Downhill World Cup 2024 – Fort William: Rennbericht von Andreas Kolb
Auch in diesem Jahr schreibt World Cup-Sieger Andi Kolb auf MTB-News über seine Erlebnisse an der absoluten Speerspitze des Downhill-Sports. Hier erfahrt ihr, wie der World Cup-Auftakt in Fort William, Schottland, nach einer durchwachsenen Offseason für ihn lief. Viel Spaß beim Lesen.
Servus, liebe MTB-News-Leser. Auch in diesem Jahr darf ich für euch wieder hier berichten. Zum Auftakt lohnt es sich sicherlich, einen Blick zurück auf die Offseason zu werfen. Diese verlief diesen Winter recht interessant für mich: Zu Beginn habe ich mich vermehrt auf körperliche Aspekte fokussiert. Grund war, dass die Saison 2023 durch viele kleine Verletzungen recht durchwachsen war. Etwa am Knie, was sich immer noch bemerkbar macht, ohne große Probleme zu bereiten. Dann hatte ich einen Bänderriss im Knöchel und eine weitere Kleinigkeit, die ich für mich behalten habe.
Deshalb war für mich Thema Nummer 1, richtig fit zu werden. Im letzten Jahr habe ich auch ganze 4 kg abgenommen. Ich durfte einen Test im Red Bull APC (Athlete Performance Center) machen, bei dem man deutlich gesehen hat, dass ich Kraft-technisch schlecht dastand. Ich wurde mit anderen Red Bull-Top-Athleten, wie Loïc Bruni, Aaron Gwin und Co. verglichen und da waren meine Kraft-Werte am Ende der letzten Saison nicht auf demselben Niveau. Daher war das Fitness-Training für mich absolute Priorität. Ende Januar wollte ich dann nach Neuseeland fliegen und dort ausreichend Zeit auf dem Bike verbringen.
Ich habe auch viel trainiert, bin richtig fit geworden und habe mich super gefühlt. Wie geplant ging es dann nach Neuseeland, habe mir aber leider schon nach 1,5 Wochen den Radiuskopf in der Hand gebrochen und musste frühzeitig wieder heimfliegen. Zum Glück war es nicht zu schlimm, ich hatte sofort eine OP, bei der eine Schraube reinkam. Sechs Wochen später war ich wieder auf dem DH-Bike. Natürlich braucht es dann trotzdem etwas Zeit, um wieder auf Geschwindigkeit zu kommen. Leider bin ich dann noch während unseres Team-Camps in Portugal und England krank geworden, was sich gezogen hat und das Ganze für mich ziemlich sinnlos gemacht hat.
Als ich wieder zu Hause war, konnte ich noch 3 Tage in Maribor fahren, dazu gab’s 3 Tage in der Woche vor dem Rennen mit dem Team in Wales und das war der Großteil meiner World Cup-Vorbereitung. So hatte ich insgesamt wenig Zeit auf dem Downhill-Bike, muss aber sagen, dass ich mich in Anbetracht dessen brutal gut gefühlt habe. Dadurch war ich mehr als motiviert für Fort William und wusste, dass ich da durchaus vorn mitkämpfen kann. Insgesamt war die Offseason für mich viel zu lange – es könnte für meinen Geschmack deutlich mehr Rennen geben, wobei sich da gerüchteweise im kommenden Jahr etwas dran ändern soll.
Donnerstag – Trackwalk
In Fort William angekommen war ich bis in die Haarspitzen motiviert: Mit den Jungs unterwegs zu sein, den großen Truck vor Ort zu haben und die Race-Vibes zu spüren ist immer wieder magisch! Beim Trackwalk hatte ich die Hoffnung, dass die Strecke im Vergleich zum Vorjahr wenige Änderungen aufweist, da das ja mit Platz 1 und 2 für Atherton-Bikes richtig gut lief. So etwa lief es auch: oben bis auf zwei Kurven alles identisch, der Wald war ebenfalls ähnlich und tendenziell eher etwas besser. Unten raus ist es um einiges schneller geworden, was mir aber auch entgegengekommen ist, da ich leider nur recht kurze 2-min-Strecken als Vorbereitung gegen die Zeit fahren konnte. Daher war ich über eine etwas kürzere, etwas Kraft-sparendere Strecke ganz happy.
Das Bike-Setup war zu Beginn bis auf die goldene Fox 40-Gabel mit neuer GripX2-Dämpfung absolut identisch zum Vorjahr. Im Winter habe ich einiges getestet, bin jedoch im Prinzip wieder beim selben Setting gelandet. Ich habe etwa einen längeren Reach probiert, was nicht funktioniert hat, und ein paar kleine Änderungen am Hinterbau. Aber mein Setup aus dem Vorjahr war einfach gut!
Freitag – Training
Vor dem ersten Run ist die Nervosität bei mir immer brutal. Ich weiß noch, dass ich 2023 in Lenzerheide im Lauf stehen bleiben musste, weil ich kaum noch atmen konnte. Dieses Jahr war es etwas besser: Ich habe mich bereits darauf vorbereitet, was mir immer sehr hilft. So konnte ich etwa bei meinem World Cup-Sieg in Leogang den Druck etwas senken.
