Das war es wohl!
Man traute seinen Augen nicht: Mit Niederlagen an drei Brettern und keiner einzigen Gewinnpartie unterliegt eine ausgesprochen stark besetzte OSG Baden-Baden am letzten Wochenende der zwar ebenfalls hochkarätig, aber – nach in Elozahlen verbriefter Aufstellung – bis dahin noch keinesfalls höher einzuschätzen Mannschaft des Düsseldorfer SK mit 2,5: 5,5 in der Schachbundesliga.
So etwas gab es in der gesamten Bundesliga-Geschichte des Baden-Badener Vereins erst ein einziges Mal! Das allerdings ist noch gar nicht so lange her: Es war der Kampf gegen den SC Viernheim in der Saison 2022/2023, die am Ende der OSG dennoch den siebzehnten – und bisher letzten – Deutschen Meistertitel einbrachte. Dieses Mal, so sehen es auch Vereinsvorsitzender Patrick Bittner und Mannschaftsführer Sven Noppes, sind die Träume von einem achtzehnten Titel vorzeitig ausgeträumt. Darüber konnte auch das folgende 6:2 Endergebnis gegen die SG Solingen nicht wirklich hinwegtrösten, auch wenn es ein Erfolg in einer langen Reihe von Siegen gegen den einstigen Rekordmeister war und geeignet, der OSG das seit Jahren gewohnte Selbstvertrauen wiederzugeben. Das war gegen Düsseldorf arg strapaziert und nach Einschätzung von Teamchef Sven Noppes das Resultat eines enormen Erfolgsdrucks: Es musste ein Sieg her. Schon ein Unentschieden hätte die Chancen auf den Spitzenplatz am Saisonende in weite Ferne gerückt, schließlich hatte man bereits erneut gegen den SC Viernheim verloren, als zwar nur eine Partie mit einer Niederlage endete, aber wiederum kein Sieg gelungen war. Und so war der Erfolgszwang gegen Düsseldorf auch an den Partien ablesbar:
Zunächst geriet ausgerechnet Exweltmeister und OSG-Urgestein Viswanathan Anand auf die Verliererstraße (seit dem Aufstieg in die Schachbundesliga im Jahr 2002 immer wieder mal dabei), als er die Gelegenheit verpasste, seine Partie mit dem richtigen Zug im Gleichgewicht zu halten. Mit dem für Düsseldorf spielenden Wesley So hatte er den Weltklasse-Widerpart, der das sofort ausnutzen konnte. Maxime Vachier -Lagrave an Brett vier, ein spielstarker „Riese“ der Extraklasse, versuchte es mit der Brechstange, als er erst einen Bauern, dann einen Turm gegen einen Springer opferte. Der neunzehnjährige, in der Schachbundesliga bisher mit einhundert Prozent agierende Javokhir Sindarov, widerlegte die gewaltsamen Gewinnversuche des OSG-Großmeisters. Allein Alexander Donchenko konnte man einen Sieg am achten Brett für Baden-Baden zutrauen. Aber er verlor in einer wechselvollen Partie den Faden, den der erfahrene Victor Bologan aufnahm und ebenfalls zu einem vollen Punkt für Düsseldorf zusammenstrickte. An vier Brettern trennte man sich unentschieden – berechtigterweise, wie der Schachcomputer in der nachträglichen Betrachtung auch dem Laien zeigen kann.
Gegen die SG Solingen siegten Levon Aronian, Maxime Vachier-Lagrave, Peter Svidler (wie Anand bei der OSG in der Schachbundesliga mit Unterbrechungen von Anfang an dabei) und diesmal auch Alexander Donchenko. Shootingstar Alirezja Firouzja, Viswanathan Anand, Richard Rapport und Radosław Wojtaszek steuerten halbe Punkt für die OSG Baden-Baden bei, wo nun im Vorstand über Folgerungen aus den durchwachsenen Ergebnissen der letzten zwei Spielzeiten durch die personellen Verstärkungen der Konkurrenten nachgedacht werden wird.
Walter Siemon
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