10 Fragen an IM Fabian Englert
Fabian Englert und das königliche Spiel
(Bildquelle: Fabian Englert)
Bereits seit 1998 ist Fabian im Unterfränkischen Schachverband gemeldet. Zunächst, in den Anfängen, für den TV Großostheim am Start, fand er 2004 seine Heimat beim SK Klingenberg. Ziemlich genau so lang verbindet mich eine langfristige Freundschaft mit ihm. Daher hätte ich viele Anekdoten zu erzählen, werde mich aber auf einige wenige, ganz besondere Erinnerungen beschränken.
Schon bevor Fabian nach Klingenberg kam, hatte ich ihn bei der Unterfränkischen Jugend-Einzelmeisterschaft wahrgenommen. Ich weiß gar nicht mehr, ob er damals zwei oder sogar vier Altersklassen weiter oben gespielt hat – jedenfalls dachte ich am ersten Tag für mich: „Was macht der kleine Zwockel hier in der Altersklasse?!“… bis ich dann jeden Tag kurz an seinem Brett stand, um mich an der schon damals ausgeprägten, strategischen Tiefe seines Spiels zu erfreuen. Zu der Zeit hatte ich – soweit ich mich erinnere – noch ein paar Wertungspünktchen mehr, aber es war direkt klar, dass dies nicht lange so bleiben wird.
Im Verein selbst sorgte Fabian durch seine freundliche und offene Art damals wie heute für eine motivierende Umgebung und bringt sein Wissen auch gerne den Vereinskollegen näher. Seine Theoriekenntnisse sind (für mich) erschreckend groß: Walter Strobel (früherer Bundesliga-Spieler) zeigte eine neue Idee in einer Nebenvariante. Fabian half im 16. (?!) Zug weiter mit den Worten: „Ich meine, das kann dann so und so weitergehen – aber bin mir unsicher, da die Eröffnung nicht zu meinem Repertoire gehört.“ So habe ich diesen „Schock-Moment“ bleibend im Gedächtnis – aber selbiges lässt bei mir schon nach.
Unser Bezirksspielleiter und Vereinsvorstand Hans-Jörg Gies durfte die Theorie-Keule in einer Vereinsmeisterschaftspartie erfahren, wo er nach ~12 Zügen aus der Theorie war aber noch bis zum ~18. Zug durch Überlegung die besten Züge fand: nur, um nach der Partie zu erfahren, dass Fabian noch bis zum ~22. Zug im Buch war. Da weiß man dann nach der Partie auch, dass man verdient verloren hat
In den Jahren, in denen Fabian auf IM-Normen-Jagd ging, stand daher der ganze Verein auch hinter ihm. Man schaute interessiert auf seine laufenden Turniere und rechnete durch, ob alle Normen-Anforderungen in welchem Spezialfall erfüllt sind. Natürlich waren in der Zeit auch immer einige nicht so erfolgreiche Turnier dabei – aber hier zeigte sich die Zielstrebigkeit von Fabian und die Rückschläge wurden alsbald in Erfolge umgemünzt.
Als regelmäßiger Teilnehmer der Unterfränkischen Einzelmeisterschaft konnte er mittlerweile bereits fünf Mal den Titel „Meister von Unterfranken“ erringen und somit mit Dr. Hans-Joachim Hofstetter gleichziehen. Als Zielmarke steht sicherlich noch, die Rekorde von Harald Golda (6) oder sogar Alfred Hock mit acht Meisterschaften zu brechen.
Für unsere Homepage hat Fabian die „10 Fragen an…“ beantwortet – freut Euch also im Folgenden auf ein paar Insights!
Frage 0: Kannst Du uns in wenigen Worten Deinen Lebenslauf schildern?
Im Jahr 2009 habe ich mein Abitur auf dem Hermann-Staudinger-Gymnasium Erlenbach a. Main absolviert und im Anschluss meine Fluglotsenausbildung in Langen bei Frankfurt begonnen, seit vielen Jahren arbeite ich als Fluglotse in der Karlsruher Radarkontrollzentrale. Meine berufliche Entscheidung erwies sich als echter Glücksgriff, ich sehe in der Flugsicherung sehr viele Parallelen zum Schach – analytisches Denken, Vorstellungskraft und Zeitmanagement, um nur einige Aspekte zu nennen.
Mit dem Schachspielen habe ich bereits sehr früh begonnen, im jungen Erwachsenenalter wurde ich dann ambitionierter, nahm an vielen ausländischen Turnieren teil und erreichte 2017 den Internationalen Meistertitel, mein bisher größter Erfolg.
