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Raiffeisen-Bank Wiesloch-Baiertal: Jetzt muss der Rettungsring ergriffen werden (Update)

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Von Timo Teufert

Dielheim. Wird es die Raiffeisen Privatbank Wiesloch-Baiertal in fünf Jahren noch geben? Um diese Frage geht es letztendlich auch, wenn die rund 2300 Mitglieder der Genossenschaftsbank vom 4. bis 11. Dezember im Rahmen einer schriftlichen Generalversammlung darüber abstimmen müssen, ob man die ehemaligen Vorstände der Bank in Regress nehmen will, weil diese ihre Sorgfaltspflichten bei der Kreditvergabe laut eines Gutachtens verletzt haben sollen. So entstand ein Schaden von mehr als neun Millionen Euro für die Bank, die nur durch die Hilfe der Sicherheitseinrichtung des Bundesverbands Deutscher Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) handlungsfähig blieb. In mehreren Informationsveranstaltungen klärt nun Rechtsanwalt Mathias Klasen vom baden-württembergischen Genossenschaftsverband die Mitglieder über die Verantwortungen der verschiedenen Organe der Bank auf.

In dem rund einstündigen Vortrag geht es um die Rechte und Pflichten von Vorstand, Aufsichtsrat und Generalversammlung, aber auch um das Thema Haftung und Treuepflicht. Bei der ersten Infoveranstaltung am Dienstagabend machte Klasen unter anderem deutlich, dass der Vorstand nicht für unternehmerischen Misserfolg hafte, sondern für unsorgfältiges Handeln. Das vom Aufsichtsrat beauftragte Gutachten stellt "schwerwiegende Sorgfaltspflichtverletzungen" fest – ebenso wie der genossenschaftliche Prüfungsverband und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Was der Vorstand dem Gutachten nach nicht ausreichend geprüft hat: Der Kreditnehmer soll – um an die Kredite zu kommen – Scheinkonten bei anderen Banken angelegt, Kontoauszüge und Stempel gefälscht und so ein nicht existierendes Vermögen als Sicherheit vorgetäuscht haben.

In Klasens Vortrag wurde deutlich, dass der Aufsichtsrat nun verpflichtet ist, zu handeln: "Der Aufsichtsrat ist der Gemeinschaft verpflichtet", so Klasen. In Bezug auf eine Sorgfaltspflichtverletzung müsse die Verfolgung der Schadensersatzansprüche gegenüber einem Vorstandsmitglied deshalb die Regel sein. 2019 hatte eine Mehrheit der Mitglieder bei der Generalversammlung es abgelehnt, die Regressansprüche in Millionenhöhe gegenüber der Versicherung der ehemaligen Vorstände gelten zu machen.

"Die Genossenschaft und die Genossen stehen nach ständiger Rechtsprechung in einem wechselseitigen Treueverhältnis", erklärte der Rechtsanwalt. Die daraus resultierende Treuepflicht beinhalte auch, alles zu unterlassen, was für die Gesellschaft schädlich sei. "Die Mitglieder haben also die Genossenschaft vor vermeidbaren Kosten und wirtschaftlichen Schäden zu bewahren", so Klasen. Aus dieser Treuepflicht könne sich deshalb auch die Pflicht ergeben, in einem bestimmten Sinne bei der Generalversammlung abzustimmen, so Klasen. Aus seiner Sicht gebiete es im Fall der Raiffeisen Privatbank – um schweren Schaden von der Genossenschaft abzuwenden – dem Aufsichtsrat die Möglichkeit zu geben, seine Pflicht zu tun. "Aus meiner Sicht gibt es da kein Ermessen und im Sinne der Treuepflicht nur eine Wahl", so Klasen. Denn der Aufsichtsrat könne gegenüber der Versicherung anders auftreten und die Ansprüche gelten machen.

"Wir als Aufsichtsrat appellieren an Sie: Geben Sie uns die Möglichkeit, unseren Pflichten auch nachzukommen", sagte der Aufsichtsratsvorsitzende Frank Blaser nach dem Vortrag von Klasen. Danach hatten die Mitglieder die Möglichkeit, ihre Fragen zur Thematik zu stellen. Diese wurden gesammelt und werden nun zentral und schriftlich beantwortet. Denn weil coronabedingt die Informationsveranstaltungen auf drei Abende aufgeteilt werden mussten, alle Mitglieder aber den gleichen Informationsstand haben sollen, hatte man sich für dieses Verfahren entschieden.

