Hausbesuch Newmen Components: Von Wiggensbach in die weite Welt
Hausbesuch bei Newmen Components: Ein Blick hinter die Kulissen des Allgäuer Herstellers von Hightech-Laufrädern und Fahrradkomponenten. Wenn Leidenschaft und Präzision Hand in Hand gehen, treffen innovative Ideen auf modernste Technik. So entstehen hochwertige Fahrradkomponenten, welche von Wiggensbach in die ganze Welt gehen. Viel Spaß beim Newmen Hausbesuch!
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Video: Hausbesuch Newmen Components
Zu Hause im Allgäu, wo Leidenschaft und Präzision Hand in Hand gehen
Gegründet wurde Newmen Components im Jahr 2016 von Michi Grätz, der vielen schon als Mitgründer der Firma Liteville bekannt sein könnte. Das Unternehmen mit dem Allgäuer Hauptsitz in Wiggensbach hat sich schnell einen Namen in der Fahrradindustrie gemacht – die Firma hat sich auf die Herstellung von leichten Laufrädern bzw. Naben spezialisiert, mittlerweile gehören auch allerlei Komponenten wie Lenker, Vorbauten oder MTB-Pedale zum Produktportfolio.
Die Philosophie des Unternehmens besteht darin, leichte, haltbare und qualitative Produkte zu fertigen, die dem eigenen Anspruch, genau wie dem von anspruchsvollen Kunden weltweit, entsprechen müssen. Dabei setzt man nicht nur für die Entwicklung und Erprobung auf den Standort Deutschland. Wiggensbach ist Hauptsitz sowie Fertigungsort für Premium-Produkte wie die eigenen Carbonlaufräder mit VONOA-Speichen und hochwertige Naben für verschiedene Anwendungsbereiche wie Rennrad, Gravel oder dem Geländeradsport.
Newmen legt großen Wert auf Sicherheit und Funktionalität und nutzt dafür modernste Produktionstechniken. Durch den Einsatz modernster Materialien und Prozesse, wie beispielsweise dem Alu-Sintern für Prototypen, wird die Entwicklung flexibler und kosteneffizienter gestaltet. Dabei hat man es sich zur Aufgabe gemacht, Produkte zu entwickeln, die nicht nur für Mountainbiker, sondern auch für Gravel-, Rennrad- sowie E-Bike-Fahrer geeignet sind.
Was Newmen auszeichnet, ist die enge Verzahnung von praktischer Erfahrung und technischer Innovation. Die Ideen entstehen oft direkt auf dem Trail – die Entwickler, wie auch Firmenchef Michi Grätz, sind selbst leidenschaftliche Fahrradfahrer. Dieser unmittelbare Zugang zum Produkt spiegelt sich in jedem Detail wider. Ob auf Enduro-Trails oder bei langen Cross-Country-Touren, Newmen-Produkte sind erster Linie darauf ausgelegt, den eigenen hohen Ansprüchen gerecht zu werden.
Vor Ort in Wiggensbach wurden wir herzlich von Gründer und Chef Michi Grätz empfangen. Die neue, im Jahr 2022 fertiggestellte Halle mit satten 1200 qm Nutzfläche beherbergt neben Showroom, Shop und Cafeteria im Eingangsbereich alles von Prüflabor, Qualitätskontrolle, Serviceabteilung, Naben- sowie Laufradbau. In den Nebengebäuden finden R&D, Einkauf/Verkauf und Marketing Platz. Wir durften uns einen Eindruck der Abläufe von Entwicklung bis Endmontage machen. Von der ersten Idee auf dem Trail, der Umsetzung am Computer, das Testing im hauseigenen Labor bis zum letzten Feinschliff in der Montage – viel Spaß dabei!
Wie entsteht ein neues Newmen-Produkt?
