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Der Mann am Schachbrett

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geschrieben von der Autorin “Aha”, D’dorf

 

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       “Hier stehe ich und kann nicht anders….”

 

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Diese Geschichte ist so beeindruckend und einfühlsam, dass ich mir erlaube, sie illustriert wiederzugeben, damit noch mehr Schachfreunde sie geniessen können:

 

Schon auf der Autobahn ergriff mich ein seltsames Gefühl…

Vor drei Jahren hatte mein Vater darauf bestanden, in ein Seniorenstift zu ziehen.

„Mein Freund Paul aus dem Schach-Club wohnt auch im Elisen-Park“, erklärte er. „Ich muss nur über den Flur gehen, dann kann ich jeden Tag mit ihm Schach spielen.“

 

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gemalt von Claude Weisbuch

 

Für seine achtzig Jahre war Vater enorm fit. Deshalb traf es mich völlig unerwartet, als sein Freund Paul eines Abends anrief und mir schonend beibrachte, dass mein Vater ganz plötzlich gestorben sei.
„Friedrich hat nicht gelitten“, tröstete er mich. „Er griff sich ans Herz, als wir über einer besonders kniffligen Partie saßen, lehnte sich im Sessel zurück und schloss einfach die Augen.“

 

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Ich konnte es nicht fassen. Noch am Morgen hatte ich mit Vater telefoniert. Da hatte er sich prächtig gefühlt und mich gebeten, ihn nach Feierabend zu besuchen. Ich hatte mein Versprechen nicht halten können, weil ich wegen eines Geschenks durch die Geschäfte gehetzt war. Als ich zwischendurch anrief, um Vater zu sagen, ich käme erst am folgenden Tag, hatte niemand den Hörer abgehoben. – Hatte er da noch gelebt?
Ich weinte vor Verzweiflung, weil ich ihn am letzten Tag seines Lebens so enttäuscht hatte.
Bei der Beerdigung lag eine Zentnerlast auf meiner Brust. Spät am Nachmittag spürte ich den Wunsch, noch einmal in Vaters Wohnung zu fahren. Zwischen den Dingen, die er zuletzt berührt hatte, wollte ich allein sein und an ihn denken.

Schon auf der Autobahn ergriff mich ein seltsames Gefühl.

Als ich in Vaters Apartment stand und sein Schachbrett betrachtete, wo jemand die Figuren wieder in Reih und Glied gestellt hatte,

 

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glaubte ich fast, er stünde neben mir. Sein Geist schien im Raum zu schweben, und so erzählte ich ihm stumm, wie unendlich traurig ich ohne ihn sei. In meinen Gedanken antwortete er mir, schlagfertig und humorvoll, wie er es auch im Leben getan hätte.

„Beim Schachspiel zu sterben, so ganz ohne Vorwarnung, ist bestimmt nicht der schlechteste Tod“, hörte ich ihn sagen. „Ich würde zu gern noch wissen, ob Paul seinen Läufer auf “f5” gesetzt hat.“
Ich glaubte fast, sein Lachen zu hören. Ganz allmählich löste sich meine Beklemmung, die Traurigkeit ließ sich besser ertragen. Ich nahm mir vor, Vaters Freund nach dem letzten Schachzug zu fragen, und irgendwie spendete mir dieser Gedanke Trost.

Auf dem Heimweg fuhr ich durch die Platanen-Allee hinter dem Elisen-Park, eine schöne Straße mit Blumenbeeten und weißen Bänken. Hier hatte Vater im Sommer gern gesessen, weil in die Steinplatten der Tische Schachbretter aus weißem und grauem Marmor eingelassen waren.

 

 

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Jetzt, im Spätherbst, war der Park leer. Nur ein schlanker, weißhaariger Herr hatte an einem der Tische Platz genommen. Er schaute mir entgegen. Erst als ich auf seiner Höhe war, erkannte ich ihn: Es war mein Vater!

Vor Schreck trat ich voll auf die Bremse. Im selben Moment schoss ein Schatten an mir vorbei. Bremsen quietschten, ein Knall, ein Poltern … alles ging rasend schnell. Ein Auto hatte meinen Weg gekreuzt, war gegen einen Zaun geschleudert und dann in einem Rosenbeet zum Stillstand gekommen. Aus dem Wagen kletterten drei junge Männer mit blassen Gesichtern. Da erst wurde mir klar, was für ein Glück ich gehabt hatte: Der Fahrer hatte mit hohem Tempo ein Stoppschild überfahren; ohne meine Vollbremsung wäre es zu einem Unfall gekommen, der nicht so glimpflich ausgegangen wäre.
Mir zitterten die Knie. Ich stieg aus und schaute zur Bank zurück. Doch drüben auf dem steinernen Schachtisch kreiselten jetzt nur ein paar welke Blätter. Die Bank war leer.

 

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Ich kann es noch heute beschwören: Ich habe meinen Vater dort leibhaftig sitzen gesehen – eine Erscheinung, die mir vielleicht das Leben rettete.

Ein paar Tage später fragte ich Vaters Freund Paul nach dem letzten Schachspiel der beiden.
„Friedrich war auf der Siegerstraße“, meinte er schmunzelnd. „Ich hätte meinen Läufer wahrscheinlich auf “f5” gesetzt:

 

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Gemalt von Elke Rehder: Läufer “f5”

Dann wäre ich schachmatt gewesen und Dein Vater hätte gewonnen.“

 

Quelle: OPINIO – Mediengruppe RP

Sitges (Barcelona), im November 2013

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