Neues Canyon Spectral 29 im erstes Test: Trail-Spielzeug mit großen Laufrädern
Neues Canyon Spectral 29 im ersten Test: Dass sich Canyon nicht sofort auf die neuesten Trends stürzt, ist inzwischen vermutlich jedem klar geworden. Während so mancher Hersteller wenig bis nichts mit 27,5″-Laufrädern im Trailbike-Segment im Angebot hatte, gab es bei Canyon eine Lücke im 29er-Segment. Das Bindeglied Spectral, das zwischen dem Enduro-Bike Strive und dem Touren-Allrounder Neuron angesiedelt ist, wird jetzt endlich um eine 29″-Version ergänzt. Ergänzt? Richtig gelesen! Das beliebte Spectral 27,5″ bleibt im Portfolio, ihm wird der vollkommen neu entwickelte Bruder mit 29″-Rädern an die Seite gestellt. Wir konnten das neue Bike bereits ausprobieren.
Steckbrief: Canyon Spectral 29
Einsatzbereich | Trail, All-Mountain, Enduro |
---|---|
Federweg | 150-160 mm/150 mm |
Laufradgröße | 29ʺ |
Rahmenmaterial | Carbon |
Gewicht (o. Pedale) | 14,6 kg |
Rahmengrößen | S, M, L ,XL (im Test: XL) |
Website | www.canyon.com |
Mit 160 mm Federweg an der Front und 150 mm am Heck, war das bisherige Spectral bereits Bindeglied zwischen der aufstrebenden Trail- und der inzwischen weitestgehend gefestigten Enduro-Kategorie. Canyon sieht das Bike trotz der Enduro-ähnlichen Eckdaten aber als den größeren Allrounder, das verspielte Rad für jedermann. Und daran soll sich genau gar nichts geändert haben. Obwohl sich das neu entwickelte Canyon Spectral 29 auf dem Papier deutlich vom bisherigen und unveränderten Modell unterscheidet und dafür dem Strive gefährlich nahe kommt, soll es also weniger den ambitionierten Racer ansprechen und auch nicht in der EWS zum Einsatz kommen.
Der Name sagt es bereits – dafür steht das Spectral 29 auf 29″-Rädern. In zwei Versionen wird es angeboten: Entweder mit 150 mm oder 160 mm-Federgabel, dazu gibt es 150 mm am Heck. In vier Rahmengrößen verfügbar ist das Rad um einiges gewachsen und überschreitet die 500 mm Reach-Marke am XL nun deutlich. Dazu gibt es flache Lenkwinkel und das vom Strive bekannte, tiefe Tretlager. Ob das Bike jetzt wie von Canyon beschrieben ein großes Spielzeug ist, oder ob da noch deutlich mehr Potential dahinter steckt? Wir wollen es herausfinden.
Video: Canyon Spectral 29 – Neuvorstellung & erster Test
Im Detail
Wer über die Aussage gestolpert ist, dass sich das Canyon Spectral 29 deutlich vom bisherigen Modell unterscheidet und schon versucht ist, direkt in die Kommentare zu springen, der halte bitte noch einen Moment ein. Ja, rein optisch sind die Räder sich durchaus ähnlich. Doch der Blick ins Detail verrät, dass sich hier einiges geändert hat. Canyon geht weg vom Kabelkanal, dem Steuersatz mit Lenkanschlags-Begrenzer, der integrierten Sattelklemme und rüstet den neuen Rahmen dafür mit austauschbaren Gewinde-Einsätzen und Flip Chip aus.
Dass hier nicht nur ein bestehendes Rad auf die größeren Räder adaptiert wurde, sollte damit jedem klar sein. Vielmehr hat Canyon die Erfahrungen der vergangenen Jahre und zwischenzeitlich veröffentlichten Produkte in die Entwicklung des neuen Spectral einfließen lassen. Bereits seit dem Neuron CF wurde der Kabelkanal am Unterrohr ad acta gelegt und durch eine interne Zugführung an den folgenden Neuentwicklungen ersetzt. Damit sind die Leitungen nicht unter dem tiefen Tretlager geführt, sondern in Linern im Rahmen-Inneren. Verknüpft wird das mit einem neuen Leitungseingang am Steuerrohr, an dem sich die Züge klemmen lassen. Das verspricht einfache Wartung und geringe Geräuschentwicklung. Den Leitungsübergang zwischen Hauptrahmen und Hinterbau findet man erst beim genauen Blick: Nahe dem Drehpunkt, wo die Kettenstreben miteinander verbunden sind, gehen die Züge vom Hauptrahmen – weiterhin innen geführt – in die sehr voluminöse Kettenstrebe über.