Was Newmen besonders macht, ist die schon erwähnte enge Verbindung zwischen Praxis und Entwicklung: „Wir fahren alle selbst leidenschaftlich Rad“, erklärt Tim, der für Produktentwicklung und -management verantwortlich zeichnet. Diese Erfahrungen fließen direkt in die Entwicklung ein. Ob Mountainbike, Gravel oder Rennrad – bei Newmen entstehen Produkte, die auf den Bedürfnissen von Fahrerinnen und Fahrern basieren. Besonders stolz ist das Team auf die neuen Felgenmodelle, die speziell auf Dellenresistenz und optimierte Steifigkeit hinentwickelt wurden. Dank des modernen Prototyping-Prozesses können Felgenprofile aus einem speziellen Alu-Sintermaterial erstellt und intensiv getestet werden, bevor sie in Serie gehen. Das spart nicht nur bares Geld, sondern auch ordentlich Entwicklungszeit.
Während den gemeinsamen Ausfahrten der Newmen-Belegschaft kommt es oftmals zu neuen Ideen oder Verbesserungsvorschlägen zu bereits bestehenden Produkten. Laut Michi Grätz ist bei solchen Touren und dem dabei stattfindenden Austausch aufgefallen, dass beispielsweise bei dem alten Evolution-SL-Felgenprofil bestimmte Verformungen gehäuft auftreten, was dann direkt in die Entwicklung der neuen Beskar-Felgenprofile einfließen konnte.
So wurden unterschiedliche neue Felgenprofile im CAD konstruiert und anschließend ihr Belastungsverhalten simuliert und Prototypen angefertigt, um diese dann im eigenen Prüflabor zu validieren. Hier können unter anderem die Impact-Resistenz und die Haltbarkeit im Speichenlochbereich überprüft werden. Dabei entstehen während des Prüfprozesses noch weitere Lösungsansätze, welche sogleich in weiteren Prototypenzyklen genauer untersucht werden können. Ist das Team mit dem technischen Stand eines Prototyp-Bauteils zufrieden, wird zuerst begonnen, das Produkt in einer kleinen Vorserie herzustellen. Diese Vorserienteile müssen dann sämtliche Tests im Labor durchlaufen, bevor sie zur Serienproduktion übergehen und zum Verkauf freigegeben werden.
Ganz automatisch entwickeln wir die Produkte so, wie wir sie selbst am liebsten an unseren Bikes fahren möchten. Dabei legen wir nicht nur viel Wert darauf, dass die Produkte einwandfrei funktionieren, leicht und haltbar sind, sondern wir versuchen immer, ein möglichst attraktives Preispaket zu schnüren.
Michi Grätz – Gründer Newmen Components
Ein Prüflabor der Extraklasse
Newmen geht in punkto Qualitätssicherung einen Schritt weiter. Im hauseigenen Prüflabor werden die Produkte weit über die üblichen Normen hinaus getestet. „Die DIN-Normen reichen uns nicht“, betont Michi. Während Standard-Laufräder exemplarisch 750.000 Belastungszyklen auf dem Trommel-Prüfstand aushalten müssen, setzt Newmen den Maßstab bei 4,4 Millionen. Die Prüfmaschinen simulieren realistische Belastungsszenarien, wie sie beim Mountainbiken oder Rennradfahren auftreten. Ob Vollbremsungen oder gezielte Freilauf-Belastungen, alles wird bis ins kleinste Detail getestet, um maximale Sicherheit und Langlebigkeit zu gewährleisten.
Die Besonderheit des Newmen-Testlabors: fast alle Testmaschinen und Vorrichtungen sind selbst entwickelt und gefertigt. Denn für die meisten notwendigen Tests gibt es keine oder zumindest nur wenig geeignete Maschinen. Um einen Prüf- und Entwicklungsstau zu verhindern, ist es laut Michi absolut notwendig, das Prüflabor stetig auszubauen und zu erweitern und dem Wachstum der Allgäuer gerecht zu werden. Testmaschinen in Eigenleistung zu konstruieren und zu bauen ist zwar eine teure Angelegenheit, Verzögerung in der Prüf- und Entwicklungsarbeit ist jedoch noch teurer, berichtet der Chef.
Neben dem Planen und Bauen solcher Maschinen stellt die Definition der abzuprüfenden Testpläne eine ebenso fordernde Aufgabe an das Entwicklungsteam:
Mit welchen Lasten, Wiederholungen oder welcher Zyklenanzahl muss ein Produkt geprüft werden, damit es sicher ist? Für manche Produkte gibt es bereits Teststandards. Je nach Einsatzzweck sind dieser jedoch oft zu lasch und nicht ausreichend. Für manche Produkte gibt es kaum Teststandards, dazu gehören auch die Laufräder. Wir können bei uns im Haus alle Teile, die wir konstruieren und produzieren, im eigenen Prüflabor abtesten. Das ist ein großer Vorteil.