In einem anschließenden Pressegespräch betonten die neuen Vorstände, Ralf Haller und Karsten Willer, dass es nicht darum gehe, jemanden schuldig zu sprechen, sondern die Ansprüche prüfen zu lassen. "Der BVR hat uns eine Garantie über fünf Millionen Euro gewährt. Diese wollen wir mit dem Geld der Versicherung zurückführen", so Haller. Ohne ein positives Votum der Generalversammlung sei man aber ein zahnloser Tiger, wenn es um die Geltendmachung der Ansprüche gegenüber der Versicherung gehe. "Der BVR hat uns den Rettungsring zugeworfen, aber wir müssen danach greifen", so Willer.

Und vor dem Hintergrund der Tradition der Bank und ihren rund 25 bis 30 Angestellten gebe es nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine moralische Pflicht, die Ansprüche geltend zu machen. Denn wenn die Versicherung – ob durch einen Vergleich oder durch ein Gerichtsurteil – den entstandenen Schaden nicht oder auch nicht Teile davon ersetze, habe die Bank, um ihr Geschäftsmodell dauerhaft aufrecht zu erhalten, nicht mehr ausreichend Eigenkapital. "Dann können wir auf lange Sicht keine Kredite mehr ausgeben", so Haller. "Wir würden schrumpfen und in die Ertragslosigkeit hineinsteuern", so Willer. Mittelfristig bedeute dies, dass es die Bank nicht mehr geben würde.

Update: Donnerstag, 22. Oktober 2020, 18.43 Uhr


Raiffeisen-Bank Wiesloch-Baiertal will Ex-Vorstände in Regress nehmen

Von Timo Teufert

Baiertal. Noch immer hat die Raiffeisen Privatbank Wiesloch-Baiertal wirtschaftlich damit zu kämpfen, dass sie einem Mann, der offenbar in betrügerischer Absicht handelte, Kredite mit einem Volumen von mindestens neun Millionen Euro gegeben hat. Damit die Bank den Sanierungsvertrag, der mit dem Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) geschlossen wurde, erfüllen kann, braucht sie die Ermächtigung ihrer Mitglieder, die ehemaligen Vorstände in Regress zu nehmen. Das hatten die Mitglieder bei der Versammlung im Oktober 2019 abgelehnt.

Nur so ist es aber möglich, die Regress-Ansprüche in Millionenhöhe, die ein Gutachter bestätigt hat, gegenüber der Versicherung geltend zu machen. Weil die nächste Generalversammlung der Bank coronabedingt aber nur in einem schriftlichen Verfahren stattfinden wird, informieren Vorstand und Aufsichtsrat die Mitglieder seit Anfang Oktober mit Informationsschreiben über den aktuellen Sachstand. Außerdem hat die Bank Informationsveranstaltungen organisiert, die am Dienstag, 20. Oktober, Mittwoch, 28. Oktober und am Mittwoch, 4. November, jeweils in der Dielheimer Kulturhalle stattfinden.

"Unsere Bank befindet sich in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage", machen Aufsichtsrat, Vorstand und Mitarbeiter in dem ersten gemeinsamen Schreiben an die Mitglieder gleich im ersten Satz deutlich. Ausgelöst wurde diese Situation durch den Ausfall von sechs Krediten in Höhe von mindestens neun Millionen Euro. Sie wurden seit 2016 an einen Kreditnehmer, seine Angehörigen und weiteren Personen und Unternehmen gewährt. "Leider waren die zur Verfügung gestellten Kreditsicherheiten nur vorgetäuscht und in Wirklichkeit nicht vorhanden", heißt es in dem Schreiben.

Der Kreditnehmer soll – um an die Kredite zu kommen – Scheinkonten bei anderen Banken angelegt, Kontoauszüge und Stempel gefälscht und so ein nicht existierendes Vermögen als Sicherheit vorgetäuscht haben. Gleichzeitig soll er der Raiffeisen Privatbank größere Geldanlagen in Aussicht gestellt haben. Möglicherweise sei das der Grund, warum man sich bei der Bank auf eine "Kommunikationsvereinbarung" eingelassen haben soll, mit der Nachfragen bei den betreffenden Instituten unterbunden wurden.

