Einfache Gegner
Mit einem Heimspiel gegen den Aufsteiger aus Hamburg startet Borussia in die Bundesliga-Spielzeit 2025/26. Für beide Vereine gilt gleichermaßen: Sehr viel einfacher werden die Aufgaben in den kommenden Monaten nicht werden. Umso wichtiger wäre es für den HSV wie für Borussia, mit drei Punkten einen guten Start zu erwischen, um nicht direkt zu Saisonbeginn schon wieder unter Druck zu geraten.
Zur Erinnerung: In den letzten sieben Bundesligaspielen konnte Gladbach peinliche zwei Punkte ergattern, u. a. gegen Gegner wie Hoffenheim, Kiel, St. Pauli, Wolfsburg und Freiburg. Nicht minder peinlich geriet der Start in die aktuelle Spielzeit mit dem mehr als holprigen 3:2-„Erfolg“ über den Fünftligisten aus Delmenhorst. Zwei der besten Spieler wurden verkauft. Die beiden Ersatzkandidaten werden aller Voraussicht nach verletzt ausfallen (Machino) oder zumindest nur angeschlagen zur Verfügung stehen (Diks).
Mit Blick darauf, dass sich die beiden neuen Hoffnungsträger direkt zu Beginn in die Verletztenliste eingetragen haben, ist es allermindestens als mutig zu bezeichnen, dass sich der Verein jetzt offensichtlich auch noch um einen Giovanni Reyna zu bemühen scheint. Der US-Amerikaner galt vor einigen Jahren als Riesentalent und weckte beim BVB Hoffnungen, in die großen Fußstapfen von Spielern wie Sancho, Bellingham oder Haaland treten zu können. Insbesondere durch ständige Verletzungen wurde Reyna dann aber in seiner Entwicklung gehörig ausgebremst. Im Schnitt war er jedes Jahr rund drei Monate nicht einsatzfähig und konnte so zu keiner Zeit die riesigen Erwartungen an sein Talent erfüllen. Bliebe er einmal für längere Zeit am Stück fit und könnte sich bei einem Verein wie Borussia in Ruhe entwickeln, wäre er für die kolportierten 3-8 Mio. Euro ein echtes Schnäppchen – gerade mit Blick auf die bevorstehende WM 2026 in den USA. Allerdings stellt sich die Frage, wie wahrscheinlich ein solches Szenario ist, das in den vergangenen Jahren für den BVB viermal in Folge nicht aufgegangen ist. Kann es sich Borussia tatsächlich leisten, sein ohnehin knapp bemessenes Budget in einen solchen Risikospieler zu investieren? Gerade mit Blick auf die zahlreichen Baustellen im Kader, auf die wir in unserem Borussen-Check zu genüge hingewiesen habe, ist schon das reine Interesse an einem Spieler wie Reyna als gefährliche Zeitverschwendung zu werten.
Doch zurück zum Spieltag, wo mit dem HSV ein Verein anreist, der aktuell ebenfalls mit einigen Problemen zu kämpfen hat. Die Vorbereitung verlief ebenso schlecht wie der Pokalauftakt, sodass von Aufstiegseuphorie an der Elbe derzeit wenig zu spüren ist. Dies dürfte sich aber mit dem Anpfiff am Sonntagabend ändern, da der Verein sieben lange Jahre auf erstklassigen Fußball warten musste. Ob er diesen am Sonntagabend beim Aufeinandertreffen dieser beiden Krisenklubs wird erleben dürfen, erscheint allerdings fraglich.