Michi Grätz – Gründer Newmen Components
Neben Universalprüfständen, mit denen Belastungstests an Lenkern, Vorbauten, Sattelstützen und Pedalen durchgeführt werden können, gibt es diverse spezielle Apparaturen zur Erprobung von MTB-Laufrädern und Naben. Hierzu zählen Trommel-Prüfstände für einspurige Fahrräder mit integrierter seitlichen Lastaufbringung sowie für mehrspurige Fahrräder, Vorrichtungen zum Prüfen von Antriebspuls und Bremspuls, Berstdruck-Prüfvorrichtungen oder Prüfmaschinen zur Untersuchung von Lagerdichtigkeit. Nicht zu vergessen – eine Universalzug- und Druckprüfmaschine für unterschiedliche Zug- und Druckversuche an verschiedenen Produkten.
Carbon-Speichen-Laufräder aus Wiggensbach, Stahlspeichen-Laufräder aus Tschechien
Besonders spannend war der Einblick in den Carbon-Laufradbau vor Ort. Während die Standard-Laufräder in Tschechien gefertigt werden, entstehen die Carbon-Speichen-Laufräder im bayrischen Wiggensbach. Jeder Laufradsatz wird von Hand aufgebaut, angenippelt und zentriert, um sicherzustellen, dass alles perfekt passt. Dies ist eine bewusste Entscheidung laut Newmen: „Die Carbon-Speichen-Laufräder sind aufwendiger zu bauen, daher machen wir das hier in Deutschland“, erklärt Michi Grätz. Die präzise Handarbeit und die Verwendung von hochwertigen Materialien sorgen dafür, dass die Laufräder sowohl leicht als auch extrem stabil sind.
Die Naben-Fertigung passiert aktuell in Deutschland und China. In Deutschland werden zudem auch alle Naben-Prototypen gefertigt. Das reduziert nicht nur die Entwicklungszeiten, es ermöglicht laut dem Newmen-Gründer auch, kurzfristig zu reagieren und macht das Unternehmen damit höchst flexibel.
Der Standort im Allgäu beschäftigt allein zwölf Mitarbeiter für den Carbon-Laufradbau, welche je nach Nachfrage pro Tag zwischen 100 und 150 Laufräder mit VONOA-Carbonspeichen aufbauen. Der tschechische Standort übernimmt alle Laufräder mit Stahlspeichen, sowohl in Kombination mit Aluminium- als auch Carbonfelgen. Alle Laufräder aus Tschechien werden zwar maschinell angenippelt, jedoch ganz klassisch per Hand zentriert. Dem Laufradbau mit Robotern steht Newmen-Gründer Michi eher skeptisch gegenüber – nach seiner Ansicht gibt es Stand heute keine verfügbaren Roboter, die mit einer Handeinspeichqualität mithalten können. Die Mitarbeiterzahl im tschechischen Werk variiert zwischen 50 und 60. Der maximale Tagesoutput im Jahr 2025 liegt laut Newmen bei über 1500 Laufrädern pro Tag. Das Ganze passiert auf einer Produktions- und Lagerhallenfläche von knapp 5000 Quadratmetern.
CNC-Fertigung in Deutschland und China
Nicht nur die Laufräder, auch die Naben werden bei Newmen mit hoher Präzision gefertigt. In der CNC-Fertigung, die teils in Deutschland und teils in China stattfindet, werden Naben sowohl aus Vollmaterial als auch aus vorgefertigten Schmiederohlingen produziert. In Wiggensbach selbst werden die Naben aus Vollmaterial gefräst, was den Vorteil bietet, dass weniger Schmiederohlinge auf Lager gehalten werden müssen, was das Unternehmen schlussendlich flexibler und schneller auf Marktbedürfnisse reagieren lässt, zudem können Prototypen schnell realisiert werden. Der Nachteil liegt klar in höheren Kosten aufgrund des erhöhten Materialeinsatzes und Abfalls.
