10 Fragen an Jannik Kiesel
Jannik Kiesel mit den weißen Steinen am Schachbrett. Bildquelle: Jannik Kiesel
Ein Unterfranke in Berlin – es wäre sicher interessant und hörenswert, was ein talentierter Komponist im Stile eines George Gershwin daraus klangmalerisch zaubern würde. Nachdem Jannik schon einige Jahre für die Deutsche Schachjugend (DSJ) ehrenamtlich aktiv war kandidierte er im Frühjahr 2025 für das Präsidium des Deutschen Schachbunds (DSB), genauer gesagt für das Amt des Vizepräsidenten Verbandsentwickung. Ein sehr informatives Video zu seinen Aufgaben und Visionen kann auf der Seite des DSB angesehen werden.
Jannik ist 24 Jahre jung und studiert Wirtschaftsinformatik in Bamberg. Im Moment schreibt er an seiner Masterarbeit zum Thema „Digitalisierung in Sportvereinen und dessen Auswirkung auf Ehrenamtliche“. Als begeisterter Schachspieler findet man ihn nicht nur am Brett, sondern Jannik bringt sich mit ich viel Zeit und ehrenamtlichen Tätigkeiten bei der Deutschen Schachjugend und dem Deutschen Schachbund ein. Seine Haupttätigkeit ist im Präsidium als Vizepräsident Verbandsentwicklung des DSB, er leitet Schach-Ferienfreizeiten, organisiert Weiterbildungsveranstaltungen und entwickelt neue Konzepte im Breitenschach-Bereich. Als Ausgleich pflegt Jannik in seiner Freizeit (neben Schach) die Hobbies Wandern, Fahrradtouren und ist oft auf Reisen unterwegs.
Natürlich waren wir neugierig auf Jannik und seinen Blick auf die Schachwelt. Trotz seines vollen Terminkalenders stand er sofort für die Beantwortung der 10 Fragen bereit, dafür sagen wir ein herzliches Dankeschön aus Unterfranken !
Frage 1: Wie bist Du zum Schach gekommen und was hat Dich dort gehalten?
Ich bin seit meinem fünften Lebensjahr Mitglied im Schachclub Dicker Turm Münnerstadt, nachdem ich durch ein Ferienprogramm auf den Verein aufmerksam geworden bin. Gehalten haben mich vor allem die freundliche Art meiner Trainerin Barbara und meines Trainers Jürgen sowie der Spaß, gemeinsam mit anderen Kindern Schach zu lernen. Später hat es mich motiviert, selbst als Trainer Kinder und Jugendliche zu betreuen und so etwas zurückzugeben. Dieses Engagement hat sich dann ausgeweitet, erst als Vorstandsamt in der DSJ und nun als Vizepräsident im DSB.
Frage 2: Was war Dein größter sportlicher Erfolg im Schach und außerhalb des Schachs?
Auch wenn einige denke, dass ich ein herausragender Schachspieler bin, weil ich im Präsidium des Deutschen Schachbundes sitze – das stimmt so leider nicht. Ich spiele Schach vor allem aus Freude am Spiel und weniger leistungsorientiert, große sportliche Erfolge kann ich daher nicht vorweisen. Besonders stolz bin ich jedoch auf die Entwicklung in unserem Verein: Durch gute Öffentlichkeitsarbeit konnten wir in den letzten Jahren einige neue Mitglieder Jahren gewinnen. Dieser Zuwachs hat das Gemeinschaftsgefühl, die Motivation und auch die Spielstärke deutlich gesteigert. Gemeinsam konnten wir uns im vergangenen Jahr mit dem Aufstieg in die Bezirksliga Ost belohnen. Als Einzelerfolge bleiben mir ein Remis gegen IM Georgios Souleidis (The Big Greek) bei einem Turniersimultan sowie ein Sieg gegen den ehemaligen Fußballnationalspieler Marco Bode in einer Blitzpartie besonders in Erinnerung. Außerhalb des Schachs war mein größter sportlicher Erfolg das Absolvieren eines Halbmarathons, auf den ich mehrere Monate lang hingearbeitet habe.
Frage 3: Als Präsidiumsmitglied des Deutschen Schachbunds: was sind Deine Empfehlungen, um das Schach in den Bezirken besser zu fördern und mehr Mitglieder für Vereine zu gewinnen?
Öffentlichkeitsarbeit ist das A und O. In Kürze halte ich dazu einen Online-Vortrag mit dem Titel „Wie kennt mich die Stadt?“. In den Köpfen vieler Nicht-Schachspielenden gilt Schach noch immer als Spiel, nicht als Sportart. Wir müssen daher raus aus unseren Vereinsheimen – auf den Marktplatz, zu Stadtfesten oder als Teil größerer Veranstaltungen – und uns dort zeigen. Es gibt viele Menschen, die Schach spielen können, aber keinen Zugang zu Vereinen haben oder gar nicht wissen, dass es Schachvereine in ihrer Nähe gibt.
