Fahrradfahren
News melden
Nachrichten

Hausbesuch bei Leatt: Wenn der Crashtest-Dummy durchs Labor rauscht

Die Firma Leatt kennt ihr vermutlich schon seit einigen Jahren – insbesondere durch das mittlerweile enorm gewachsene Sortiment an Schutzkleidung, Helmen und Bekleidung. Doch nach wie vor ist vorrangig das erste und gleichzeitig wichtigste Produkt bekannt: das Leatt Neck Brace. Wie bei „Tempo“ für Taschentücher wurde auch das „Leatt Brace“ nahezu zum Synonym für Nackenstützen und hat sogar einen eigenen Wikipedia-Eintrag. Wie die Firma entstanden ist, warum es überhaupt eine Nackenstütze gab und was ein gigantisches Pendel mit Schutzwirkung zu tun hat, erfahrt ihr im Hausbesuch.

Wir haben die Firma in Kapstadt in Südafrika besucht – in Kombination mit unserer diesjährigen Cape Epic-Berichterstattung, die wir praktisch zeitgleich realisieren konnten.

[toc]

Im Video: Hausbesuch bei Leatt in Südafrika

Hausbesuch bei LEATT ???????? Die Erfinder der Neck Brace
Wir benötigen deine Zustimmung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Youtube-Inhalt anzuzeigen. Mit dem Klick auf das Video erklärst du dich damit einverstanden, dass dir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.

Wie schützt man sich vor Genickbrüchen? Wie alles anfing

Leatt hat seinen Hauptsitz direkt in Kapstadt, Südafrika, und ist mittlerweile ein umfangreicher Anbieter von Halbschalen- und Integralhelmen, Bekleidung und Schutzausrüstung wie Knie- und Ellbogenprotektoren bis hin zu Schuhen und neuerdings auch Komponenten wie Pedalen und Lenker (Leatt Ceramag). Das Portfolio deckt dabei nicht nur den Gravity Mountainbike-Bereich ab, sondern reicht bis in den Cross-Country- und natürlich den Enduro- und Motocross-Sport, aus dem Gründer Chris Leatt ursprünglich stammt.

# Willkommen bei Leatt – unweit der Weinberge rund um den Cape Epic-Start 2025 befindet sich das Hauptquartier der südafrikanischen Firma.
Diashow: Hausbesuch bei Leatt: Wenn der Crashtest-Dummy durch das Labor rauscht
Diashow starten »
# Motorradstiefel und …
# … diverse Trophäen und wichtige Produkte der Firmengeschichte begrüßen im Empfangsraum.
# Einen Kicker haben viele Firmen irgendwo stehen, aber …
# … wie sieht es mit Motocross-Maschinen aus?
# Wer mag, kann sich hier eine der firmeneigenen MX-Maschinen ausleihen, die fahrbereit auf einem Anhänger geparkt sind.

Leatt war die allererste Firma, die die Idee zu solch einer Nackenstütze hatte – und das ist mittlerweile über 20 Jahre her. Der Ursprung dieser Innovation war ein tragischer Vorfall, den Gründer Dr. Chris Leatt selbst erlebte. Chris fuhr damals leidenschaftlich gerne Enduro-Motorradrennen in Südafrika, bei einem Rennen stürzte ein Bekannter von ihm schwer. Er versuchte damals noch, dem Verletzten zu helfen – leider erfolglos. Die spätere Autopsie bestätigte, dass Chris’ Freund an einem doppelten Genickbruch verstarb.

# Dr. Chris Leatt demonstriert die Funktion des Produkts, mit dem alles begann.

Seinem Sohn wollte Chris das Motorradfahren erst erlauben, wenn er eine Lösung entwickelt hatte, um solche Verletzungen zu verhindern oder zumindest zu mindern. Dies war nicht nur der Startpunkt für die Entwicklung des Leatt Braces, sondern zugleich die Geburtsstunde des Unternehmens, das er zunächst als Platzhalter nach seinem Nachnamen benannte – und schlussendlich einfach dabei blieb.

Being a father, I really wanted to stop my son from riding until I had found a solution.

Dr. Chris Leatt

So ging es also an die Arbeit, einen Nackenprotektor zu entwickeln. Die ersten Prototypen des Leatt Braces waren handgefertigt – zuerst viel Schaumstoff, dann laminiert mit Glasfaser und mit Techniken aus dem Bootsbau, geschliffen und lackiert. Aus labbrigen Prototypen wurden die heute bekannten Hightech-Produkte aus Komposite-Werkstoffen und Carbon. Mittlerweile ist der Leatt Brace eines von sehr vielen Leatt-Produkten rund um den Protektoren-, Bekleidungs- und Komponentenbereich.

