Radical Stories: Im Gespräch mit Bruno Baeza, dem ersten Werkstattchef bei Radical
Wir freuen uns sehr, Bruno Baeza, einen der ersten Werkstattmitarbeiter bei Radical, zu einem Interview begrüssen zu dürfen. Mit seinem unermüdlichen Einsatz und seinen kreativen Ideen prägte er das Unternehmen von 1989 bis 1996 entscheidend. Besonders in diesen Anfangsjahren spielte Bruno eine zentrale Rolle in der Werkstatt und trug massgeblich zum Erfolg von Radical bei.
In einem exklusiven Gespräch gewährt uns Bruno spannende Einblicke in die Anfänge des Snowboardens, seine persönlichen Highlights und die Entwicklung der Szene über die letzten Jahrzehnte.
Freut euch auf inspirierende Geschichten und Anekdoten aus der Zeit, als Snowboarding noch ein verrücktes Abenteuer war.
Bildunterschrift: Bruno Baeza – Werkstattchef zwischen 1989 – 1996
… Durch einen grösseren Auftrag von Sims fragte mich Mark, ob ich ihn bei diesem Projekt unterstützen könnte …
Bitte stelle dich vor.
Ich bin Bruno Baeza, Jahrgang 1967. Ich bin verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder.
Wann und wie bist du zu Radical gekommen?
1989 kam ich zu Radical. Es begann mit einem grösseren Auftrag für die Snowboardmarke Sims. Mark fragte mich, ob ich ihn bei diesem Projekt unterstützen könnte, da ich bereits mehrere Boards für mich selbst gebaut hatte. Ursprünglich habe ich eine Ausbildung als Installateur gemacht, aber meine Leidenschaft für Snowboards führte mich schliesslich in diese Branche.
Anmerkung: Sims ist eine 1976 von Tom Sims gegründete Firma, die als eine der ersten Skate- und Snowboardmarken gilt und durch innovative Produkte die technische Entwicklung des Snowboardens massgeblich beeinflusste. In dieser Zeit war Sims der coolste Brand auf dem Markt, mit den schönsten Shapes und den besten Brettern. Im Auftrag von Sims fertigte Radical in den Jahren 1989 bis 1992 zahlreiche Snowboards für die Sims-Profifahrer, da die Schweizer zu dieser Zeit den Amerikanern im technischen Know-how überlegen waren. Damals wurden etwa 50% aller Podestplätze auf Boards gewonnen, die von Radical gefertigt wurden – obwohl der Name Radical nicht darauf zu finden war.
Bildunterschrift: Bruno präsentiert stolz ein massgefertigtes Radical Custom Snowboard in leuchtendem Gelb.
Wie war es damals in der Werkstatt?
In dieser Zeit bauten wir vor allem voll-asymmetrische Boards, die kaltgepresst wurden. Die Druckverteilung des oberen Pressdeckels und die ersten Heizmatten, die wir selbst herstellten, stellten eine Herausforderung dar. Alles wurde im Keller der Grossmutter von Mark produziert, was aber erstaunlich gut funktionierte.
Anmerkung: Asymmetrische Snowboards wurden entwickelt, um die Fahreigenschaften speziell für Regular- und Goofy-Fahrer zu optimieren. Heutzutage werden solche Boards kaum noch produziert, da symmetrische Boards einen optimalen Kompromiss für beide Fahrstile darstellen.
Gab es besondere Projekte oder Innovationen, an denen du in deiner Zeit bei Radical gearbeitet hast?
Eines der besonders spannenden Projekte war die Herstellung der ersten Kleinserie von etwa 50 Boards. Dabei standen wir vor der Herausforderung, den gesamten Produktionsprozess so zu optimieren, dass die Herstellung deutlich schneller wurde, ohne dabei auch nur einen Kompromiss bei der Qualität einzugehen. Am Ende gelang es uns, die Serie erfolgreich zu produzieren und dabei die hohen Ansprüche an unsere Boards aufrechtzuerhalten.
Eine weitere bahnbrechende Innovation, die wir einführten, war das sogenannte Cap-System. Hierbei wurde der obere Gurt im Vakuum gepresst, um die empfindlichen Wangen der Boards vor Schäden zu schützen. Doch das erforderte einiges an Einfallsreichtum: Um die nötige Vakuumtechnik umzusetzen, baute ich eine Unterdruckpumpe – und zwar aus einem alten Kühlschrankkompressor.
Anmerkung: Die Cap-Bauweise im Snowboardbau bedeutet, dass der Obergurt seitlich bis zum Untergurt gezogen wird. Dadurch entsteht eine einheitliche, geschlossene Konstruktion, die dem Board mehr Torsionssteifigkeit verleiht.
