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Radjubiläum Mannheim: Rebellinnen auf dem Drahtesel

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		Radjubiläum Mannheim:  Rebellinnen auf dem Drahtesel

Von Harald Berlinghof

"Sie radeln wie ein Mann, Madame". Was wie ein Kompliment klingen mag, war keineswegs so gemeint. Denn Radfahren galt zumindest bis zum Ende des 19. Jahrhunderts als männlicher Sport. Und eine Frau, die mit einem männlichen Radfahrer verglichen wurde, riskierte ihren guten Ruf als Dame. Gudrun Maierhof, Professorin an der Frankfurt University of Applied Sciences, widmete sich im Jahr des 220. Geburtstages des Fahrrads in einem Vortrag im Technoseum dem Thema "Rebellinnen auf dem Rad: Die Geschichte des Frauenradfahrens".

Auch Freiherr von Drais selbst hatte es nicht leicht mit seiner Erfindung. "Freiherr von Rutsch, zum Fahre kei Kutsch, zum Reite kei Gaul, zum Laufe zu faul", riefen die Kinder dem Freiherrn zu, wenn er auf seiner Laufmaschine vorbeikam, und liefen lachend davon. Wie die Zuhörer im Technoseum erfuhren, wurde Drais verlacht und gehänselt, als er vor genau 200 Jahren seine "Draisine" etablieren wollte.

Doch noch ein ganzes Stück schwerer hatten es Frauen, die sich damals auf die Fahrräder wagten. Sie hatten nicht nur den Schmäh gegen sich, sondern auch eine ausgeprägt männlich dominierte Gesellschaft. Die Laufmaschine, das spätere Velociped und das lebensgefährliche Hochrad waren zunächst die Domäne der Männer. Wie sollte eine Frau auf diesen Geräten mit ihren überlangen Röcken zurechtkommen? Noch dazu, ohne ihre Knöchel zu zeigen. Oder gar ihre Unterwäsche beim Besteigen des Rads. Mit Reifrock oder Korsett war Radfahren nicht zu bewältigen.

Der Hut verrutschte im Fahrtwind, der Rock flatterte. "Die natürliche, taktvolle Schamhaftigkeit der deutschen Frauen" war in Gefahr, betonte Maierhof. Eng verknüpft mit der Emanzipation des Radfahrens war deshalb der Kampf um die Damenhose. Man kam darauf, Dreiräder mit Tretpedalen zu bauen, die aber sehr schwer und unhandlich waren. Man probierte den Damensattel, wie er aus dem Pferdesport bekannt war. Eine lächerliche Sitzhaltung war die Folge.

1869 war es zumindest in den USA vorbei mit der Schamhaftigkeit, als die erste Fahrradfahrschule für Frauen gegründet wurde. Aber erst 1890 - nach beinahe 75 Jahren - gehörte das Damenfahrrad in Deutschland zum Straßenbild. Und auch dann hörten die Schmähungen nicht auf. Die Kutscher bespritzten die Fahrrad fahrenden Frauen absichtlich mit Schlamm, Kinder warfen mit Matsch und Steinen nach ihnen.

Das Radfahren galt als wenig schicklich, als nicht damenhaft, und außerdem soll es Körper und Gemüt krank machen, so die einhellige Meinung. Vor allem die Unterleibsorgane sollten geschädigt werden, meinten die Ärzte, und außerdem sollte der Sattel den Damen sexuell die Sinne vernebeln. Mit viel Häme und männlicher Witzelei avancierte die sexuell stimulierte Dame zum Star in den Karikaturen der damaligen Zeitschriften.

Und wie undamenhaft erst diese jämmerliche Haltung aussah, die man als "Treppensteigen im Sitzen" bezeichnete. Es wäre besser, so die Herren, die Damen würden die Betätigung ihrer Strampelkraft an den Nähmaschinen austoben.

Doch aller Widerstand und alle Häme nutzten nichts. Die modische Radlerin eroberte die Zeitschriften und ab 1890 gab es immer mehr Frauenradfahrvereine und sogar Frauenradrennen.

"Wer Steinen ausweicht und rechtzeitig abbiegt, der wird auch in der Gesellschaft eine recht ordentliche Rolle spielen", betonte die fortschrittlichen Kräfte in der Gesellschaft.

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