Gehrig-Twins-Blog – EWS-Berichte aus Crans Montana & Finale: Ab ins Comeback-Rennen!
Anita und Caro Gehrig waren nicht untätig und standen bei den beiden EWS-Stopps in Crans Montana und Finale Ligure wieder am Start. Hier ist ihr Doppel-Bericht der letzten beiden EWS-Rennen!
EWS Crans Montana – Rennbericht von Anita
Es ist Woche 8 nach meiner Verletzung – einem ausgerenkten Ellbogen, den ich mir bei der Enduro World Series in Canazei zugezogen habe, und ich befinde mich emotional am absoluten Tiefpunkt. Nach anfangs fast täglichen kleinen Fortschritten geht es nicht mehr im gleichen Tempo voraus, nein, gefühlt vergeht die Zeit bis zu meinem erhofften Comeback im Flug und ich komme nicht vom Fleck! Ich bin zwar schon wieder auf dem Bike unterwegs, doch das mehr schlecht als recht. Die Schulter- und Armmuskulatur hat sich trotz viel Erhaltungstraining und Reha verabschiedet. Geradeaus fahren geht, doch mit Schlägen, Stufen, Steilpassagen und engen Kehren komme ich physisch nicht klar, der Arm klappt weg.
Dass ich Caro dann noch bei einem heftigen Sturz im Bikepark zuschauen darf, hilft mir psychisch auch nicht … kurzfristig arrangiert mein Freund ein verlängertes Trail-Wochenende im Münstertal, die Trails da sind flowig und die Aussichten spektakulär. „Genau das, was du jetzt brauchst!“, meint Balz. Tatsächlich komme ich von dem Wochenende mit gestärktem Selbstbewusstsein nach Hause, Back to basic hat mir gutgetan und mir einen Motivationsschub verpasst!
Woche 10
Eigentlich wären wir diese Woche nach Loudenvielle an die EWS gereist, ich mit dem Vorhaben, das Training mitzufahren und Caro, um das Rennen zu fahren. Doch ihr Sturz hatte fatale Folgen – ein daraus resultierender Bandscheiben-Vorfall verunmöglicht ihr den Start. Die Schmerzen sind viel zu groß, um ans Biken zu denken, geschweige denn 12 Stunden mit dem Auto dahin zu reisen. Bei jedem EWS-Rennen stand zumindest eine von uns bislang am Start (das sind 54 EWS-Rennen seit 2013!), doch nun ergibt es wirklich keinen Sinn.
Ich fahre deshalb kurzfristig beim Enduro Team in Davos mit. Ohne Druck und Erwartungen, sondern einfach nur, um eine gute Zeit mit Freunden zu haben, dabei wieder etwas Rennluft zu schnuppern und zum ersten Mal eine längere Abfahrt ohne anzuhalten durchzufahren. Der Test geht gut und mittlerweile kann ich mich auf die Heim-EWS im schweizerischen Crans Montana richtig freuen.
Comeback-Woche
Caro geht es mit ihrem Rücken noch immer nicht viel besser und sitzen ist für sie das allerschlimmste. Kurzerhand schlage ich vor, dass sie mit dem Zug nach Crans Montana reist, so hat sie wenigstens etwas mehr Platz und Komfort. Diese Woche haben wir unsere besten Freunde als Support-Crew mit dabei, darunter sogar eine Physio, was sich bei uns zwei Krücken mehr als hilfreich erweist!
Am Freitag startet das Training, welches mit vielen Sprüngen und technischen Passagen recht herausfordernd ist. Es gilt, immer wieder hochzuschieben und ein Feature nach dem anderen abzuhaken. Zum Glück lasse ich mich nicht so schnell aus der Ruhe bringen und traue mir trotz meiner körperlichen Einschränkung gute Linien und größere Sprünge zu. Die fetten Drops lasse ich aus, dazu habe ich im Moment weder die Kraft noch die mentale Energie. Die Tracks sind allesamt schnell und mit vielen Kurven und Bikepark-Sektionen gespickt, einige Channels im Wald sind schwierig und sorgen schon im Training für Spektakel. Ich bin zufrieden mit dem Trainingstag – ich kann besser fahren, als ich mir im Vorfeld zugetraut hätte.
Am Samstag geht es mit dem Training der Pro Stage los. Diese ist oben bikeparkig und unten im Wald gespickt mit rutschigen Wurzeln und Steinpassagen. Schon zwei Stunden später geht das Rennen los, ich muss mich zusammenreißen, dass ich nicht nervös werde. Die Mädels am Start wissen, wie es um mich steht und nach etwas Rumgeblödel ist mein Countdown durch – ab ins Comeback-Rennen!