Bleiben wir gleich beim Hinterbau: Am 27,5″-Bike war der Horstlink-Drehpunkt halb in die Sitzstrebe integriert – auch davon weicht Canyon wieder ab. Wieder etwas nach unten ist der Drehpunkt gewandert und wartet mit der nächsten Besonderheit auf, die auch am restlichen Rahmen eingesetzt wird: Anstatt die Gewindeeinsätze für die Drehpunkt-Bolzen ins Carbon einzulaminieren, sind diese aufgesetzt. Anstatt der Integration ist die Mutter also austauschbar, wenn man die kleine Schraube neben dem Drehpunkt-Bolzen löst. Diese Lösung soll verhindern, dass beim Schrauben etwas verloren geht und im Falle eines Defekts ist nicht gleich der ganze Rahmen kaputt. Anregung für diese Änderung haben die Race-Mechaniker von Troy Brosnan und Co. gegeben.
Von den Mechanikern kam noch ein zweiter Vorschlag, den wir immer öfter sehen: Fast alle Schrauben sind von einer Seite zugänglich. Auch das soll die Wartung vereinfachen – diesen Fokus haben wir aber bisher vor allem an Race-Bikes gesehen. Wird das Spectral 29 also doch in der EWS zu sehen sein?
Mit der Verschiebung des Drehpunkts gehen natürlich auch Anpassungen in der Kinematik einher. Canyon priorisierte im Entwicklungsprozess die Balance aus gutem Anti-Squat und geringem Pedal-Rückschlag, will dem Spectral 29 mehr Endprogression spendiert haben und dabei dem bewährten Triple-Phase-Suspension-Prinzip treu geblieben sein. Die in Konkurrenz stehenden Ziele des Anti-Squats und des Pedalrückschlags wurden wiederum in den Zonen, in denen sie jeweils den größten Einfluss haben, optimiert. Sprich: Anti-Squat soll im Sag-Bereich perfekt sein, Pedalrückschlag dagegen tiefer im Federweg.
Auch in Sachen Rahmen-Gewicht wurde optimiert. Wie am Strive setzt Canyon jetzt auch am Spectral 29 auf eine Carbon-Kettenstrebe. Bereits beim Strive wurde die Carbon-Kettenstrebe im Forum scharf kritisiert, Berichte über Defekte häufen sich entgegen der Erwartungen vieler nicht. Ein Grund dafür könnte sein, dass die Carbon-Kettenstrebe schwerer ausfällt als die Alu-Variante am 27,5″-Modell. Trotzdem konnte insgesamt das Gewicht gesenkt werden – und das, obwohl das Bike deutlich gewachsen ist. Und obwohl der Rahmen nicht mit den extraleichten Carbon-Fasern gebaut wird, die in den CFR-Modellen eingesetzt werden.
Im Vergleich zum 27,5″ Rahmen mit Alu-Hinterbau hat Canyon 222 g eingespart. In Relation zum CFR-Modell mit Carbon-Hinterbau und besagtem leichterem Material, sind es respektable 62 g. Wo Gewicht gespart wurde und mehr Material zum Einsatz kommt? Deutlich reduziert wurde am Carbon-Hauptrahmen und den Sitzstreben. Etwas schwerer fallen Hardware und wie beschrieben die Kettenstreben aus – das sollte der Haltbarkeit zugutekommen. Damit bringt es der Rahmen auf knappe 2,6 kg ohne Dämpfer.
Geometrie
Mit das größte Wow und die meisten Fragezeichen gab es bei der neuen Geometrie – in Form von: untypisch für Canyon, nah dran am Strive und wenig konservativ präsentiert sich das neue Trailbike. Allem voran fällt der flache Lenkwinkel auf, den wir von den Koblenzern im Enduro- oder Trail-Sektor noch nie so gesehen haben. Ganze 2° flacher als am Strive rückt das Canyon Spectral 29 damit sogar näher ans Downhill-Rad Sender heran als an die Enduro-Bikes Strive und Torque. Dabei muss man aber sagen: die flachen 64° gibt es nur mit Flip Chip in flacher Einstellung und in Kombination mit 160 mm-Federgabel. In dieser Konfiguration schleift das Tretlager mit 36 mm Absenkung schon fast am Boden. Spannend: Die Absenkung ist gleich wie am Strive, das für den Uphill aber noch den Shapeshifter hat.
Da das tiefe Tretlager aber zu begeistern wusste, wollte Canyon daran festhalten – für diejenigen, denen das zu tief ist, gibt es den hohen Modus, der ebenso sehr sinnvoll nutzbar aussieht. Dabei wird das Tretlager um 8 mm angehoben. Lenk- und Sitzwinkel werden jeweils ein halbes Grad steiler. Mit der kürzeren 150 mm-Federgabel werden die Winkel für beide Settings jeweils ein halbes Grad steiler als mit der längeren Gabel. In flacher Einstellung gibt es damit sogar mit 150 mm Federgabel flache 64,5° Lenkwinkel. Gepaart wird mit Sitzwinkeln im Bereich von 76° bis 77° – gemessen wird dieser auf durchschnittlicher Sitzhöhe.
Im Vergleich zur 27,5″-Version sind die Rahmengrößen außerdem ein gutes Stück gewachsen: 21 mm mehr Reach am S, 33 mm mehr am XL. Für Canyon-Verhältnisse fallen die Stack-Werte dafür tiefer aus: zwischen 16 mm und 21 mm weniger. Laut Canyon will man damit mehr Spielraum bieten – für verschiedene Fahrertypen, aber auch bei der Größenwahl. Bedingt unterstrichen wird das durch die Sitzrohr-Länge. Etwas kürzer als gewohnt, aber bei weitem kein so großer Schritt wie beim Lenkwinkel wird hier gemacht.