# Das Ursprungsprodukt war weder technisch ausgereift noch besonders hübsch – aber man erkennt, was es mal werden sollte.
# Der erste „richtige“ Leatt Brace-Prototyp wurde mit Fiberglas gefertigt.
#
#
# Und so sieht der hochmoderne Leatt Brace von heute aus.
#
# Im Workshop befindet sich neben einer Werkbank auch eine kleine Arbeitsstation sowie ein kleiner Lackier-Raum.
# Die „Rumpelkammer“.
#
#
#
#

Die Entwicklung: Wie entsteht ein Leatt-Produkt?

Rund 30 Personen arbeiten bei Leatt in Südafrika. Im Großraumbüro vor Ort finden vorwiegend die Produktentwicklung und das Marketing statt, insbesondere im Bereich Schutzprodukte. Zusätzlich gibt es in Kanada drei Produktmanager sowie sechs weitere in Europa. Letztere konzentrieren sich stärker auf Bekleidung, Schuhe und Handschuhe. Und wie werden nun neue Produkte bei Leatt entwickelt? Ein Beispiel für einen solchen Prozess zeigen wir euch am Beispiel eines neuen Oberkörper-Protektors für Frauen, den uns Mitarbeiterin Skye zeigt.

Skye arbeitet bei Leatt als Industrie-Designerin, zeichnet unter anderem für Oberkörper-Protektoren verantwortlich und demonstriert uns ihren Schaffensprozess an der aktuellen neuen Damenlinie.

# Jede Menge Plätze im üppigen Großraumbüro.
# Kein gestelltes Bild – hier läuft während des Cape Epics grundsätzlich die aktuelle Etappe. Leatt ist Sponsor des Speed Company Racing Teams.
# Ein ganz normaler Arbeitsplatz.

I do all of the chest and body protectors. What I’m working on at the moment is a lady specific range.

Skye, Industriedesignerin bei Leatt

Der Prozess beginnt mit der Entwicklung einer Basiskontur; einer Form, die ergonomisch möglichst vielen Körperformen passt. Dabei helfen präzise 3D-Scans aus dem Rechner. Anhand dieser Kontur werden die Komponenten designt, schick gemacht und ein erster Prototyp im 3D-Drucker erstellt.

# Skye erklärt uns den Prozess ihres aktuellen Projekts.
# Zunächst werden auf Basis von 3D-Scans die entsprechenden Renderings erstellt.
# Dieser Protektor für Passformtests ist 3D-gedruckt.
# Diese Struktur soll für den Schutz sorgen.
#

Bevor es zu einem funktionsfähigen Modell kommt, werden umfangreiche Passformtests in verschiedenen Größen durchgeführt – wie genau das am Modell aussieht, seht ihr unten im Kapitel. Wenn das Ergebnis überzeugt, wird das Werkzeug zur Serienfertigung produziert und die Prototypen gebaut. Nun kann es mit Tests weitergehen: Passform in Aktion, Crash-Tests und mehr. Wenn alle Kriterien erfüllt sind, wird das Produkt zur Produktion freigegeben.

3D-Druck bei Leatt: vom digitalen Modell zur realen Form

Um solche Produkte als Passform- und Ansichtsmodelle zu produzieren, besitzt Leatt im Hauptsitz eine ganze Reihe von 3D-Druckern, die je nach Anwendung mit verschiedenen Technologien arbeiten. Dabei vertrauen die Leatt-Mitarbeiter auch in Sachen Helmen nicht nur auf digitale CAD-Modelle, denn Haptik und Optik lassen sich am besten mit physischen Modellen beurteilen. Ein Problem dabei: mal eben einen ganzen Helm drucken dauert Tage. Wie Leatt das Problem löst?

# So! – statt einem Helm in Originalgröße wird ein Modell in 60% der Größe gedruckt.

Erste Modelle werden erst mal in verkleinertem Maßstab gedruckt, ein Helm zum Beispiel in 60 % der Originalgröße. So kann das Team Design-Entscheidungen innerhalb eines Tages bewerten und verbessern, bevor es an die richtige Größe geht.

On the computer, it’s difficult to get a feel for the physical field. It’s always better to have a model in hand.