Frage 1: Wie bist Du zum Schach gekommen und was hat Dich dort gehalten?
Mein Vater hat mir Schach bereits im frühen Kindesalter nähergebracht – meinen ersten Pokal bei einem Schülerturnier erspielte ich 1996 im Alter von 6 Jahren. Die Kombination aus Logik, Wissenschaft, aber auch Ästhetik und Psychologie im Schach übt eine so große Faszination auf mich aus, dass ich nie ernsthaft darüber nachgedacht habe, je damit aufhören.
Frage 2: Was war Dein größter sportlicher Erfolg außerhalb des Schachs?
In anderen Sportarten habe ich zwar keine handfesten Erfolge vorzuweisen, aber ich möchte hier dennoch einen persönlichen Erfolg anführen. Nämlich, dass ich im Jahr 2021 zur Zeit des Lockdowns dank eines konsequenten Sportprogramms mein Übergewicht in den Griff bekommen habe, innerhalb von etwa 6 Monaten nahm ich gute 25 kg ab, wovon ich noch heute profitiere (wobei ich ganz aktuell meine körperliche Aktivität wieder etwas steigern sollte ;).
Frage 3: Woran erkennst Du einen starken, einen mittelmäßigen und einen schlechten Schachspieler?
Nun, ich würde es folgendermaßen ausdrücken: ein schlechter Schachspieler interessiert sich ausschließlich für seine eigenen Pläne und verfährt bei der Umsetzung dieser leider auch noch ziemlich ungeschickt. Ein mittelmäßiger Spieler ist gleichermaßen gepolt, allerdings ist er deutlich geschickter darin, die eigenen Pläne – insbesondere taktisch – durchzusetzen. Ein wirklich guter Schachspieler hingegen zeichnet sich durch starke Antizipationsfähigkeiten aus, die gegnerischen Absichten genauestens zu durchdringen und gezielt zu vereiteln hat für ihn einen höheren Stellenwert als das bloße Verfolgen der eigenen Agenda.
Frage 4: Das „klassische“ Schach ist in letzter Zeit etwas in Verruf gekommen, zu zeitintensiv und Remis-lastig. Der Trend geht zum Schnellschach und Sonderformen wie Schach960. Welche positiven oder auch negativen Entwicklungen siehst Du in den nächsten 10 Jahren auf den Schachsport zukommen?
Bei der These, dass das klassische Schach zu remislastig sei, muss ich immer etwas schmunzeln, da diese von einigen wenigen Topspielern stammt und für alle anderen Schachspieler meiner Meinung nach ziemlich irrelevant ist. Und selbst auf höchstem Level würde ich behaupten, dass bei genügend Zeiteinsatz die kreativen Eröffnungsideen nie ausgehen, man sieht das ja in jedem Kandidatenturnier oder WM-Kampf. Zwar ist es so, dass die moderne Eröffnungsvorbereitung im Gegensatz zu den 80er/90er Jahren nicht mehr nach per se „vorteilhaften“, sondern vielmehr nach „interessanten“ Positionen sucht, der beabsichtigte Vorteil also hauptsächlich darin besteht, besser als der Gegner mit dem Stellungstyp vertraut zu sein, aber das finde ich nun wirklich keinen negativen Trend. Wer Alternativen wie Chess960 oder schnellere Zeitlimits bevorzugt, dem sei dies vergönnt, ich persönlich habe aber wenig Zweifel, dass das klassische Schach auch langfristig seine dominante Position behaupten wird.
Die größte Gefahr fürs Schach sehe ich mittelfristig darin, dass sich mit moderner KI-Technologie als Katalysator ein sprunghafter Anstieg von Computerbetrug auch im „Live-Schach“ abzeichnen könnte. In seltenen Fällen gelingt es ja jedem einmal, eine für sein Level extrem gute Partie zu spielen und wenn solche außergewöhnlichen Leistungen, die eigentlich Bewunderung verdienen sollten, dann immer von latenten Zweifeln begleitet wären, so wäre der Schaden für den Schachsport immens.
Frage 5: Wie fördert und motiviert man junge Schachspieler?
