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Hugo Süchting – ein Bauer auf der Schachbühne

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Es ist gewiß ein Kuriosum, von denen die Schachgeschichte so reich ist, daß ausgerechnet in der Wilhelminischen Klassengesellschaft, in der „Hohen Schule des Deutschen Schachs“, wie diese der jugoslawische Großmeister Milan Vidmar einst so ehrfürchtig nannte, in eben diese ein deutscher Bauer aus der Provinz Schleswig-Holstein trat, und der keine Scheu zeigte, den Schachgrößen seiner Zeit den Fehdehandschuh hinzuwerfen.

Hugo Süchting wurde am 8. Oktober 1874 in dem ostholsteinischen Dorf Brackrade, heute Bosau eingemeindet, geboren. Da er einer Bauernfamilie entstammte, von daher schon früh an harter Arbeit gewöhnt war, keinerlei Förderung für das Schachspiel in seiner Jugend genießen konnte, aber dennoch bereits als 19jähriger das Hauptturnier des VIII. Deutschen Schachkongresses 1893 in Kiel gewinnen und die damit verbundene Meisterwürde erringen konnte, galt Hugo Süchting früh als Naturtalent. Wann immer seine Arbeit es zuließ und in der Nähe größere Turniere organisiert wurden, war Hugo Süchting dabei und nahm furchtlos den Kampf gegen die Schachelite auf. Geradezu poetisch erscheint die Formulierung der Berliner Zeitung vor genau 10 Jahren, in der es hieß, der „als äußerst schweigsam beschriebene Süchting wusste mit seinen rauen, abgearbeiteten Fingern die Figuren elegant zu führen“.1 Nach Milan Vidmar galt Süchting als zwar „bescheidener, sympathischer Mann“, aber auch als „grimmiger Turnierkämpfer“.2 Und in der Tat lassen seine Resultate auf der internationalen Schachbühne aufhorchen, denn Hugo Süchting konnte in seiner Karriere Schachgrößen wie Richard Teichmann, David Janowski, Curt von Bardeleben, Isidor Gunsberg, Oldrich Duras, James Mason, Carl August Walbrodt, Ossip Bernstein und den Bremer Carl Carls bezwingen, dessen damals eigentümliche Eröffnung 1. c4 übrigens dazu führte, daß diese Eröffnung im deutschen Sprachgebrauch lange Zeit nicht als Englische, sondern als Bremer Eröffnung geführt wurde.

Daß Hugo Süchting im deutschen Schach im Schatten der zwei absoluten Weltklassespieler Tarrasch und Lasker stand, ist geschenkt. Er gehörte aber neben seinen Landsmännern Richard Teichmann, Carl Carls, Curt von Bardeleben, Erich Cohn, Walter John, Paul Saladin Leonhardt, Jacques Mieses, Johannes Metger und Emil Schallopp zu der breiten zweiten Garde des deutschen Schachs, die bei Spitzenturnieren zwar seltenst um den Titel kämpfen, aber regional durchaus Einfluß auf das Schachleben haben konnten. So wurden Hugo Süchting selbst 1905 vom Altonaer Schachclub „in Anbetracht seiner Verdienste um die Hebung des Schachs in der Provinz Schleswig-Holsteins mit der Auszeichnung „Ehrenmitglied“ bedacht, und er erhielt dieselbe Würde vom niederelbischen Schachbund.3

Es gibt in der Philosophie zwei Prinzipien der Gerechtigkeit, nämlich die austeilende Gerechtigkeit und die ausgleichende Gerechtigkeit. Während die austeilende Gerechtigkeit die Leistung des Einzelnen rein für sich bewertet, liegt der Fokus der Anerkennung bestehender Leistungen nach dem Prinzip der ausgleichenden Gerechtigkeit immer in der Relation der gegebenen Möglichkeiten, zu der eigenen Leistung zu kommen. Und genau nach diesem Gerechtigkeitsprinzip ist eben nicht die objektive Leistung Süchtings das wahrhaft Verblüffende, sondern eben, unter welchen Voraussetzungen der Bauerssohn, der Zeit seines Lebens dem Bauernstand verhaftet blieb, diese Leistungen erzielen konnte. In diesem Sinne vermag es nicht zu wundern, daß mit John Nunn ein ausgewiesener Mathematiker zu einer ganz anderen Einschätzung gelangt, die dem nüchternen Prinzip der austeilenden Gerechtigkeit verpflichtet ist. So heißt es bei John Nunn, der in seiner Beurteilung Süchtings die wahrlich ungünstigen Startbedingungen des Norddeutschen konsequent ausblendet, und in seinem Lehrbuch: „John Nunns Buch der Schachaufgaben“ zwei Patzer Süchtings herausgreift, für viele Schachfreunde geradezu despektierlich:

„Nach der Durchsicht all seiner Partien aus Karlsbad [1911] kann ich mit Überzeugung feststellen, daß seine Spielstärke nicht über Elo 2100 lag – und das an einem guten Tag und mit Rückenwind.“⁴

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Es ist in diesem Zusammenhang interessant, daß mit Siegbert Tarrasch ausgerechnet ein in seinen Bewertungen für seine Strenge so berüchtigter Schachmeister die Sache offenbar anders sah und nach dem Sieg Süchtings gegen Walter John in Coburg 1904 mit Lob nicht sparte: „Der Sieger dieser Partie ist ein Vertreter des Bauernstandes und nimmt seit langen Jahren an den Meisterturnieren des Deutschen Schachbundes mit Ehren teil. Nach seiner geistvollen und pikanten Führung dieser Partie scheint er nicht zu denjenigen Bauern zu gehören, die die größten Kartoffeln haben“.

Natürlich präsentieren wir euch zum Abschluß dieser „Laudatio“ des so schachbegeisterten Bauern eben diese Perle aus dessen Schaffen, rund um das faszinierende Damenopfer 18. …Dxd4!!:

W. JOHN – H. SÜCHTING, Coburg 1904 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Sf6 4.0-0 Sxe4 5.Te1 Sd6 6.Lxc6 dxc6 7.Sxe5 Le7 8.De2 Le6 9.b3 0-0 10.Sxf7 Lxf7 11.Dxe7 Dc8! 12.Dg5 h6 13.Dg3 Sf5 14.Dc3 Te8 15.d3 15. Sd4!! 16.Le3 Dg4! 17.Lxd4 Ld5! 18.g3 Dxd4 19.Tf1 Dg4 20.Sd2 Te2 21.Se4? (21.Tfe1!) 21. Df3! 22.Da5 Txe4 23.c4 Txc4 0-1 1

Lest auch die Humoreske über die Partie Dus-Chotimirski vs. Süchting in Karlsbad 1911 in der Schachburg: https://www.schachburg.de/threads/1827-Warum-man-beim-Schach-spielen-kein-Buch-lesen-sollte

Quellen:

1: http://www.berliner-zeitung.de/archiv/hugo-suechting,10810590,10708934.html

2: Milan Vidmar, Goldene Schachzeiten, Gruyter&Co, Berlin 1961, S. 132

3: http://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_S%C3%BCchting

4: John Nunns Buch der Schachaufgaben, Gambit-Verlag 1999, S. 70

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