Cane Creek Tigon-Dämpfer im Test: Was kann der Coil-Luft-Hybrid?
Cane Creek Tigon Test: Der Cane Creek Tigon soll die Vorteile eines Stahlfeder-Dämpfers mit denen eines Luft-Dämpfers vereinen. Wir haben den Hybrid-Dämpfer für euch ausprobiert. Hier gibt’s den Test.
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Cane Creek Tigon: Infos & Preise
Der Cane Creek Tigon ist nicht einfach ein gewöhnlicher Stahlfeder-Dämpfer von der Stange, sondern genau wie sein Namensgeber ein Hybrid. Statt wie beim lebendigen Tigon Gene von Löwen und Tigern zu vermischen, hat Cane Creek beim Dämpfer allerdings die Vorzüge von Luft und Stahlfeder miteinander verschmolzen. Neben der herkömmlichen Stahlfeder verfügt der Tigon nämlich über eine sogenannte Ramp Tube. Diese soll es ermöglichen, die Progression und den Gegenhalt im mittleren Federwegsbereich einzustellen. Dadurch soll man vom feinfühligen Ansprechverhalten eines Coil-Dämpfers profitieren können, ohne dabei auf die Einstellbarkeit und den Support eines Luftdämpfers verzichten zu müssen.
Preislich liegt der in den gängigen Einbaumaßen erhältliche Dämpfer bei rund 900 €. Unser Testmodell mit 230 mm x 62,5 mm Einbaumaß bringt ohne Feder 438 g auf die Waage.
- Hybrid-Dämpfer mit Stahlfeder, Twintube-Dämpfung und Ramp Up-Chamber
- Einstellbarkeit Lowspeed Compression / Highspeed Compression / Lowspeed Rebound / Ramp Tube / Climb Switch
- Gewicht 438 g (ohne Stahlfeder)
- www.canecreek.com
- Preis (UVP) 899,99 €
Im Detail
Der besondere Clou am Cane Creek Tigon ist die sogenannte Ramp Tube. Diese umschließt den Dämpferkolben, sitzt also im Inneren der Stahlfeder. Das soll neben der erhöhten Einstellbarkeit auch mehr laterale Stabilität und Steifigkeit mit sich bringen. Hiervon sollen vor allem Mountainbikes mit Dämpferverlängerung profitieren, da durch diese Bauweise höhere Querkräfte auf den Dämpferschaft wirken können, was zu Beschädigungen führen kann.
Die Ramp Tube wird ganz klassisch mithilfe einer herkömmlichen Dämpferpumpe auf einen Druck von 0 bis 30 psi aufgepumpt. Durch das Befüllen der Luftkammer können die Progression des Dämpfers sowie der Gegenhalt im mittleren Federwegsbereich eingestellt werden. Dadurch soll der Cane Creek Tigon bei Bedarf bis zu 35 % mehr Progression als ein herkömmlicher Stahlfeder-Dämpfer bieten.
Doch die Ramp Tube ist natürlich nicht das Einzige, was man am Cane Creek Tigon einstellen kann. Selbstverständlich setzt auch der Tigon auf Cane Creeks ikonische Twin Tube-Dämpfung. Hier lassen sich die Lowspeed und Highspeed-Druckstufe sowie der Lowspeed-Rebound extern und umfangreich verstellen. Darüber hinaus ist auch ein Climbswitch-Hebel mit von der Partie. Dieser soll ein mögliches Wippen des Dämpfers im Uphill unterdrücken.
Während der Climbswitch-Hebel und die Highspeed-Compression bequem per Hand eingestellt werden können, ist zum Einstellen der Lowspeed Compression und des Rebounds ein 3 mm Inbus nötig. Praktischerweise ist dieser direkt in den Dämpferkörper integriert und wird dort magnetisch an Ort und Stelle gehalten.
Cane Creek montiert den Tigon direkt am Standort in den USA und gewährt auf den Dämpfer eine Garantie von zwei Jahren. Der Tigon ist in allen im Enduro-Segment gängigen Einbaumaßen erhältlich.