Torsionssteifigkeit beschreibt die Widerstandsfähigkeit eines Boards gegen Verwindung um seine Längsachse. Ein Snowboard mit hoher Torsionssteifigkeit bleibt auch bei Belastung laufruhig und bietet präzisere Kantenkontrolle, besonders in Kurven oder bei höheren Geschwindigkeiten. Diese Eigenschaft ist entscheidend für Fahrer, die Wert auf Speed, direktes Umkanten und hohe Laufruhe legen.
Was hat sich in der Produktion und im Handwerk seit den Anfangszeiten am meisten verändert?
Vom Aufbau her, vor allem wenn man von einem Sandwich-Produkt spricht, hat sich nicht wirklich viel verändert. Die Grundprinzipien sind gleich geblieben, was auch zeigt, wie gut dieses Konzept von Anfang an war.
Was ich aber wirklich vermisse, ist die Aufbruchsstimmung jener frühen Tage, als der Snowboardsport noch in den Kinderschuhen steckte. Es gab keine festen Regeln, keine etablierten Standards – alles war im Fluss. Jede Idee, jede kleine Verbesserung konnte den Sport ein Stück weit verändern, und oft genug war man der Erste, der etwas völlig Neues ausprobierte. Ob es darum ging, die Druckverteilung zu optimieren, Materialien anders zu kombinieren oder mit innovativen Formen zu experimentieren – es fühlte sich an, als hätte man ständig die Chance, Geschichte zu schreiben.
Anmerkung: Die Sandwich-Konstruktion ist die etablierte Bauweise im Snowboard- und Skibau. Dabei wird ein Holzkern verwendet, der mit einem Ober- und Untergurt mit mehreren Schichten verschiedener Faserstoffmaterialien wie Glasfaser, Carbon, Kevlar, etc verstärkt wird. Diese Schichten werden in einem genau abgestimmten Aufbau übereinandergelegt und mit Epoxidharz fest miteinander verleimt. Das Ergebnis ist ein stabiles, langlebiges und leistungsstarkes Sportgerät, das lange in der Ursprungsform bleibt.
Bildunterschrift: Mark Farner und Bruno Baeza bei einem Grossauftrag für Sims Snowboards, ca. 1990.
Gibt es eine besondere Geschichte aus deiner Zeit als Werkstattchef, die dir immer im Gedächtnis geblieben ist?
Ja, es gibt viele besondere Momente, die mir in Erinnerung geblieben sind. Jeder Tag in der Werkstatt war spannend und brachte neue Herausforderungen mit sich. Eine Geschichte besonders herauszuheben, fällt schwer, denn es war die Summe all dieser Erlebnisse, die die Zeit bei Radical so besonders gemacht hat.
Vom Basteln an neuen Ideen, die noch niemand ausprobiert hatte, bis hin zu den Momenten, in denen wir es geschafft haben, komplexe Produktionsprobleme zu lösen – all das hat mir gezeigt, wie einzigartig diese Anfangszeit war.
Besonders aufregend waren die Momente, in denen wir neue Technologien oder Produktionsprozesse erfolgreich umsetzen konnten, die uns und das Snowboarding weiter voranbrachten.
… Snowboarden spielt nach wie vor eine wichtige Rolle in meinem Leben …
Arbeitest du heute noch handwerklich oder mit Snowboards?
Ja, ich arbeite immer noch handwerklich. Für mich selbst baue ich etwa alle fünf Jahre ein Snowboard. Snowboarden spielt nach wie vor eine wichtige Rolle in meinem Leben – ich bin jedes Jahr etwa 14 Tage auf dem Schnee unterwegs.
Bildunterschrift: Bruno und Werkstattmitarbeiter Thomas Tischhauser präsentieren eine exklusive Kleinserie frisch lackierter Custom Snowboards.
Möchtest Du zum 40-jährigen Jubiläum von Radical eine Nachricht an uns Unternehmen richten?
Ich Persönlich finde das sehr schön, dass es euch nach so vielen Jahren immer noch gibt und hoffe auch das es so weitergeht… ????
Herzlichen Dank für das Interview Bruno!
Bildunterschrift: Bruno Baeza – fertigt auch heute noch alle fünf Jahre ein Snowboard für sich an.
Radical Legends: Unsere Geschichte, erzählt von denen, die sie geprägt haben
Zum 40-jährigen Jubiläum haben wir uns auf eine Reise in die Vergangenheit begeben und einige ausgewählte Radical Legenden aus unserer bewegten Geschichte aufgesucht.
Mit grosser Freude laden wir euch ein, gemeinsam mit uns in die Geschichte einzutauchen und die besonderen Momente wieder aufleben zu lassen. Bis zum Ende des Winters werden wir weitere spannende Gespräche veröffentlichen – also bleibt dran und lasst euch inspirieren!
Warst du von Anfang an dabei oder hast eine Frage? Teile deine Gedanken mit uns – wir freuen uns auf deinen Kommentar!
Der Beitrag Radical Stories: Im Gespräch mit Bruno Baeza, dem ersten Werkstattchef bei Radical erschien zuerst auf Radical Sports AG.