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Herman Pilnik – ein Optimist

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Ein Optimist im Schach wie im Leben (lt. Miguel Najdorf)

(Bild entfernt)

                                                  1963                                         

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Von GM Zenón Franco, Paraguay

 Herman (ursprünglich Hermann) Pilnik* 8. Januar 1914 in Stuttgart  + 12. November 1981 in Caracaswar ein deutschstämmiger argentinischer Schachmeister.

In den 1950er Jahren zählte er zur Weltspitze.

Bereits im jugendlichen Alter von 15 Jahren wurde er Stadtmeister von Suttgart.

Seine Familie wanderte 1930 nach Argentinien aus.

Er wurde 3x argentinischer Meister: 1942, 1945 und 1958 und

repräsentierte Argentinien bei fünf Olympiaden.

Seine besten Ergebnisse erzielte er bei dem Turnier von Mar del Plata 1942, geteilter 2. Platz mit Stahlberg und Najdorf und 1944 geteilter erster Platz mit Najdorf, aber vor Stahlberg.

Ausserdem gewann er ein Turnier in Belgrad im Jahre 1952.

Aufgrund dieser vielen Erfolge verlieh ihm die FIDE in jenem Jahr den Grossmeistertitel.

Ausserdem wurde er 1954 in die Mannschaft „Der Rest der Welt gegen die Sowjetunion“ berufen.

 

Er war während seiner Schachlaufbahn viel unterwegs und letztlich liess er sich in Venezuela bis zu seinem Lebensende nieder, wo er regelmässig Schachunterricht an der Militärschule von Caracas gab.

Sehen wir uns das Pilnik-System an, wo nach früher eine Variente in der Sizilianischen Verteidigung benannt wurde:

  1. e4 c5 2. Sf3 – Sc6 3. d4 cxd4 4. Sf3xd4 Sf6 5. Sc3 e5 6. Sd4-b5 d6 (üblich war zuvor 6…a7-a6).

 

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Pilnik hatte diese Variante gemeinsam mit Jorge Pelikan erarbeitet, nach dem sie ebenfalls häufig benannte wurde: Pelikan-Variante.

 

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Nach der Schacholympiade in Buenos Aires im Jahr 1939 blieben wegen des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs viele starke Spieler  für eine unbestimmte Zeit in Argentinien, wie der Schwede Gideon Stahlberg, der Israele Moshe Czerniak usw. und andere Meister für immer wie der Pole Miguel Najdorf, der Deutsch-Österreicher Erich Eliskases.

 

Es gab zu jener Zeit einen „argentinischen“ Schachspieler, der unerklärlicherweise für Geld gegen diese Meister spielte und natürlich immer verlor, was mehr als einen verschleierten Spott hervorruf. Dieser „Kunde“, genannt Herman Pilnik, nachdem er seine Lektionen gelernt hatte, bestritt 11 Jahre später als „ehemaliger Kunde“ das Interzonenturnier in Göteburg und im folgenden Jahr 1956 anlässlich des Kandidaten-Turnieres in Amsterdam mass er sich mit den weltbesten Spielern.

 

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Dieser „Qualitätssprung“ war wirklich beeindruckend für jemanden, der mit den Worten von Ludek Pachman in seinem Buch „Jetzt kann ich sprechen“ wie folgt zitiert wurde:

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„Niemand hat ihn jemals bei dem Studium vor dem Schachbrett oder auch mit einem Schachbuch in der Hand, sondern fast nur bei romantischen Abenden mit schönen Frauen gesehen.“
Pilnik war ein Romantiker; in jedem Bereich des Lebens optimistisch, pflegte einen kräftigen Angriffsstil und war ein sehr angenehmer Gesprächspartner. Er sah gut aus und auch ein wenig eitel wegen seiner äusseren Erscheinung.

 

Vielleicht hatte er seine größten sportlichen Erfolge mit der argentinischen Olympia-Mannschaft, die Vizeweltmeister in Dubrovnik 1950, Helsinki 1952 und Amsterdam 1954 zusammen mit den leistungsstarken Meistern Miguel Najdorf und Julio Bolbochán wurde; aber noch lobenswerter war wohl der 3. Platz der Mannschaft anlässlich der Schacholympiade in München 1958 ohne die Beteiligung der vorgenannten Schachgrössen mit Pilnik am 1. Brett.

