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Gute Arbeit, guter Lohn

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Es war dieser Moment in der Nachspielzeit, in dem die meisten der gut 52.000 Zuschauerinnen und Zuschauer noch einmal einen gewaltigen Stresstest zu bewältigen hatten. Stefan Lainer hatte den Leipziger Benjamin Sesko kurz vor dem Strafraum gefoult und Schiedsrichter Tobias Stieler zurecht auf Freistoß für RB entschieden. In sehr aussichtsreicher Position. Sollten sich alle Mühen des Tages am Ende nicht gelohnt haben, weil Xavi ihn reinmacht? So deutlich wie das kollektive Luftanhalten vor dem Schuss dann der kollektive Jubel nach dem Xavi beim Freistoß den Ball weit über das Tor und sich selbst auf den Hintern gesetzt hatte. Statt mit dem späten Ausgleich verabschiedete sich RBL mit einer Slapsticknummer aus dem Borussia-Park. Der Rest: Große Freude. Borussia hat nach zwei Heimniederlagen wieder zuhause gewonnen, einen direkten Konkurrenten verdient geschlagen, sich zumindest für eine Nacht auf den Europa-League-Platz geschoben und vor allem eine reife Leistung gezeigt.

Drei Personalien standen vor der Partie im Vordergrund, jede davon angetan, die Anhänger von Borussia in Unruhe zu versetzen. Zum einen der unerfahrene junge Mann im eigenen Tor, dann der Ausfall von Tim Kleindienst, den Trainer Gerardo Seoane mit der Aufstellung von Tomas Cvancara auf der Mittelstürmerposition zu kompensieren gedachte und dann noch Tobias Stieler, ein Schiedsrichter, mit dem Borussia in der Vergangenheit recht konsequent schlechte Erfahrungen gemacht hat.

Nach der Partie darf man sagen, dass die Befürchtungen großenteils nicht hätten sein müssen. Stieler leitete die Partie fehlerfrei, ließ großzügig laufen, wovon durchaus auch die Gladbacher profitierten und zeigte in den richtigen Momenten Strenge.

Die Aufstellung von Tomas Cvancara war wohl alternativlos, solange Seoane das gewohnte System nicht verändern wollte. Der Tscheche war sehr bemüht, ackerte 94 Minuten lang bis zur Entkräftung und agierte doch – naja – unglücklich. Fußballerisch gelang Cvancara nicht viel, das Zusammenspiel mit Plea und Hack blieb Stückwerk und die Flanken von Franck Honorat kamen nie zu 100 Prozent da hin, wo Cvancara den Ball gebraucht hätte – und er ist halt am Ende des Tages kein Kleindienst. Am Ende des Spiels, wo es an Cvancara gewesen wäre, den Ball mal in der gegnerischen Hälfte zu halten, um etwas Entlastung zu schaffen, war er schlicht am Ende seiner Kräfte.

Tiago Pereira Cardoso spielte in seinem dritten Bundesligaspiel zum dritten mal zu Null und Zahlen lügen nicht. Erneut profitierte der junge Luxemburger von einer grandiosen Leistung seiner Vorderleute, die sich offensichtlich aus Gründen des Welpenschutzes noch einmal besonders ins Zeug legen, wenn Cardoso im Tor steht. Was er halten musste, hielt Cardoso. Ein-zweimal hatte er zudem Glück, dass in den Dosen des Leipziger Konzerns zwar allerlei ekliges Zeug ist, darunter allerdings offenkundig kein Zielwasser. Cardoso war mehr als zuvor ins Spiel einbezogen, die Verteidiger scheuten sich nicht mehr, ihn in den Aufbau einzubeziehen und der Torwart machte dabei eine gute Figur. Auch seine Abschläge waren ordentlich, teilweise durchaus auch mit einer Idee, wo der Ball hinsoll und einmal, in der Not, mit Absicht und durchaus vernünftig, auf die Tribüne. Etwas Amüsant aber angesichts des knappen Spielstandes durchaus nicht doof war Cardosos Angewohnheit, sich mit jedem gefangenen Ball erst einmal auf den Bauch zu werfen und dort ein wenig mit der Beute zu kuscheln. Gelegentlich hörte man um Publikum die Worte „Tim“ und „Wiese“, aber Cardoso kuschelte intensiv genug, als dass der Ball blieb, wo er war.