Auf dem Trail
Montage und Setup
Für den Test habe ich den Cane Creek Tigon in meinem Orbea Rallon-Enduro-Bike montiert – dem Vorgänger der aktuellen Version. Um auf den nötigen Negativfederweg zu kommen, kam zu Anfang des Tests eine 400er-Stahlfeder zum Einsatz. Im späteren Testverlauf habe ich dann auf eine minimal weichere Feder zurückgegriffen. Praktischerweise verfügt der Dämpfer über einen gelaserten Sag-Indikator, der den Einstellprozess erleichtert.
Doch auch abgesehen von der Federhärte gibt es einige Knöpfchen zu drehen. Neben dem Rebound sind nämlich auch die High- und Lowspeed-Druckstufe extern einstellbar. Der Verstellbereich fällt hier angenehm großzügig und gut nutzbar aus, sodass der Dämpfer gut zu einer Vielzahl an Bikes passen sollte. Die Klicks sind zudem gut spürbar. Mit einem Orbea Rallon fand ich mich eher im offeneren Spektrum der Dämpfung wieder, was auch an der recht hohen Grunddämpfung liegt.
Erwähnenswert ist dabei, dass die Lowspeed-Compression und der Rebound lediglich per 3 mm Inbus eingestellt werden können. Praktischerweise hat Cane Creek diesen allerdings direkt in den Dämpfer integriert, wo er magnetisch an Ort und Stelle gehalten wird. Durch die asymmetrische Rahmenkonstruktion des Rallons lässt sich der Inbus bei diesem speziellen Rad aber leider nicht aus seiner Parkposition ziehen, was etwas schade ist.
Last but not least musste noch die absolute Besonderheit und das Alleinstellungsmerkmal des Tigons eingestellt werden: die Ramp Tube. Hier kann per Dämpferpumpe bis zu 30 psi Luft eingefüllt werden. Für den Test bin ich bei den jeweiligen Extremen 0 und 30 psi gestartet und schlussendlich – je nach Trailbedingungen – bei circa 10 psi gelandet.
Um den Testeindruck weiter zu diversifizieren, hat im Anschluss mein Kollege Chris den Tigon in einem Nox Amplifier P2 E-Bike getestet. Hier hatte er aufgrund der linearen Hinterbau-Kinematik regelmäßig mit Durchschlägen bei großen Stufen zu kämpfen. Durch die zusätzliche Ramp Tube-Luftfeder konnte er hier von einer 600er- auf eine 550er-Feder wechseln.
Testeindruck
Auf dem Trail überzeugt der Tigon dann mit einem wirklich feinen Ansprechverhalten – genau wie man es von einem Stahlfeder-Dämpfer erwartet. Hier gibt’s mehr als ausreichend Komfort und Traktion. Besonders wird es aber erst, wenn man etwas weiter in den Federweg eintaucht. Hier kommen nämlich die Eigenschaften der zusätzlichen Luftfeder zum Tragen. Diese greift im Vergleich mit anderen Bottom Out-Systemen deutlich früher ein und ist dementsprechend weit mehr als einfach nur ein Durchschlagschutz.
Während der Hydraulik Bottom Out des RockShox Super Deluxe, den ich zuvor im Rallon gefahren bin, erst im letzten Bereich des Federweg eingreift, geht es beim Cane Creek deutlich früher los. Dementsprechend fühlen sich die beiden Herangehensweisen auch spürbar unterschiedlich an. Bei RockShox gibt es einen eher abrupten kurzen und sehr starken Anstieg im Gegenhalt, während der Tigon den Fahrer mit einer schon früh einsetzenden, aber dafür sanfter ansteigenden Progressionskurve versorgt.
Dadurch profitiert man auch bei mittleren Schlägen bereits von mehr Gegenhalt und Support durch den Dämpfer. Mit befülltem Ramp Tube steht das Bike höher im Federweg und fühlt sich insgesamt spürbar energetischer an. Die zusätzliche Luftfeder sorgt vor allem mit viel Druck für ein poppigeres Fahrgefühl. Und natürlich werden harte Landungen und andere G-Outs gut weg gefedert, ohne dass man sich danach über Knöchelschmerzen ärgern muss. Harte Bottom-Outs gehören so der Vergangenheit an.
Dies alles macht den Tigon zu einer idealen Option, falls man gern einen Stahlfeder-Dämpfer fahren möchte, das eigene Bike allerdings nicht über genug Progression verfügt. Auch wer Probleme mit einem wegsackenden Dämpfer hat, aber nicht auf ein gutes Ansprechverhalten verzichten will, sollte sich den Tigon mal genauer anschauen, da der zusätzliche Support effektiv für Abhilfe sorgen kann.