Rahmengröße |
S
|
M
|
L
|
XL
|
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Laufradgröße | 29″ | 29″ | 29″ | 29″ |
Federweg (hinten) | 150 mm | 150 mm | 150 mm | 150 mm |
Federweg (vorn) | 160 mm | 160 mm | 160 mm | 160 mm |
Sitzrohr | 395 mm | 430 mm | 460 mm | 490 mm |
Radstand | 1.195 mm | 1.224 mm | 1.253 mm | 1.283 mm |
Lenkwinkel | 64,5°64° | 64,5°64° | 64,5°64° | 64,5°64° |
Tretlagerabsenkung | 28 mm36 mm | 28 mm36 mm | 28 mm36 mm | 28 mm36 mm |
Sitzwinkel, effektiv | 76,5°76° | 76,5°76° | 76,5°76° | 76,5°76° |
Steuerrohr | 95 mm | 105 mm | 115 mm | 125 mm |
Einbauhöhe Gabel | 571 mm | 571 mm | 571 mm | 571 mm |
Gabel-Offset | 44 mm | 44 mm | 44 mm | 44 mm |
Kettenstreben | 437 mm | 437 mm | 437 mm | 437 mm |
Oberrohr | 582 mm | 609 mm | 636 mm | 663 mm |
Reach | 435 mm | 460 mm | 485 mm | 510 mm |
Stack | 610 mm | 619 mm | 628 mm | 637 mm |
STR | 1,40 | 1,35 | 1,29 | 1,25 |
Rahmengröße |
S
|
M
|
L
|
XL
|
---|---|---|---|---|
Laufradgröße | 29″ | 29″ | 29″ | 29″ |
Federweg (hinten) | 150 mm | 150 mm | 150 mm | 150 mm |
Federweg (vorn) | 150 mm | 150 mm | 150 mm | 150 mm |
Sitzrohr | 395 mm | 430 mm | 460 mm | 490 mm |
Radstand | 1.195 mm | 1.224 mm | 1.253 mm | 1.283 mm |
Lenkwinkel | 65°64,5° | 65°64,5° | 65°64,5° | 65°64,5° |
Tretlagerabsenkung | 28 mm36 mm | 28 mm36 mm | 28 mm36 mm | 28 mm36 mm |
Sitzwinkel, effektiv | 77°76,5° | 77°76,5° | 77°76,5° | 77°76,5° |
Steuerrohr | 95 mm | 105 mm | 115 mm | 125 mm |
Einbauhöhe Gabel | 561 mm | 561 mm | 561 mm | 561 mm |
Gabel-Offset | 44 mm | 44 mm | 44 mm | 44 mm |
Kettenstreben | 437 mm | 437 mm | 437 mm | 437 mm |
Oberrohr | 582 mm | 609 mm | 636 mm | 663 mm |
Reach | 435 mm | 460 mm | 485 mm | 510 mm |
Stack | 610 mm | 619 mm | 628 mm | 637 mm |
STR | 1,40 | 1,35 | 1,29 | 1,25 |
Ausstattung
Bei den Ausstattungsvarianten hält sich Canyon ein bisschen zurück – vier Stück gibt es, jeweils zwei davon mit 150 und zwei mit 160 mm-Federgabel. Diese unterscheiden sich auch in der Ausstattung maßgeblich. Die 160 mm-Option gibt es nur mit Fox-Fahrwerk und Shimano-Antrieb, die 150 mm-Version kommt mit SRAM-lastigen Ausstattungen. Die beiden günstigeren Modelle CF 7.0 und das getestete CF 8.0 sind mit Alu-Laufrädern ausgerüstet, während das CF 9.0 und das CF LTD jeweils Carbon-Laufräder mitbringen.
Auf der Waage macht sich der etwas Abfahrts-orientiertere Fokus von CF 8.0 und CF LTD nur geringfügig bemerkbar. Auf dem Trail soll das durch den griffigeren Hinterreifen deutlicher werden. Insgesamt ist die Ausstattung dem Einsatzbereich entsprechend gewählt. Alle Bikes sind mit Vierkolben-Bremsen ausgerüstet, standesgemäß wird ein 12 fach-Antrieb eingesetzt und eine Dropperpost gibt es in allen Produktvarianten. Mit den G5-Komponenten führt Canyon seit einiger Zeit außerdem Lenker, Vorbauten und Griffe im Programm. Jetzt wird auch durch eine Hauseigene Sattelstütze ergänzt.
- Federgabel Fox 36 Performance Elite Grip2 (160 mm)
- Dämpfer Fox Float DPX2 Performance Elite (150 mm)
- Antrieb Shimano XT 12-fach
- Bremsen Shimano XT Vierkolben
- Laufräder DT Swiss M1700
- Reifen Maxxis Minion DHF / DHR II
- Cockpit Canyon G5 (780 mm) /