Die Abfahrt ist im unteren Teil gesäumt mit Zuschauern und macht höllisch Spaß, auch wenn ich verhalten unterwegs bin, das Gefühl habe ich so vermisst. Ich bin wahnsinnig erleichtert, die Ziellinie zu überqueren – für mich ein erster Meilenstein nach meiner Verletzung.
Am Sonntag geht es mit den vier weiteren Abfahrten weiter, die Stage 1 hat den passenden Namen „Kaltstart“ – mit dem Lift geht es zum Start und es geht gleich rasant los. Die Stimmung am Streckenrand ist schon jetzt mega.
Der Transfer zur zweiten Abfahrt führt steil an einem Skihang hoch, doch die Schinderei ist für die Strecke lohnenswert. Der Anfang führt über die alte Downhill-Piste, steinig und schnell und mit viel Spaßfaktor. Die zweitletzte Stage heißt „Builders Secret“, sie führt uns weg vom Bikepark und tiefer ins Tal – ein absoluter Traum-Trail, der sich steil durch den Wald zieht. Der Trail macht mir zwar Spaß, doch mit den vielen Schlägen und Richtungswechsel bin ich körperlich am Limit.
Immerhin: Mit dem 700 hm zurück nach Crans Montana habe ich keine Mühe. Noch eine Stage zu bewältigen. Diese ist eine verlängerte Version der Pro Stage – die Stimmung am Streckenrand erreicht ihren Höhepunkt, die Unterstützung der Schweizer ist gigantisch. Mit einem fetten Grinsen fahre ich durchs Ziel, ich bin zurück und es ist einfach nur geil, wieder dabei zu sein.
Auf der Endabrechnung liege ich auf Platz 16. Die Zahl ist nicht eindrücklich, aber der Weg dahin war hart.
Anita
Video: EWS Crans Montana
EWS Finale Ligure – zurück zum Old School Enduro! Rennbericht von Caro Gehrig
Nach meiner Diagnose eines Bandscheibenvorfalls Mitte August bin ich mir absolut nicht sicher, ob ich dieses Jahr nochmals an den Start eines Rennes gehen kann. Doch in Crans Montana verspüre ich überraschend eine starke Verbesserung meiner Beschwerden. Dass ich sogar mit Anita das Training mitfahren kann, stimmt mich positiv für einen Start in Finale Ligure. Doch der angekündigte Rennkurs mit 2.200 hm, 53 km und einigen absoluten Finale-Klassikern als Rennstrecken hat es in sich und ich weiß nicht, wie ich damit klarkommen werde.
Mein Training der letzten paar Wochen hat sich auf Spaziergänge, E-Bike-Ausfahrten von bis zu einer Stunde, Yoga und ein wenig Oberkörperkrafttraining beschränkt. Mir bleibt mir nichts anderes übrig, als mich auf das Erinnerungsvermögen meines Körpers zu berufen.
Um in den Finale-Groove zu kommen, buchen wir zusammen mit unseren Race-Kolleginnen Noga Korem und dem Commencal-Team um Cécile Ravanel einen Shuttle-Tag. Einen Tag Trails fahren, Spaß haben, ein paar Set-up-Anpassungen und schnell merke ich, dass ich immer noch auf Speed bin und diesen Super-Shreddern immer noch am Hinterrad hängen kann. Eine große Motivation, die mich positiv auf das anstehende Rennen stimmt.
Der Trainingstag vom Freitag ist kurz und danke Shuttle zu den Stagestarts sehr effizient. Jeder kennt die Trail Klassiker „Ingeniere“, „Base Nato“ und „Little Champery“ und daher können wir im Training mehrheitlich durchballern. Nur an wenigen Stellen bilden sich neue Linien, die man auf keinen Fall verpassen darf. Wir kenne zwar die Strecken schon sehr gut von unseren winterlichen Besuchen in Ligurien, die Bedingungen, in denen wir die Trails vorfinden, sind aber grundverschieden. Staubtrocken und mit vielen zerfallenden Kurven, bei denen man aufpassen muss, nicht vom Trail abzukommen.
Am Samstag trainieren wir die einzige uns unbekannte Abfahrt, eine neue gebaute Strecke direkt hinter der Altstadt von Finalborgo. Diese ist zwar mit rund 800 m sehr kurz, dafür umso komplizierter zu fahren und somit trotzdem eine sehr rennentscheidende Prüfung. Diverse enge und steile Kurven, die direkt in Aufwärtspassagen führen, verlangen präzises Fahren und eine gute Dosierung der Geschwindigkeit. Es erstaunt daher nicht, dass viele Fahrer beim anschließenden Pro Stage-Rennen mit Stürzen schon viel Zeit kassieren und mit einem Handicap ins Rennen vom nächsten Tag starten. Für Anita und mich läuft die Pro Stage ganz ok, wir haben beide einige Hacker. Das Ziel, ohne Sturz und so rund wie möglich zu fahren, schaffen wir. Rang 13 für Anita und ich direkt dahinter mit weniger als einer Sekunde Rückstand.