2018 verabschiedete sich der HSV am letzten Spieltag mit einem 2:1-Sieg über Borussia aus dem Oberhaus. Ein ähnliches Ergebnis würden sich die Hanseaten bei ihrer Rückkehr ebenfalls wünschen und sie scheinen dies auch anzustreben. So sprach Topstürmer Ransford Königsdörffer bekanntlich davon, das Spiel in Mönchengladbach werde einfacher als jenes in Pirmasens, das erst in der Verlängerung gewonnen werden konnte. Wäre die Welt einfach, so würde der ghanaische Nationalspieler allerdings am Wochenende nicht in den Borussia-Park reisen, sondern gegen AJ Auxerre auflaufen. Sein Wechsel nach Nizza scheiterte am Medizincheck, was zumindest sportlich eine gute Nachricht für den HSV gewesen ist. Königsdörffer gilt nicht nur aufgrund seines Siegtreffers im Pokal als gefährlichster Offensivakteur der Hanseaten. Er dürfte als Einzelkämpfer in einem 3-6-1-System den Sturm besetzen. Mit Poulsen und Glatzel hat Trainer Polzin aber noch zwei torgefährliche Spieler in der Hinterhand, die auf dem Papier ein ähnliches Niveau vorweisen können wie Borussias aktueller Topstürmer Tabakovic. Poulsen und Dompé haben nach ihren Verletzungen noch Trainingsrückstand, weshalb sie voraussichtlich nur als Joker eingeplant werden. Sollten sie eingewechselt werden, ist auf diese beiden Spieler aber nicht minder stark zu achten.
Dies gilt umso mehr, als dass Borussias Defensivprobleme mittlerweile als legendär gelten. Da der Vereine auf dieser Position offensichtlich resigniert hat und keine Anstalten macht, über qualitativ hochwertige Spielerkäufe eine Besserung herbeiführen zu wollen, wird einmal mehr ein torreiches Spiel zu erwarten sein. Denn auch beim HSV ist „sattelfest“ nicht unbedingt der Begriff, der einem mit Blick auf die Defensive als erstes in den Sinn kommt. Polzin ist bemüht, eine Dreierkette um Omari, Elfadli und Torunarigha eingespielt zu bekommen. Mit Daniel Peretz könnte ein Neuling im Kasten stehen, falls der Trainer ihm den Vorzug gegenüber dem bisherigen Stammtorwart Heuer-Fernandez geben wird.
Für eine starke Offensive sollten sich so einige Möglichkeiten ergeben. Sofern Hack seine Form aus der Vorwoche beibehält, Honorat diese rechtzeitig bis Sonntag wiederfindet und sich Tabakovic seiner Torgefahr aus alten Berliner Zeiten erinnert, könnte die Borussen-Taktik an diesem Sonntag aufgehen, am Ende noch ein Tor mehr zu erzielen als die wacklige Defensive hinten zulässt. Gelingt dies allerdings selbst gegen den HSV nicht, wird Borussia gleich im Krisenmodus in die Saison starten und bis zum Transferschluss am 31.08.2025 unter gehörigem Druck stehen, die bisherigen Versäumnisse dieser Transferperiode zu korrigieren.
Seitenwahl-Tipps
Michael Heinen: „Zumindest auf dem Papier startet Borussia erfolgreich in die neue Saison mit einem erneuten 3:2-Erfolg über den HSV. Da das Ergebnis aber einigermaßen glücklich zustande kommt und erneut einige Schwächen offenbart, besteht weiterhin Handlungsbedarf auf dem Transfermarkt.“
Christian Spoo: „Ransford Königsdörffer hatte Recht: Borussia ist für den HSV kein unangenehmerer Gegner als der FK Pirmasens. Dem HSV genügt ein halbwegs solider Auftritt. Borussias Offensive ist ineffizient, die Defensive instabil. Das erste Heimspiel der Saison endet mit einer 1:2-Niederlage.“
Mike Lukanz: „Ich erwarte eine schwierige Saison. Das heißt aber nicht, dass sie schwierig beginnen muss. Ein Auftaktspiel zu Hause ist gut, ein namhafter Gegner mit vielen Fans gibt den würdigen Rahmen. Willkommen zurück in der Bundesliga, lieber HSV! Begrüßt werdet Ihr allerdings mit einer 1:2-Niederlage gegen unsere Borussia.“
Michael Oehm: „Gefühlt der Krisengipfel der Bundesliga gleich zum Auftakt. Hüben wie drüben herrscht Weltuntergangsstimmung. Das passende Ergebnis: ein 0:0.“
Claus-Dieter Mayer: „Der HSV wird nicht viele Auswärtssiege einfahren in dieser Saison. Noch seltener werden ihm dabei gleich 3 Tore gelingen. Die Borussendefensive wird bei der 2:3 Niederlage am Sonntag großzügig sicherstellen, dass die Hanseaten eine gelungene Rückkehr in die Bundesliga feiern dürfen.“