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Wasserstoff-Technologie: "16.500 Arbeitsplätze könnten entstehen"

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		Wasserstoff-Technologie:

Von Sören S. Sgries

Stuttgart/Heidelberg. Für Umweltminister Franz Untersteller sind es die letzten Wochen im Amt: Anfang 2020 hatte der Grünen-Politiker verkündet, dass nach der Landtagswahl seine Zeit "als aktiver Landespolitiker" ende. Im RNZ-Interview blickt er dennoch weit in die Zukunft. Klimafreundlich und dennoch günstig soll sie sein. Die Grundlagen werden derzeit gelegt.

Herr Untersteller, das Land investiert gerade recht großzügig in Wasserstoff-Projekte, auch in der Rhein-Neckar-Region. Warum ist das für Sie so ein wichtiges Feld?

Das Ziel muss sein, Europa, die Bundesrepublik, Baden-Württemberg bis 2050 spätestens zu dekarbonisieren. Das bedeutet im Kern nichts anderes, als dass wir weder im Verkehrs-, noch im Strom-, noch im Wärmesektor oder in der Industrie relevant fossile Energieträger einsetzen dürfen. Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologien können bei dieser Entwicklung eine entscheidende Rolle spielen.

Allein mit Ökostrom ist es nicht getan?

Nein. Es gibt Bereiche, da brauchen Sie andere Lösungen, beispielsweise bei der Stahlerzeugung oder in Raffinerien. Dort kann Wasserstoff einen wichtigen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten. Um Wasserstoff einzusetzen, müssen Sie ihn allerdings erstmal erzeugen – und zwar auf Basis erneuerbarer Energien. Das heißt, Sie brauchen entsprechende Technologien – und da kommt Baden-Württemberg ins Spiel als deutschlandweite Nr. 1 im Maschinen- und Anlagenbau.

Wie sieht es mit dem Verkehr aus?

Auch da wird Wasserstoff mit Sicherheit eine Rolle spielen. Aus meiner Sicht allerdings weniger im PKW-Bereich als vielmehr bei dem Thema Schwerlastverkehr auf langen Strecken, bei Busflotten, im Schiffsverkehr und auf der Schiene.

Das heißt, Wasserstoff ist kein Ersatz-Benzin oder Ersatz-Diesel für unseren Pkw?

Letztendlich entscheide das ja nicht ich, das entscheidet die Industrie selbst und dann der Markt. Der Daimler-Konzern etwa hat im vergangenen Jahr entschieden, die Produktion des Wasserstofffahrzeugs im PKW-Bereich einzustellen. Stattdessen geht der Konzern den direkt-elektrischen Weg. Auch viele andere Hersteller bringen in den nächsten Jahren in erster Linie Fahrzeuge mit direkt-elektrischem Antrieb auf den Markt.

Also keine guten Aussichten für das Brennstoffzellen-Auto?

Ich weiß nicht, ob sich die Tendenz im Pkw-Bereich noch einmal ändert. Wir vom Ministerium aus haben die letzten Jahre 15 Wasserstofftankstellen in Baden-Württemberg und deren Aufbau durch Förderung mit unterstützt. Von daher: Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht. Aber es zeichnet sich ab, dass die Brennstoffzelle im Schwerlast-Bereich eine größere Rolle spielen wird.

Und da wird Baden-Württemberg mitmischen?

Daran arbeiten wir. Es gibt zum Beispiel ein Joint Venture zwischen Daimler und Volvo, da hoffe ich, dass die Produktionsstätte zu uns nach Baden-Württemberg kommt. Es gibt auch das Joint Venture zwischen Iveco und Nikola, die in Ulm künftig Brennstoffzellen-Fahrzeuge gemeinsam bauen werden.

Gerade die FDP wirbt ja massiv für "Technologieoffenheit" – und will so den Verbrennermotor retten. Eine Hoffnung, die Sie nicht teilen?

Technologieoffenheit wollen alle, ich verstehe darunter die jeweils besten Technologien für einen bestimmten Zweck. Die FDP versucht verzweifelt den Eindruck zu erwecken, wir würden nichts machen in Sachen Wasserstoff. Sie ignoriert die Fakten. Wir haben die letzten Jahre alle möglichen Initiativen ergriffen, um das Thema Wasserstoff und Brennstoffzelle voranzubringen. Ein Beispiel: HyFab, ein Forschungsprojekt mit dem Ziel, die Kosten bei der Herstellung von Brennstoffzellen zu drücken und die Automatisierung voranzubringen, so dass wir künftig Brennstoffzellentechnologie in einer Größenordnung von mindestens 100.000 Stück im Jahr produzieren. Ins Fahrzeug meines Amtsleiters im Umweltministerium wurde noch in Handarbeit eine Brennstoffzelle eingebaut. So hat man früher Kuckucksuhren hergestellt! Wenn das in einem industriellen Maßstab passieren soll, muss ich auch industrielle Prozesse fördern. Das machen wir mit HyFab und haben dafür 18,5 Millionen Euro bereitgestellt.