 

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München 1958

Olympiade München 1958

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Wie John Morgado in seinem Buch „Die Abenteuer von Herman Pilnik“ schildert,

 

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wurden die Mitglieder der Olympia-Mannschaft, bevor sie an den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki teilnahmen, zu einem liebenswürdigen Empfang im Ministerium für Arbeit in Buenos Aires eingeladen. Anwesend waren also das Team und einige wichtige Persönlichkeiten; unter ihnen natürlich auch Pilnik, dessen politischen Vorstellungen als „Nicht-Peronist“ bekannt waren, (Pilnik definierte sich viele Jahre später als „Oppositor“), aber da bei dem Empfang keine politschen Untertöne erwünscht waren, schloss er sich höflich an.
Die Atmosphäre war herzlich. Evita Peron wollte eine positive Motivation für das olympische Engagement bieten, vielleicht auch als Dank für die brillanten Leistungen des Teams. Sie fragte jeden, was er sich so wünsche. Einer bat darum, eine Lebensversicherung auf ihn abzuschliessen, ein anderer fragte nach einem Hauskauf, aber zu sehr günstigen Konditionen, ein anderer nach der Installation eines Telefones in seiner Wohnung.

(Diese Bitte erzeugte dann allgemein viele spöttische Kommentare, aber ein Telefon im Jahr 1952 zu Hause zu haben, war nicht so einfach.)
Nun kam Pilnik an die Reihe. Was war zu tun? Würde er ein Geschenk annehmen unter dem Aspekt, dass man das Eine nicht mit dem Anderen vermischen sollte, wozu er den Anspruch hatte?

Oder würde sich Pilnik im Einklang mit seinen Ideen weigern, etwas entgegen zu nehmen? Könnte in diesem Fall sein Verhalten unhöflich oder sogar beleidigend für Eva Peron sein?
Sicher eine schwierige Entscheidung, aber nicht für Pilnik, der sich an Evita Peron wandte und nur eine Belohnung haben wollte, in dem er sich „einen Kuss von ihr“ wünschte.

 

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Anmerkung:

Nachstehend ein Foto aus der „Chess Review“ vom Oktober 1945, wo man Herman Pilnik am Kopf stark bandagiert und verbunden sieht. Der Grund war ein Autounfall auf einer abenteuerlichen Autofahrt quer durch die Vereinigten Staaten nach Hollywood, um dort rechtzeitig an einem Internationalen Turnier teilzunehmen.

Allerdings landete er erst einmal für ein paar Tage im Krankenhaus.

Als er entlassen wurde, durfte er aus diesen besonderen Gründen die 3 ersten Partien nachspielen, war immer noch stark behindet durch den Unfall und die damit verbunden Schmerzen.

Trotz allem spielte er ein vorzügliches Schach während des ganzen Turnieres und belegte letztlich den 2. Platz hinter Reuben Fine.

 

(Die genaue Schilderung des Herganges steht auch mit allen Details

in dem vorgenannten Buch „Die Abenteuer des Herman Pilnik“.)

 

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courtesy: Arqto. Roberto Pagura, Buenos Aires

Nun noch nachstehend eine klassische Partie zwischen den Kontrahenten:

Najdorf ,M (2540) – Pilnik, H (2450)
Indo-Benoni-Verteidigung. [A77]
Buenos Aires (5), 1973

1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.Sc3 c5 4.d5 exd5 5.cxd5 d6 6.Sf3 g6