Dr. Chris Leatt

Passt das verkleinerte Modell schließlich in Optik und Form, wird es in Originalgröße final erneut gedruckt, damit auf Basis dessen die Entwicklung voranschreiten kann. Nun geht es an die Funktionstests: Polster, 360 Turbines, Goggles und andere Zubehörteile werden integriert und angelegt, um sicherzustellen, dass nun auch die Technik mit dem Design zusammenspielt.

# Wenn die kleine Variante abgenickt ist, kommt ein Modell in Originalgröße.
# Das Funktionsmodell verfügt auch über sämtlichen Zubehörteile, die verbaut werden können.
#

Erst digital crashen, dann im Labor

Tests sind ein zentraler Bestandteil bei Leatt, sowohl digital als auch physisch. Der erste Schritt beginnt am Computer mit komplexen Simulationsprogrammen, die Unfallszenarien analysieren und die richtigen Crash Tests im Labor ergänzen. Dabei lassen sich Aufprallwinkel, Kräfte und Rotationen exakt nachbilden – angesichts der mittlerweile jahrelangen Erfahrung von Leatt im Protektoren-Bereich ein hilfreiches und präzises Instrument. Zwar kann man sich nicht auf Simulationen alleine verlassen, diese helfen laut Leatt aber, neben Geld primär ordentlich Zeit in der Entwicklung zu sparen.

# Jaco van Niekerk von Leatt erklärt uns mithilfe dieses Modells, wie er die Testsimulationen am Rechner steuert.
# Das sieht nicht gesund aus – hilft aber, die Wirkungsweise des Helmes besser zu verstehen.
#
#

Neben den Tests einzelner Komponenten werden auch digitale Crashtest-Dummys in den Analysen eingesetzt, bei denen die Nackenbelastung beim Aufprall geschätzt werden kann. So lässt sich untersuchen, wie sich neue Helmtechnologien auf den Kopf und Körper auswirken und wie stark Kräfte vom Kopf auf den Nacken übertragen werden.

Wir können uns nicht nur auf Simulationen verlassen, aber sie spart Zeit und Geld – und verhindert, dass wir zu früh Werkzeuge anfertigen müssen.

Leatt Entwicklungsabteilung

Einer der Test-Dummies, die verwendet werden, ist der „Hybrid-III-Test-Dummy“ – und das ist derselbe Dummy, der auch im Labor vorgeschrieben ist. So können Simulation und physische Tests direkt miteinander verglichen werden.

Basierend auf diesen Simulationen wird anschließend im hauseigenen Testlabor weitergearbeitet und es geht an die richtigen Tests. Zwar ist das Labor eher klein, beinhaltet aber die wichtigsten Testaufbauten, die von Leatt benötigt werden. Neben vielen kleinen Stationen befindet sich hier auch das Herzstück des Labs, das gleichzeitig auch die erste Teststation überhaupt war: das „Neck Brace Test Rig“, ein Pendelprüfstand mit eingebautem Dummy.

Dieser 77 kg schwere (und somit laut Leatt einem typischen Unfallprofil entsprechenden) Test-Dummy ist ausgestattet mit Gyroskopen und Beschleunigungssensoren im Kopf sowie Sensoren im Schlüsselbein sowie im Brust- und Rückenbereich. Außerdem kann der Dummy mit unterschiedlichen Hälsen (motorradspezifisch und automobiltypisch) ausgestattet werden.

# Willkommen im Lab!
# Dieses gelbe Pendel bildet das Herzstück des Labors ab.
# Der Crashtest-Dummy ist …
# … mit allerlei Sensoren bestückt, die alle wichtigen Daten aufzeichnen.
# Der Test ist einfach und gut wiederholbar – Der Dummy wird hochgezogen und prallt dann in einem definierten Winkel gegen ein festes Hindernis.
# Der Aufprall in mehreren Schritten.

Die bisherigen Tests zeigen, dass Nackenstützen das Risiko von Schlüsselbeinbrüchen um ca. 45 % reduzieren können.

