, dass auch dort in Zukunft kirchliche Gebäude gemeinsam genutzt werden", sagt Thomas Hafner dazu. Und Christiane Glöckner-Lang spricht von "wahrhaft gelebter Ökumene" und "einem Vorzeigeprojekt im evangelischen Kirchenbezirk Kraichgau, weil die Kirchengemeinde den Mut bewiesen hat, sich von Altem und Liebgewonnenem zu trennen".
Ganz einfach war und ist diese Trennung wohl nicht. Viele Dührener haben damals beim Bau des evangelischen Gemeindehauses mitgeholfen. Und viele verbinden mit dem Gebäude positive Erinnerungen, weil sie darin beispielsweise einen runden Geburtstag gefeiert haben. "Natürlich gibt’s ein weinendes Auge", räumt Röhrs ein. Und Volker Rasig, Vorsitzender des Kirchengemeinderats, sagt klar, dass es Dührener gibt, die diesen Abriss kritisch betrachten. Viele würden es aber entspannter sehen. Und Hruza sagt: "Die Kritiker sind sehr leise."
Der Abschied vom Gemeindehaus ist für Sonntag, 19. September, 10 Uhr, geplant. Vorgesehen sind ein Gottesdienst, wenn möglich im Freien, sowie ein kleines Fest, soweit es die Corona-Bestimmungen zulassen. Eine Art Einzug ins Prälat Bauer-Haus soll dann am Sonntag, 3. Oktober, vollzogen werden. Im Rahmen des Erntedankfests wird es einen ökumenischen Gottesdienst mit anschließendem Sektempfang geben.
Der Grund, auf dem momentan noch das evangelische Gemeindehaus steht, bleibt übrigens im Besitz der Kirche: Die Stadtverwaltung wird für dieses Areal sowie für das nebenstehende Pfarrhaus Erbpachtverträge abschließen. Das Pfarrbüro wird in die ehemalige Verwaltungsstelle ziehen. Mit dem Bau des Kindergartens mit fünf Gruppen soll laut Oberbürgermeister Jörg Albrecht im kommenden Jahr begonnen werden. Als Bauzeit seien zwölf bis 14 Monate geplant. Im Jahr 2023 sollen die Mädchen und Jungs dort dann betreut werden.