Und im Rhein-Neckar-Raum gibt es weitere Projekte.

Richtig. In der Metropolregion Rhein-Neckar gibt es das Projekt "H2 Rivers", gefördert vom Bund mit 20 Millionen Euro und von uns mit weiteren 20 Millionen. Allein diese beiden Beispiele, HyFab und "H2 Rivers", zeigen, dass wir beim Thema Wasserstoff und Brennstoffzelle nicht untätig sind.

Ihr Kabinettskollege, Verkehrsminister Winne Hermann, hat kürzlich gesagt, bei allem Hype um den Wasserstoff solle man synthetische Kraftstoffe nicht vergessen.

Wasserstoff wird eine Rolle spielen. Synthetische Kraftstoffe werden eine Rolle spielen. Und natürlich direktelektrische Antriebe. Zum Schluss stellt sich aber immer auch die Kostenfrage. Beim Wasserstoff brauchen Sie die dreifache Menge an Energie gegenüber dem direktelektrischen Antrieb. Das spricht nicht gegen den Wasserstoff, vorausgesetzt die Energie wird erneuerbar erzeugt. Es kann Sinn machen, zum Beispiel bei den schweren Lkws. Bei den synthetischen Kraftstoffen ist das Verhältnis sogar 1:7. Auch das kann funktionieren, beispielsweise wenn bei Flugzeugen Kerosin ersetzt werden soll. Aber es hat dann sicher Konsequenzen für die zukünftigen Preise der Treibstoffe im Flugverkehr.

Spannend ist ja auch der Zeithorizont, in dem entsprechende Technologien relevant werden können. Ihre Erwartungen?

Eine Studie, die die Unternehmensberatung Roland Berger in unserem Auftrag erstellt hat, sieht im Bereich der Wasserstofftechnologie bis 2030 ein Umsatzvolumen allein in Baden-Württemberg von 9 Milliarden Euro. Dabei geht es vor allem um den industriellen Bereich durch die Fertigung von Komponenten, von Elektrolyseuren. 16.500 Arbeitsplätze könnten damit in diesem Jahrzehnt entstehen.

Für das Klima macht das alles nur Sinn, wenn Ökostrom eingesetzt wird. Bei dem deutlich höheren Energiebedarf: Ist das nicht riskant? Unser derzeitiger Strommix ist ja alles andere als sauber.

Wir können nicht erst anfangen, wenn wir 100 Prozent Erneuerbare haben. Das wäre fatal. Unsere Aufgabe ist es, in den nächsten zehn Jahren das Thema "Grüner Wasserstoff" voranzubringen.

Andere Energieträger werden teurer sein als die fossilen Brennstoffe. Auf welche Preise müssen wir uns einstellen?

Das ist eine These, die ich nicht teile. Denn die heutigen Preise für fossile Brennstoffe spiegeln ja nicht die realen Kosten wider, die sie verursachen. In Öl, in Gas, in Kohle ist das Klimawandel-Problem nicht eingepreist. Seit Anfang des Jahres haben wir deshalb erstmals einen CO2-Preis im Verkehrs- und Wärmesektor von zunächst 25 Euro. Das wird nur der Anfang sein. Die "alte Welt", die fossile Welt, wird teurer werden. Sie wird auch teurer werden müssen, weil sie die Kosten des Klimawandels bislang nicht abbildet. Und die neue Welt wird kostengünstiger.

Kann saubere Energie denn tatsächlich günstiger sein?

Zu dem Preis, zu dem ich mir meine erste Photovoltaikanlage aufs Dach gelegt habe: Dafür kriege ich heute fast eine Großanlage. Dafür habe ich aber auch über 50 Cent Vergütung pro Kilowattstunde bekommen. Heute bekommen Sie nur noch unter 10 Cent Vergütung – und trotzdem rechnet es sich, weil die Anlagen viel kostengünstiger geworden sind. Nicht anders wird es bei den Wasserstofftechnologien gehen. Und auch die Kosten für die Herstellung von Wasserstoff werden sinken. Portugal produziert in großen Photovoltaik-Anlagen den Strom schon jetzt für 1,7 Cent die Kilowattstunde.

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