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Reaktion auf Ukraine-Krieg: "Eine Isolation des russischen Sports wäre schmerzhaft für Putin"

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Reaktion auf Ukraine-Krieg:

Johannes Herber, Geschäftsführer der Gewerkschaft "Athleten Deutschland", erklärt, wie Russland den Sport als politisches Instrument missbraucht hat – und warum nun ein radikaler Ausschluss russischer Athletinnen und Athleten notwendig ist.

Herr Herber, internationale Sportverbände haben sich lange schwer getan mit dem Ausschluss russischer Teams. Die Fifa reagiert nun auf den großen öffentlichen Druck und suspendiert Russland von der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Wie beurteilen Sie diese Sanktion?
Ein kompletter Ausschluss ist auch unsere Forderung gewesen – schon vor Tagen. Wir sind uns bewusst, dass dies einen radikaler Schritt bedeutet, der auch ethisch-moralische Probleme mit sich bringt: Letztlich werden einzelne russische Sportlerinnen und Sportler für einen Krieg in Haftung genommen, den nicht sie, sondern allein Wladimir Putin und sein Apparat zu verantworten haben. Trotzdem sind wir der Meinung, dass man auch im Sport entschlossen auf Aggression Russlands antworten muss.

Sie sind selbst Leistungssportler gewesen und haben als Basketballer 74 Länderspiele für Deutschland gemacht. Können Sie ermessen, was ein Kollektiv-Bann für russische Athletinnen und Athleten bedeutet?
Wir haben lange diskutiert, bevor wir unsere Forderungen veröffentlicht haben. Normalerweise stellen wir uns an die Seite der einzelnen Sportlerin und des einzelnen Sportlers und setzen uns für deren Interessen ein. Jetzt aber erleben wir eine Ausnahmesituation, in der auch der Sport Farbe bekennen sollte. Es ist zum jetzigen Zeitpunkt unvermeidbar, dass Sanktionen auch Teile der Zivilgesellschaft treffen, die dann ihrerseits Druck auf den Zirkel der Mächtigen aufbauen soll. Das ist jedenfalls die Idee.  

Johannes Herber im Portrait
Johannes Herber, 39, ist Geschäftsführer der Sportlergewerkschaft „Athleten Deutschland e.V.“ Herber spielte von 2004 bis 2011 für die deutsche Basketball-Nationalmannschaft und nahm 2006 an der Seite von Dirk Nowitzki an der WM in Japan teil.
© Robert Schlesinger/

Was kann der Sport ausrichten? Letztlich ist ein Bann nur eine symbolische Geste. Ist der Sport nicht ohnmächtig in einer Situation wie dieser?
Womöglich ja. Niemand kann seriös abschätzen, welche Wirkung eine solche Geste beim russischen Machthaber entfaltet. Klar ist aber, dass Sport für Putin immer auch eine politische Bühne gewesen ist, auf der er die vermeintliche Überlegenheit und nationale Stärke Russlands zeigen wollte. Hinzu kommt, dass russische Oligarchen als Sponsoren in internationalen Sportverbänden engagiert und dort Schlüsselpositionen mit Russen besetzt sind. Insofern wäre eine umfassende Isolation des russischen Sports schon schmerzhaft für Putin und sein Regime.

Putin scheint im Sport noch immer starke Verbündete zu besitzen. Noch vor wenigen Tagen erklärte Fifa-Chef Infantino, man wolle abwarten – vielleicht sei die Welt in wenigen Wochen schon eine andere. Die russische Fußball-Nationalmannschaft sollte weiterhin Länderspiele bestreiten dürfen, unter der Bedingung, dass sie künftig nicht mehr als „Russland“ antritt, sondern unter dem Kürzel „RFU“, Russische Fußball-Union.
Das wäre eine Alibi-Aktion gewesen. Eine vergleichbare Maßnahme hat schon bei den Olympischen Winterspielen in Peking ihre Wirkung verfehlt. Dort durfte Russland auch nur unter dem Label „Russisches Olympisches Komitee“ (ROC) teilnehmen – als Strafe für einen Dopingskandal in 2014. Und was hat es gebracht? Nichts. Es war allerorten von Russland die Rede, es herrschte Business as usual, als ob es das Dopingvergehen und die Sanktion nie gegeben hätte. Eine ähnliche Gefahr drohte nun auch beim Fußball. Die Fifa muss weiterhin hart durchgreifen, wenn sie es denn ernst meint mit einer Abgrenzung von Putin und einem mächtigen russischen Sponsor wie Gazprom.

Wenn Sport und Politik so unheilvoll miteinander verwoben sind: Wie wäre es, künftig nur die einzelnen Sportlerinnen und Sportler bei Siegerehrungen zu feiern – und auf das Hissen von Flaggen und das Abspielen von Nationalhymnen zu verzichten?
Der Grundgedanke ist richtig, denn tatsächlich hätte der Sport dann nicht mehr den Charakter einer Leistungsschau einzelner Nationen. Bloß wäre diese Idee schwer umsetzbar in der Sportwelt, so wie sie heute verfasst ist. Das Bundesinnenministerium zum Beispiel ist der größte Förderer des Spitzensports in Deutschland. Da würde es wohl auf wenig Begeisterung stoßen, wenn man diese Tatsache ignoriert und die Nationalfarben von den Trikots entfernen würde. Zudem: Als Basketballer fand ich es schön, für mein Land zu spielen und es zu repräsentieren. Das ist ein besonderer Moment für einen Sportler.


Ist die Verbindung von Sport und Politik also unauflösbar?
Ich finde es wichtig, dass Sport nicht nur als Bühne von Staaten dient, sondern dass auch die Athletinnen und Athleten diese Plattform für ihre Anliegen nutzen können. Laut olympischer Charta dürfen sie sich in den Arenen oder auf dem Podium nicht zu politischen Themen äußern. Wir setzen uns für eine Lockerung dieser Regel ein, denn friedlicher Protest, der die Achtung von Menschen- und Grundrechten anmahnt, sollte möglich sein. Athletinnen und Athleten besitzen eine große Strahlkraft, und wenn sie sich entscheiden, diese für gesellschaftliche Themen zu nutzen, sollten sie diesen Raum erhalten. Das zeigt der Fall Russland in einer nie dagewesenen Dringlichkeit.

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