Am Standort in China werden größere Stückzahlen produziert. Hierzu setzt man auf Schmiederohlinge statt Vollmaterial, welche bereits nahezu die Kontur einer fertigen Nabe aufweisen, wenn sie auf die CNC-Maschine gespannt werden. Der Vorteil liegt in einer schnelleren Verarbeitung und deutlich weniger anfallendem Abfall während des Zerspanens. Laut interner Prüfungen unterscheiden sich die Festigkeitseigenschaften zwischen den Naben aus Deutschland und China nicht. Im Jahr 2024 hat Newmen kumuliert rund 800.000 Sätze Fahrradnaben in beiden Werken produziert.
Nachhaltigkeit und lokale Produktion
Ein Aspekt, der Newmen besonders wichtig ist, ist das Thema Nachhaltigkeit. Viele Materialien stammen aus der Region und die Produktion wird so effizient wie möglich gestaltet. Das Ziel: langlebige Produkte, die den Ressourcenverbrauch minimieren. „Wir wollen nicht nur durch Leistung, sondern auch durch unser Umweltbewusstsein punkten“, erklärt Michi. Besonders stolz ist das Team auf den eigenen Laufrad-Service: Defekte Felgen können im Rahmen des „Crash Replacement“-Programms zu einem reduzierten Preis ersetzt werden – ein weiterer Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit.
Im Service- oder Garantiefall kann der Kunde auf der Newmen-Homepage unter der Rubrik Service Anfragen über einen Link auf das Ticket-Portal zugreifen. Um eine Anfrage über das Ticket-Portal zu stellen, ist es zunächst erforderlich, sich zu registrieren. Nach der Registrierung können ein Ticket eröffnet und die notwendigen Daten eingegeben werden. Im Anschluss erfolgt die Generierung der Ticketnummer und die Bearbeitung des Tickets durch das Service-Team. Laut Newmen dauert die Bearbeitung regulär – nach Eingang des betroffenen Teils – maximal sieben Arbeitstage. Wenn das Ticket jedoch über einen Händler erstellt wird, kann dieses selbst gesetzte Sieben-Tage-Ziel nur schwer eingehalten werden, da es die Kommunikationskette meist erheblich verlangsamt.
Was bringt die Zukunft für die Allgäuer Laufradexperten?
Der Besuch bei Newmen Components zeigt, wie viel Leidenschaft und Know-how in jedem Laufradsatz steckt: Die Kombination aus moderner Technologie, präziser Handarbeit und einem tiefen Verständnis für die Bedürfnisse von Fahrerinnen und Fahrern aus aller Welt macht Newmen zu einem der führenden Hersteller in der Fahrradbranche. Mit dem Fokus auf Qualität, Nachhaltigkeit und Innovation möchte das Unternehmen neue Maßstäbe setzen. Das Ganze zeigt sich ebenfalls darin, dass die erst vor gut zwei Jahren bezogene neue Halle in Wiggensbach schon wieder zu klein ist und man bereits am nächsten Expansionsschritt arbeitet. Schon im Herbst 2026 soll ein neuer größerer Neubau bezogen werden.
Zudem beobachten Michi Grätz und seine Kollegen den Markt ganz genau. Dabei fällt auf, dass große Bike-Hersteller immer häufiger weg von Markenkomponenten gehen und mehr auf Eigenmarken setzen. Was bei Produkten wie Lenker, Vorbau, Sattel oder Griffen relativ einfach ist, wird bei Bauteilen wie Laufrädern deutlich schwieriger – angesichts dessen will sich Newmen weiter darauf spezialisieren und interessierten Bike-Herstellern die Möglichkeit bieten, ihre eigenen Laufräder bei Newmen produzieren zu lassen.
Die Möglichkeit, ein individuelles Felgenprofil und Nabendesign inklusive aller nötigen Belastungsprüfungen für Kunden zu realisieren, soll in Zukunft eine noch größere Rolle bei den Allgäuern einnehmen. Zudem werden Laufradbau-Schulungen angeboten, um zukünftige Großkunden weiterzubilden und zu entwickeln. Mit diesem Ziel möchte man sich für kommende Jahre breiter aufstellen und Laufräder sowie Fahrradkomponenten „Made im Allgäu“ weiter ausbauen.
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