Aus eigener Erfahrung würde ich sagen, nichts motiviert junge, aufstrebende Spieler so sehr wie Erfolge, deswegen finde ich den wichtigsten Punkt, ihnen Zugang zu Wettkämpfen zu gewähren, bei denen sie sich mit Kontrahenten messen können, die idealerweise etwas spielstärker sind. Gerade in jungen Jahren verbessert man sich schon allein durch das praktische Spielen und solange die Gegner nicht übermächtig sind, werden bereits die ersten positiven Resultate folgen. Über jede Siegpartie als nomineller Außenseiter dürfen sich die jungen Spieler zurecht freuen, aber insbesondere in den Partien, in denen es nicht ganz gereicht hat, gibt es meist sehr viel zu lernen. Hier wäre ein versierter Trainer mit guten didaktischen Fähigkeiten eine tolle Unterstützung, dieser kann die Partien gemeinsam mit den Nachwuchsspielern im Anschluss sorgfältig analysieren, die einzelnen Stärken und Schwächen herausarbeiten und entsprechend des Bedarfs gezielte Übungsaufgaben an die Hand geben.
Frage 6: Du gewinnst eine Reise ins All als Weltraumtourist. Bist Du dabei? Und warum?
Als Experte für den „kontrollierten Luftraum“ (definiert bis 66 000 ft, entspricht etwa einer Höhe von 22 km) kann ich da wohl schlecht Nein sagen, wenn mir eine Erkundung des unkontrollierten Luftraums angeboten würde. Allerdings würde ich zuvor auf die wissenschaftliche Zusicherung bestehen, dass nicht so etwas wie im Film „Interstellar“ passieren kann und die relative Zeit auf der Erde während meiner Abwesenheit auf einmal um ein Vielfaches schneller vergeht
Frage 7: Dein Geheimnis für körperliche und geistige Fitness?
Um es auf den Punkt zu bringen: jede Herausforderung als Chance sehen, sich ihr stellen und an ihr wachsen. Wenn wir ehrlich sind, unsere moderne Gesellschaft ist äußerst bequem geworden, da finde ich es besonders wichtig, immer mal wieder aus den gewohnten Strukturen, der eigenen Komfortzone, bewusst auszubrechen und sich selbst mental oder physisch zu fordern – ganz ohne auf Hilfsmittel zurückzugreifen.
Frage 8: Du hast schon mehrfach die Unterfränkischen Einzelmeisterschaften gewonnen. Welchen Stellenwert hat dieses Turnier für Dich im Vergleich zu anderen Turnieren, die Du regelmäßig spielst?
Die UEM besitzen für mich einen besonderen Charme und eine Konstanz, da man hier Jahr für Jahr viele bekannte Schachfreunde trifft. Ich finde es immer spannend, wenn ich zum wiederholten Mal gegen bekannte Gegner antrete, da alle Vorkommnisse der vorhergehenden Partien eine ganz neue Meta-Ebene eröffnen. Aber freilich gibt es bei den UEM auch immer wieder neue Gesichter, insbesondere zeichnete sich zuletzt ein gewisser Generationenwandel ab, die Konkurrenz wird zunehmend jünger und ambitionierter.
Unabhängig der oben genannten Punkte, mittlerweile habe ich es mir zum Ziel gemacht, meine Gewinnserie in diesem Turnier so weit auszubauen wie möglich.
Frage 9: Welchen Schachspieler bewunderst Du am meisten?
Das ist eine sehr schwierige Frage, aber tendenziell möchte ich hier zwei Namen nennen, die weniger als aktive Spieler tätig waren, aber deren Schaffen ungeachtet dessen noch heute von unschätzbarem Wert für alle Schachspieler ist. Zum einen Mark Dworetski, der vielleicht beste Schachlehrer aller Zeiten, dessen Werke zur Endspieltheorie und zu diversen Mittelspielkonzepten, insbesondere dem „Prophylaktischen Denken“ in keiner Schachbibliothek fehlen sollten und zum anderen Genrich Kasparjan, dessen atemberaubende Endspielstudien aus dem Vorcomputerzeitalter für mich einen absoluten Höhepunkt des menschlichen Schaffens im Schach darstellen.
Frage 10: Dein wichtigstes Ziel für die Zukunft?
Den klaren Fokus auf die Dinge zu behalten, die ich auch wirklich beeinflussen kann – dann stellt sich alles Positive hoffentlich von selbst ein: Gesundheit, Zufriedenheit – und natürlich weiterhin Spaß und Erfolg beim Schach!
Vielen Dank Fabian für die Einblicke eines IM für alle diejenigen, die noch einer werden möchten (und natürlich auch alle anderen, die intrinsische Freude an Schach haben)!
In memoriam Klaus Link (1966-2024)
(MS)