Das sei bankunüblich, hatte eine Vertreterin des baden-württembergischen Genossenschaftsverbandes bei der Generalversammlung 2019 erklärt. Mittlerweile wurde über das Vermögen des Hauptkreditnehmers und über das Vermögen von Teilen seiner Unternehmen ein Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Hilfen, die die Raiffeisen Privatbank nach dem Bekanntwerden des Kreditbetrugs von der Sicherheitseinrichtung des BVR in Anspruch genommen hat, sind an Bedingungen geknüpft: "Sie ist keine Versicherung, sondern bietet nur eine Hilfe zur Selbsthilfe", heißt es in dem Rundschreiben. Mit diesem Sicherungsvertrag haben die ehemaligen Vorstandsmitglieder Udo Engelhardt und Daniel Ehmer akzeptiert, dass mögliche Regressansprüche gegen sie sowie gegen Mitglieder des Aufsichtsrates durch einen externen Gutachter geprüft werden.

Das Urteil der zwei Sachverständigen: Beim Aufsichtsrat konnte keine Verletzung der Sorgfaltspflicht festgestellt werden. "Der unabhängige Gutachter kam zu dem Ergebnis, dass den Aufsichtsratsmitgliedern nach den dort seinerzeit vorhandenen Kenntnissen und Erkenntnismöglichkeiten und in Anbetracht des bestehenden unternehmerischen Ermessens keine Sorgfaltspflichtverletzungen vorzuwerfen sind", so das Schreiben.

Dagegen wurden im Gutachten die ehemaligen Vorstandsmitglieder betreffend "schwerwiegende Sorgfaltspflichtverletzungen und daraus resultierende Schadensersatzansprüche unserer Bank in Millionenhöhe festgestellt". Auch der genossenschaftliche Prüfungsverband und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) als Aufsichtsbehörde hätten die Mängel und ihre Schwere unabhängig voneinander festgestellt.

Denn der Hauptkreditnehmer hat auch "Sicherheiten gegen Zahlung einer Provision für Kredite Dritter in Höhe von 9,5 Millionen Euro gestellt. Diese waren ebenfalls von Anfang an nicht existent", heißt es von der Bank. Von diesen Krediten seien aktuell 3,1 Millionen Euro akut ausfallgefährdet und belasteten zusätzlich die Ertragslage der Bank. Erschwerend komme hinzu, dass der Vorstand bei einem Unternehmen des Kreditnehmers eine Fotovoltaikanlage "zu einem weit überhöhten Preis" gekauft habe, obwohl zu diesem Zeitpunkt der Prüfungsverband schon Hinweise auf einen möglichen Kreditbetrug gegeben habe. Schaden in diesem Fall: weitere 383.000 Euro.

Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse müssen die Mitglieder nun die Weichen für eine weitere Aufarbeitung stellen: Denn im Sanierungsvertrag wurde die Bank auch dazu verpflichtet, gutachterlich festgestellte Schadensersatzansprüche geltend zu machen. "Diese Verpflichtung haben wir bisher nicht voll erfüllen können, weil sich die Generalversammlung am 12. November 2019 noch nicht dazu durchringen konnte, den Aufsichtsrat zu ermächtigen, festgestellte Schadensersatzansprüche gegebenenfalls auch auf gerichtlichem Wege durchzusetzen", heißt es in dem Infoschreiben.

Ohne diesen Schritt drohe allerdings der Entzug der BVR-Garantie. Eine gerichtliche Überprüfung sei aber darüber hinaus auch eine ganz wesentliche Voraussetzung, um die Ansprüche gegenüber der Versicherung geltend zu machen, die für eventuelle Sorgfaltspflichtverletzungen der Vorstände abgeschlossen wurde.

Auch die strafrechtliche Aufarbeitung des Falles läuft: Die für Wirtschaftsstrafsachen zuständige Staatsanwaltschaft in Mannheim erklärt dazu: "Ein Ermittlungsverfahren läuft." Weitere Angaben könne man zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht machen.

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