Leatt Lab
#
#
# Die Beine dazu sind übrigens auch noch da – ordentlich geparkt.
# Auch ein Falltest findet sich im Labor. Hierfür wird der Helm zunächst arretiert …
# … festgeklebt …
# – und bis ganz nach oben gezogen.
# Im Anschluss knallt er auf einen von verschiedenen standardisierten Keilen.
#
# Diese Keile können entsprechend ausgewechselt werden.
# So können die Testparameter aussehen.
# Alle Auswertungen können direkt im Lab stattfinden.
# Zudem befinden sich nicht nur Sensoren am Dummy, auch eine Highspeed-Kamera zeichnet die Tests auf.
# Neben diesen beiden Aufbauten finden sich noch viele andere Testapparaturen im Lab.
# Hier kann beispielsweise das Protektormaterial analysiert werden.
# Auch für den Motocross-Bereich gibt es Testmöglichkeiten.
# Sowohl für Schuhe als auch für die stabilen Protektoren.
#

Im firmeneigenen Lager befinden sich zahlreiche Helme, Protektoren und Nackenstützen anderer Hersteller. Leatt testet nämlich regelmäßig Konkurrenzprodukte mit. Nicht nur zur Qualitätssicherung, sondern auch zur gezielten Weiterentwicklung der eigenen Produkte.

# Im Lager befinden sich viele Konkurrenzprodukte.
#
#

Neben Schutzwirkung spielt auch die schon erwähnte Passform bei Leatt eine zentrale Rolle. Hierfür gibt es einen eigenen Bereich mit unzähligen Torsos und Mannequins vom Kleinkind bis zum Erwachsenen, von schlank bis eher kräftig in verschiedensten Varianten. So wird geprüft, wie Helme, Protektoren und Kleidung auf verschiedenste Körperformen passen. Mit seiner schieren Masse beeindruckend ist das interne Lager für Oberkörper-Protektoren: Zwischen 300 und 400 Musterstücke hängen auf Kleiderständern, die alle für wiederholte Passformtests verfügbar sind. Ein weiteres Testlabor speziell für Protektoren befindet sich direkt nebenan.

# Ein großes Lager für Protektoren jeglicher Art befindet sich im gleichen Raum.
# Körpermodelle in verschiedenen Größen und Formen.
#
#
#
#
#

Medienproduktion aus eigener Hand

Egal, ob Produktvideos, Erklär-Clips oder High End-Fotos der neuen Klamotten: Die komplette Medienproduktion der südafrikanischen Firma findet im eigenen Haus statt. Neben den Produktfotos liefert dabei der Standort Kapstadt an sich praktischerweise perfekte Voraussetzungen: Die Landschaft drumherum ist atemberaubend und bietet gewissermaßen ganzjährig perfekte Fotokulissen – siehe auch Cape Epic, dessen Start gerade einmal zehn Minuten vom Leatt-Hauptquartier stattfand. Den besten Beweis für einen idealen Foto-Standort lieferte dabei eine bekannte Komponentenfirma aus Deutschland, die während unseres Besuchs ebenfalls in Südafrika für Fotos weilte.

Drei Studios stehen Leatt zur Medienproduktion zur Verfügung: ein Produktvideo-Studio, ein Bekleidungsstudio für Ganzkörper-Aufnahmen sowie ein Fotostudio für Produktshots und Makro-Aufnahmen. Das Hauptstudio ist zugleich Materiallager für kommende Kollektionen. Die Aufnahmen werden direkt gesichtet, bearbeitet und für den Einsatz vorbereitet.

# Im Videostudio wird gerade ein neuer Clip eines Helms vorbereitet.
#
#
# Basti / @illstuff ist, wie er sagt, „Marketing-Futzi” bei Leatt und erklärt im Video die Einzelheiten.
# Das Fotostudio für Produkte ist groß und beherbergt nicht nur die die Ecke für die Fotoproduktion …
# … sondern auch unzählige Bekleidungsmuster.
#
#
# Auch Makro-Aufnahmen werden hier erstellt.
# Diese können direkt am Rechner überprüft und angepasst werden.
# Das sind nicht Daft Punk, sondern zwei Modelle im großen Foto-Bereich für die Ganzkörperaufnahmen.
# Hier gibt es viel Platz für mehrere Personen – von Moto bis Trail wird hier alles fotografiert.
#
#
# Das zweistöckige Gebäude ist in zwei Bereiche aufgeteilt – oben Foto- und Bürobereiche, unten Test und Entwicklung.
# Das war's von Leatt!

Und damit schließen wir unseren Besuch bei Leatt ab – vom digitalen Prototyp bis hin zur final fotografierten Jacke passiert praktisch alles direkt in Südafrika.

Wie hat dir der Hausbesuch gefallen? Schreib es in die Kommentare!


Interessant? Hier findest du weitere Hausbesuche und Blicke hinter die Kulissen bei zahlreichen Unternehmen der Bikebranche. Die fünf letzten Hausbesuche:

Comments

Комментарии для сайта Cackle
Загрузка...

More news:

Read on Sportsweek.org:

Grüne Hölle-Freisen
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Andere Sportarten

Sponsored