Allerdings ist die Ramp Tube definitiv kein Allheilmittel: Bei unserem Nox Amplifier-Testbike hatte Chris aufgrund fehlender Hinterbau-Progression Probleme mit Durchschlägen bei größeren G-Outs. Um dem vorzubeugen, war er im ursprünglich verbauten Fox DHX2 mit einer eigentlich etwas zu harten Feder unterwegs. Hier konnte der Tigon die Symptomatik definitiv lindern. Mit dem Tigon konnte er auf eine 50 lbs weichere, besser passende Feder wechseln. Trotz der weicheren Feder lieferte der Tigon deutlich mehr Support. Durchschläge wurden durch die Ramp Tube allerdings nicht gänzlich eliminiert, veränderten aber ihren Charakter und fühlten sich deutlich dumpfer und stärker gedämpft an. Eine coole Detailverbesserung ist die zusätzliche Luftfeder allerdings auf jeden Fall.
Bei meinem Testrad, dem Orbea Rallon, war die zusätzliche Progression des Tigons ehrlicherweise nicht wirklich nötig. Allerdings kann der Dämpfer durch die Einstellbarkeit des Ramp Tubes auch hier einen echten Mehrwert bieten. Je nach Trailbedingungen oder Charakter kann man schnell mehr oder weniger Luft auf den Dämpfer geben und hat so ein für einen Stahlfeder-Dämpfer sehr variables Paket im Petto. Für flowige und sprunglastige Flowtrails wird fix die Ramp Tube befüllt und man profitiert im Handumdrehen von mehr Gegenhalt, Pop und natürlich zusätzlicher Endprogression.
Doch auch abseits des Ramp Tubes macht der Cane Creek Tigon eine gute Figur. Die Dämpfung verfügt wie bereits erwähnt über einen breiten und sinnvoll nutzbaren Einstellbereich und gibt eine angenehme Kontrolle, ohne dabei harsch zu wirken. Und auch bergauf leistet sich der Tigon dank Climbswitch-Hebel keine Blöße. Allerdings benötigte es etwas Eingewöhnungszeit, bis ich diesen im Fahrbetrieb zuverlässig auf Anhieb einlegen konnte. Dieser versteckt sich nämlich ein klein wenig hinter dem Luftventil und ist nicht ganz intuitiv zu erreichen.
Außerdem bringt der Tigon durch die Ramp Tube mehr Stabilität für Hinterbauten mit Dämpferverlängerung mit. Ebensolche Systeme haben in der Vergangenheit des Öfteren für Defekte an Stahlfeder-Dämpfern gesorgt.
Für Anfänger ist der Tigon womöglich nicht die beste Wahl, da die zahlreichen Einstellmöglichkeiten schnell überfordern können.
Fazit – Cane Creek Tigon
Der Cane Creek Tigon vereint die Vorteile von Luft- und Stahlfeder in einem Paket. Hier bekommt ihr ein sehr feinfühliges Ansprechverhalten gepaart mit einer einstellbaren, auf Wunsch starken, aber früh und geschmeidig einsetzenden Progression. Damit kann der Dämpfer bei manchen Hinterbau-Problematiken effektiv Abhilfe schaffen – ein Allheilmittel ist er dennoch nicht. Doch auch sonst punktet der Tigon durch seine gute Performance und die ausgiebigen Einstelloptionen. Anfänger dürften sich allerdings von ebendiesen schnell erschlagen fühlen und auch der Preis ist kein Pappenstiel.
Cane Creek Tigon – Pro / Contra
Stärken
- einstellbarer Gegenhalt und Durschlagschutz durch Ramp Tube
- feinfühliges Ansprechverhalten (bei Bedarf gepaart mit viel Support)
- breiter, sinnvoll nutzbarer Einstellbereich
- mehr Stabilität für Hinterbauten mit Dämpferverlängerung
Schwächen
- umfangreiche Einstellmöglichkeiten dürften Anfänger überfordern
- hoher Preis
Ist der Cane Creek Tigon eventuell genau der richtige Dämpfer für dein Bike?