(Die Indo-Benoni-Verteidigung wurde von Bobby Fischer im Jahr davor anlässlich des Wettkampfes gegen Spassky erfolgreich angewendet. Die Einzelergebnisse von Pilnik gegen Najdorf waren ziemlich mager, so dass Pilnik mal etwas anderes spielen wollte als die klassischen Verteidigungen oder das Königsindische, in der er nicht so gut vorbereitet war wie Najdorf, aber warum nicht, auch wenn er wegen den “schönen Abenden mit hübschen Frauen” kaum seinen schachlichen Hausaufgaben nachkam. Also, wie war es möglich, dass er eine für ihn ziemlich neue Verteidigung anwendete, die er wohl in kürzester Zeit analysiert hatte? Es muss wohl so gewesen sein, dass einer seiner Bewunderer ihm am Vorabend empfahl, diese Verteidigung zu spielen, die er Zug für Zug anhand von Beispielen vorführte. Trotz allem fühlte Pilnik sich nicht wohl in dieser Variante, aber er wendete sie mit Mühe und Not an, was noch in seinem Gedächtnis haftengeblieben war.

7.Sd2 Sbd7 8.e4 a6 9.a4 Lg7 10.Le2 0-0 11.0-0 Te8 12.Dc2 Se5 13.Sd1?! [Najdorf wurde hier überrascht und improvisierte; auch war nicht geeignet 13.f4? Seg4 14.Sc4 aufgrund von 13…Sxe4! 15.Sxe4 Ld4+ 16.Kh1 (16.Sf2 Lf5 17.Dd2 Txe2 18.Dxe2 Dh4 19.h3 Sxf2 20.Txf2 Ld3) 16…Sxh2!; logischer war 13.h3] 13…g5! (thematisch, um die Drohung f4 zu vermeiden) 14.h3 Sg6 15.Se3 Sf4 16.Te1 Sxe2+ 17.Txe2

 

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17…b6! (Das Studium am Tage zuvor bringt seine Früchte, da Schwarz die Blockade von 18.a5 vermeidet, aber man macht diesen Zug nicht nur aus Gründen der Verteidigung) 18.Tb1 Ta7! (Das ist eine ökonomische Art, den Ta8 ins Spiel zu bringen, wobei dann ein Druck auf „e4“ entsteht.)

19.b3 Tae7 20.f3 Sh5! 21.Lb2 Ld4! 22.Kh2 [Das Spiel von Schwarz ist sehr energisch und zeigt den Stil von Pilnik. Auch würde 22.Lxd4?! cxd4 23.Sg4 d3! nicht helfen. (Zweifelhaft ist 23…Lxg4?! 24.hxg4 d3 25.Dxd3 Sf4 26.Dxa6) 24.Dxd3 f5, etc. mit schwarzem Vorteil; ab jetzt bricht ein Sturm auf dem weissen Territorium los.] 22…f5 23.Dc4 Lxb2 24.Txb2 Te5 25.Tf2 g4! 26. fxg4 fxg4 27.g3 [Das Schlagen auf g4 kann nicht mit 27.Sxg4 Lxg4 28.hxg4 Dh4+ 29.Kg1 Sg3 30.Tf4 Dh6! 31.Tf3 Txe4 32.Sxe4 Dh1+ 33.Kf2 Sxe4+ 34.Ke3 “gebremst” werden. (34.Ke2 Dxg2+) 34…Sf2+ und gewinnt.] 27…gxh3 28.Df1 Tg5 29.Sf5 Lxf5 30.Txf5 Sxg3 31.Txg5+ Dxg5 32.Dxh3 Sh5 33.Dg2 Dxg2+ 34.Kxg2 Sf4+ 35.Kf3 Sd3 36.Tb1 b5! [Ein totaler Erfolg; für den Sd2 gibt es keine Beteilung in dem Kampf und mit der möglichen Schaffung von 2 Freibauern, hört das Spiel auf] 37.axb5 axb5 38.Ta1 Se5+ 39.Ke3 Tf8 40.Ta6 Tf6 41.Tb6 h5! 42.Txb5 h4 43.b4 c4 44.Kd4 h3 45.Ta5 h2 46.Ta1 Tg6 [Schwarz gibt matt nach 46…Tg6 47.Th1 Tg3 etc.] 0:1

 

Partie zum Nachspielen:

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Dieser Artikel wurde erstmals in der Tageszeitung (Bild entfernt), im Januar 2002 veröffentlicht.

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Sitges (Barcelona), im August 2013

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