In den Vereinen selbst spielt die Kinder- und Jugendarbeit für mich eine zentrale Rolle. Wir müssen unseren Mitgliedern etwas bieten und zeigen, dass Schach weit mehr ist als nur das Spiel am Brett. Ein Schachverein bedeutet Gemeinschaft – und die entsteht durch gemeinsame Erlebnisse: etwa Sommerfeste mit den Familien, Weihnachtsblitzturniere oder Ferienfreizeiten.
Frage 4: Wie viel Zeit bleibt Dir noch für das aktive Schachspielen am Brett?
Ehrlich gesagt: ziemlich wenig. Ab und zu versuche ich, im Ligabetrieb mitzuspielen, aber für Turniere fehlt mir derzeit die Zeit. Mein Schachspiel hat sich daher eher in den Online-Bereich verlagert – dort kann ich flexibel zwischendurch eine Partie spielen. Das ist für mich völlig in Ordnung, denn im Moment liegt mein Fokus auf meiner Funitonärstätigkeit. Ich habe gemerkt, wie viel Freude es mir bereitet, Kindern und Jugendlichen den Zugang zum Schach zu ermöglichen und sie dabei zu unterstützen.
Frage 5: Welchen Menschen würdest Du gerne mal treffen und was wäre Deine wichtigste Frage?
Im vergangenen Jahr hatte ich die besondere Gelegenheit, Dirk Nowitzki zu treffen. Er verkörpert nicht nur sportlichen Erfolg auf Weltniveau, sondern vor allem Bodenständigkeit, Fairness und Teamgeist. Ebenfalls gerne treffen würde ich Roger Federer. Seine Gelassenheit, Bescheidenheit und Ausstrahlung machen ihn für mich zu einem der faszinierendsten Athleten unserer Zeit. Besonders bewundere ich, wie Dirk Nowitzki und Roger Federer trotz ihrer vielen Erfolge stets Freude, Respekt und Menschlichkeit bewahrt haben. Diese Werte sind für mich auch im Ehrenamt und im Schachsport zentral und zeigen, dass Größe im Sport weit über Titel und Medaillen hinausgeht. Für mich sind beide Sportler Vorbilder, nicht nur im Sport, sondern auch im Leben.
Frage 6: Du gewinnst eine Reise ins All als Weltraumtourist. Bist Du dabei? Und warum?
Einerseits reise ich sehr gerne und finde das Weltall unglaublich faszinierend. Andererseits lehne ich Weltraumtourismus aus Gründen der Nachhaltigkeit ab. Ich könnte mir vorstellen, ins All zu reisen, wenn ich dort einen sinnvollen Auftrag erfüllen könnte, zum Beispiel als Wissenschaftler, um Forschung voranzutreiben und einen echten Mehrwert zu schaffen.
Frage 7: Dein Geheimnis für körperliche und geistige Fitness?
Schach spielen Im Ernst, Schach hält auch im Alter geistig fit. Körperlich versuche ich, möglichst aktiv zu bleiben und mich gesund zu ernähren. Da ich viel unterwegs bin, ist das manchmal eine Herausforderung, aber ich nutze die Möglichkeiten, die sich bieten, und probiere verschiedene Sportarten aus. In fast jeder Stadt kann man Bouldern, ins Fitnessstudio oder Joggen gehen, und so bleibt es abwechslungsreich und motivierend.
Frage 8: Welches Buch, welche CD und welcher Film müssen mit auf die einsame Insel?
Ich glaube ich würde ein leeres Buch mitnehmen, in dem ich meine eigene Geschichte schreiben kann. Auf einer einsamen Insel hätte ich endlich die Zeit und Ruhe, Gedanken, Erlebnisse und Fantasien festzuhalten – alles, was mir im Alltag oft zu kurz kommt.
Frage 9: Welchen Schachspieler bewunderst Du am meisten?
Da gibt es viele. Unter den Top-Spielern bewundere ich Matthias Blübaum, der sich neben seiner Schachkarriere auch noch als Aktivensprecher im Deutschen Schachbund engagiert. Im Bereich der Schachfunktionäre beeindruckt mich Jörg Schulz: Sein Lebenswerk ist es, den Schachsport im Kinder- und Jugendbereich nachhaltig voranzubringen. Meiner Meinung nach ist ihm dies in den letzten Jahrzehnten hervorragend gelungen.
Frage 10: Dein wichtigstes Ziel für die Zukunft?
In meinem Amt als Vizepräsident des Deutschen Schachbundes habe ich noch viele Ziele. Ich möchte Schach stärker in der Öffentlichkeit verankern, sodass es als ernstzunehmende Sportart wahrgenommen wird. Außerdem will ich mehr Mitglieder gewinnen und die Marke von 100.000 Vereinsmitgliedern erreichen. Da Schach nach wie vor männlich dominiert ist, setze ich mich besonders dafür ein, Mädchen und Frauen gezielt zu fördern. Auf Spitzensportebene arbeite ich darauf hin, Schach als Disziplin bei den World Games 2029 in Karlsruhe zu etablieren.
Vielen Dank Jannik für den Einblick in Deine Gedanken und das Amt im Präsidium. Wir wünschen Dir für die kommenden Jahre ein glückliches Händchen und immer die richtigen Pläne für die Entwicklung des Schachsports in Deutschland.
(MVE)