Im Training bin ich meinem Team-Kollegen Charlie Hatton hinterher – der ist da oben wirklich ziemlich, ziemlich schnell. Für mich ist es einfacher, auf Pace zu kommen, wenn ich ihn vor mir habe, als wenn ich es selbst austesten müsste. Beim dritten Run haben wir uns beide schon ziemlich gut gefühlt und „geglaubt“, dass wir alle guten Lines haben und waren insgesamt sehr zuversichtlich. Im Timed Training habe ich direkt einen guten Lauf runterbekommen. Da das mein erster gezeiteter Run der Saison war, hat sich das schon richtig nach Rennen angefühlt. Ich war auch nur etwa 3 s zurück, womit ich mehr als zufrieden war.
Samstag – Quali & Semi-Finale
Der Samstag war sehr durchwachsen. Es gab viele rote Flaggen (Streckensperrungen) und viele harte Stürze. Leider erlitt mein Teamkollege Dom Platt einen davon und hat sich die Hand gebrochen und vermutlich eine Gehirnerschütterung geholt. Dadurch hat sich alles ziemlich verzögert. Die Quali bin ich eher gemütlich angegangen: Ich wollte solide in die Saison starten und möchte 2024 insgesamt weniger stürzen. So bin ich auf Platz 15 gefahren, habe allerdings eine ordentliche Watschen in Form von 6,5 s Rückstand bekommen. Klar, ich bin ruhig gefahren, aber das ist schon viel.
Da die Quali aber nur einer von drei Rennläufen ist und die wenigsten Punkte gibt, war ich trotzdem ganz guter Dinge. Gleich danach, allerdings dann schon recht spät am Tag, gings ins Semi-Finale. Da hatte ich mal wieder ein gutes Gefühl. Außerdem ist Regen aufgezogen und das ist für mich fast ein Segen, da ich weiß, alles ist langsamer und technischer und ich kann das im Verhältnis zu anderen Top-Fahrern etwas besser. Ich habe das gut genutzt und bin safe gefahren, habe an den richtigen Stellen Gas gegeben und bin auf Platz 7 mit nur 1,5 s Rückstand gelandet.
Damit war ich mehr als happy. Schlecht war nur, dass es danach keinen Trackwalk mehr gab, weil der Zeitplan so nach hinten geschoben war. Für mich ist der Trackwalk vor dem Finaltag extrem wichtig und ich hatte definitiv noch Probleme mit der Linienwahl. Ich wusste, dass ich nicht mehr auf den schnellsten Lines fürs Rennen bin. Im Training gab’s allerdings so viel Stau und Sperrungen, dass ich meine Linien nicht mehr wechseln konnte.
Sonntag – Finale
Ich musste im Training mehrere Linien wechseln und konnte so nur etwa auf 1,5 Runs richtig Gas geben. Dadurch habe ich viele Linien nur ein einziges Mal trainiert. Da ist es schwer, direkt mit der richtigen Pace zu fahren. Es war auch teilweise mein eigener Fehler, dass ich nicht von Anfang an andere Lines gewählt habe. Das ist allerdings auch ein Glücksspiel, zu wissen, wie sich eine Linie über das Wochenende entwickeln wird. Diesmal habe ich einfach daneben gelegen.
Dass wir dieses Jahr am letzten Tag nur das Finale ausfahren, kein Semi-Finale mehr, ist deutlich cooler. So gab es wieder einen richtigen Hype ums Finale und eine lange Wartezeit vom Training bis zum Finallauf. Da wird man oben extrem nervös und hat keine Ahnung, was man mit der Zeit anfangen soll. Doch dann war es endlich wieder so weit: Endlich wieder Rennen fahren! Ich habe mich zwar richtig gut gefühlt und auf das Finale gefreut, doch ein gewisses Extra an Aggressivität hat mir noch gefehlt. Ich musste mich selbst mit ein paar Gorilla-Moves extrem am Start aufhypen.
So bin ich dann auch gefahren: Die Teilsektionen, wo ich wusste, da kann ich voll attackieren, bin ich auch so gefahren, doch die anderen 80 % bin ich zwar fast, aber nicht ganz am Limit gefahren. Damit wird man im World Cup einfach etwas durchgereicht. Trotzdem hat es sich für mich extrem gut angefühlt.
Ich bin schlussendlich auf Platz 9 gelandet, mit dem ich mehr als happy bin. Mein Plan war es, im ersten Rennen nach der Verletzung Top10 zu fahren, und das hat geklappt! Ich bin auch nicht zu weit vom Podium weg, nur der Sieg vom Bruni war eine ziemliche Nummer. Der ist meiner Meinung nach in Sachen Bike-Setup schon wieder einen Sprung voraus. Da müssen wir nachziehen und ich werde in den nächsten Wochen viel Zeit damit verbringen und versuchen, da Verbesserungen zu erreichen.
Ich freue mich jetzt extrem auf das zweite Rennen der Saison in Polen. Endlich eine neue Strecke für alle! Ich hoffe, es ist dort steiler als Fort William, damit es etwas mehr Technik braucht und man mehr auf der Bremse steht. Da fühle ich mich aktuell einfach stärker. Ich kann es kaum erwarten, weiterzuarbeiten, besser zu werden und wieder siegfähig zu sein!
Es freut mich, hier wieder den Blog schreiben zu dürfen und danke für alle Nachrichten, die mich erreichen. Ich versuche, das alles zu beantworten, es ist allerdings manchmal einfach zu viel und schwierig für mich, alles zu schaffen. An dieser Stelle allerdings noch mal danke dafür!
Was würdest du Andi Kolb gerne mal fragen?
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