Von den genannten Personalien abgesehen zeigte Borussia eine reife Leistung. Über die komplette Spielzeit agierte die Mannschaft seriös gegen den Ball, optisch war Leipzig über die ganze Partie gesehen, die überlegene Mannschaft, konnte aus 60 Prozent Ballbesitz und guter Passquote aber nichts machen. Die Zahl der Chancen, bei denen man als Borussen-Sympathisant die Luft anhalten musste, war mehr als überschaubar. Vom erwähnten Freistoß kurz vor Schluss abgesehen, ging der Puls höchstens dreimal etwas hoch. Der Defensivverbund stand felsenfest, die Innenverteidiger Nico Elvedi und Ko Itakura verdienten sich Note eins mit Sternchen. Rocco Reitz und Julian Weigl waren fast ausschließlich defensiv gefordert und stellten sich dieser Aufgabe mit allem gebotenen Ernst, Joe Scally machte bis zu seinem verletzungsbedingten Aus ein sehr starkes Spiel. Und auch die Offensivkräfte machten nach hinten engagiert mit.

Nach vorne ging überschaubar viel, dennoch war Borussia das Team mit den deutlich größeren Chancen. Neben dem Tor des Tages gab es drei Pfostentreffer, zweimal durch den Torschützen Alassane Plea, einmal durch einen Kopfball von Nico Elvedi.

Der neben Reitz zweite Comebacker, Franck Honorat, hatte im ersten Durchgang noch deutliche Anpassungsprobleme, kam später aber besser ins Spiel und war entscheidend am einzigen Tor beteiligt – durch die Chance, die zur Ecke führte, die er wiederum selbst ausführte, kurz zu Hack passte, der den Ball in den Strafraum zu Itakura flankte, dessen Schuss der Leipziger Torwart nur abklatschen konnte, so dass Plea mühelos einköpfen konnte.

Positiv auch, dass eine Systemumstellung durch Gerardo Seoane nicht zur befürchteten Konfusion sondern tatsächlich zur Stärkung der Defensive beitrug. Die Umstellung auf Dreier- / Fünferkette funktionierte. Fabio Chiarodia passte sich dem hohen Niveau seiner Nebenleute problemlos an und Borussia war derart in der Defensive gefordert, dass der unfreiwillige Wechsel Scally/Lainer kurz danach ohne Folgen für die Statik blieb.

Ein bisschen Entlastung in den letzten Minuten hätte, will man das Haar in der Suppe suchen, den nervösen Zuschauerinnen und Zuschauern ganz gut getan. So allerdings erlebte der Borussia-Park einen der leider seltenen Momente, in denen sich gegen Ende des Spiels – die Chance auf den Sieg witternd – das Publikum fast komplett von den Sitzen erhob und auch Menschen, die sonst allenfalls den Refrain von „Die Seele brennt“ vor dem Spiel mitbrummen, aus vollem Halse „Mönchengladbach olé“ skandierten. Ein schönes Gefühl, das mit dem Schlusspfiff nahtlos in Jubel überging.

So groß war die Freude über den Heimsieg, dass fast niemand mehr einen Gedanken an den akkurat rasierten smarten Herrn auf der Leipziger Bank verschwendete. Versuche zweier Seitenwahl-Redakteure, in ihren jeweiligen Blöcken „Rose raus“-Chöre zu initiieren, versandeten komplett. Mehr als ein zustimmendes Grinsen konnten die beiden älteren Herren nicht ernten. Dabei hatten sie ein exzellentes Gespür für die Dinge, die tags drauf verkündet werden würden. Stell Dir vor, Borussia schießt die Ich-AG aus Probstheida aufs Arbeitsamt und keinen juckts. Dass das so ist, spricht dafür, dass wir das Trauma der späten Eberl-Jahre langsam aber sicher tatsächlich überwunden haben. Und das ist vielleicht die beste Nachricht nach diesem fordernden Spiel.

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