Am Sonntag geht es mit der langen Anfahrt hoch zur Nato Base los. Die uns gegönnten 2:15 h sollten locker reichen, denke ich mir. Doch im letzten Abschnitt, der uns quer durch den Wald zur Stage führt, kommt bei mir plötzlich Stress auf – es sind nur noch 15 min bis zu meiner Startzeit und ich fühle mich echt am Limit. Oben angekommen sind es noch 4 min bis zum Start. Schnell ein Gel reinwürgen, Helmpolster rein und auf gehts! Anitas Worte „Hey das ist doch gut für dich, wenn die Zeit knapp ist und alle schon am Limit laufen“ geben mir Zuversicht und ich starte mit einem guten Gefühl in die Stage.
Kurz nach dem Ziel der ersten Abfahrt kommen die ersten Blitze in meine Beine gedonnert. „Auuuaaaaa Krampf!“ Ich versuche, weiter zu pedalieren und die Krämpfe wegzuatmen. Zum Glück gelingt das relativ gut und die Notfall-Dosis aus saurem Shot und Salzpillen scheinen schnell zu helfen. Zeit, meinen Krämpfen nachzugeben und zu stoppen, bleibt mir ohnehin keine, denn auch der Transfer zur nächsten Etappe ist kurz bemessen. Wir Mädels leiden alle zusammen auf den Transfers und zelebrieren es umso mehr, wenn wir alle zur passenden Zeit oben angekommen sind.
Mit „Ingeniere“, der zweiten Stage des Tages, steht die physischste und längste Abfahrt des Tages an. Normalerweise meine Stärke, aber mit dem sehr limitierten Training der letzten Wochen bin ich mir nicht sicher, wie ich dort abschneiden würde. Mein Ziel ist es, smooth zu fahren und so wenig wie möglich in den Kurven bremsen, damit ich nicht aus den Kurven raussprinten muss. Stehend sprinten ist mit meinem Leiden der Endgegner.
Als ich Papa auf dem Transfer zur nächsten Etappe sehe, ist er sichtlich stolz auf mich, Top 10 ist auf Kurs. Zur Auffahrt zur zweitletzten Stage „Little Champery“ bin ich schon recht im Eimer, das mangelnde Training macht sich bemerkbar. Die Abfahrt ist einer meiner Lieblingstrails in Finale und auf dieser Stage geht es einfach nur rasant runter. Einmal tief durchatmen, Kräfte sammeln und loooos! Einfach geil, diese Abfahrt mal im Renntempo runterballern zu können, die vielen frenetischen Zuschauer versüßen das Spektakel umso mehr.
Ich bin froh, dass wir auf dem Weg zur letzten Stage etwas mehr Zeit haben. Eine Cola zur Stärkung und auf geht’s zur letzten Abfahrt. Mit den Top 10 als Motivation starte ich in die kurze letzte Stage. In einer der losen, tiefen Kurven verhasple ich mich jedoch und stürze. Dass es danach gerade hochgeht, hilft mir nicht, um schnell wieder in Fahrt zu kommen. In der technischen vorletzten Kurve verbuche ich nochmals einen groben Schnitzer. Im Ziel bin ich enttäuscht, jetzt habe ich es doch echt auf der letzten Abfahrt vermasselt!
Als ich meinen Timing Chip im Ziel abgebe, bin ich aber doch etwas überrascht – ich rutsche ganze 5 Plätze nach hinten, Platz 15 in der Endabrechnung. Auch Anita überholt mich auf dem Ranking, denn ihr gelingt im Gegensatz zu mir eine super Fahrt, sie nimmt mir ganze 20 Sekunden auf der etwas über 3 Minuten langen Stage ab.
Dennoch bin ich erleichtert, dass ich das Monster-Rennen geschafft habe und einen soliden Speed gefahren bin, zumindest auf der Mehrheit der Etappen. Anita und ich sind uns einig – endlich mal wieder ein richtiges Endurorennen, bei dem auch Fitness eine große Rolle spielt, nicht nur auf den Stages, sondern auch, um dahin zu kommen! „Type 2 Fun“ beschert eine speziellere Atmosphäre unter den Fahrern – man pusht und unterstützt sich gegenseitig viel mehr. Das Gefühl, etwas richtig Hartes geschafft zu haben, ist eben einfach unvergleichlich.
Nun haben wir uns eine Woche zu Hause verdient, bevor es auf nach Schottland zur finalen EWS des Jahres geht.
Caro
Video: EWS Finale Ligure
Welches ist deine Lieblings-Abfahrt in Finale Ligure?
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