Henri Kiefer im Interview: „Talent ist eine Sache, harte Arbeit macht das Meiste aus.“
Henri Kiefer hat sich 2023 in Fort William zum Junioren-Weltmeister gekrönt, ist 2024 zum zweiten Mal Deutscher Meister im Downhill geworden, 2025 auf dem World Cup-Podium der Elite gelandet und gilt als eines der größten Talente der deutschen Downhill-Szene seit Jahren. Wir haben den sympathischen Canyon-Fahrer im Frühjahrs-Trainingslager in Maribor getroffen und uns mit ihm über seinen Werdegang, das neue Factory-Team und die Ziele für das laufende Jahr unterhalten.
[toc]
Video: Henri Kiefer im Interview
Interview in Textform
MTB-News.de: Hey Henri, lass uns doch mal ganz vorne anfangen: Ich erinnere mich daran, dass du fast so etwas wie der erste MTB-Kids-Star in Deutschland warst – du bist ziemlich jung zu den Young Guns gekommen und hast auf den Rennen direkt viel Aufmerksamkeit bekommen. Wie bist du eigentlich zum Radfahren gekommen?
Henri Kiefer: Das fing mit meinem Bruder und Vater an. Unser Vater ist mit uns mit Hardtails durch den Wald gefahren und das hat Bock gemacht. Wir haben immer Touren gemacht und irgendwann sind wir eben auf die nächste Strecke bei uns in der Nähe gegangen – so fing das an, Step by Step. Weil uns einfach langweilig war.
Hast du mitbekommen, dass du schon früh als aussichtsreiches Talent gegolten hast?
Nee, kann ich dir gar nicht so sagen … also hätte ich jetzt nicht gesagt. Ich wusste natürlich, dass ich gut unterwegs bin. Ich habe im Rookies Cup ein paar Siege eingefahren, habe das, sag ich mal, dominiert. Ich habe aber nie gedacht: Hey, ich bin der Star!
War es denn immer schon dein Traum, Downhill-Profi zu werden?
Ja, safe! Das habe ich mir sogar in so ein kleines Buch geschrieben vor 10 Jahren. Da steht sogar ein Datum dran, ich habe so ein kleines Tagebuch geführt, das habe ich letztens nochmal gelesen. Da habe ich geschrieben: Ich will mal Downhill-Profi werden!
Dieses Jahr bin ich mehr Fahrrad gefahren, habe da den Fokus drauf gelegt, und das klappt gut. Ich habe mich noch nie so gut gefühlt auf dem Rad.
Mir ist noch in Erinnerung, dass du dir mit 13 oder so mal in Willingen die Hüfte gebrochen hast, oder?
Ausgekugelt! Und das ist ganz selten, gerade bei einem Kind.
Das war schon heftig, oder?
Ja, aber das habe ich gut überstanden. Anfangs hieß es dann auch erst, dass so ein kleines Stück abgebrochen wäre vom Becken, was aber dann doch nicht war. Das ist gut verheilt und ich habe da gar keine Beschwerden mehr.
Hat dich das mental beeinflusst?
Nein, da war ich noch so jung, da nimmt man das ganz anders wahr. Da ging einfach Zeit drüber und dann hat das gepasst.
Wie siehst du das jetzt – mir ist durch die Hardline in Neuseeland (war kurz vor dem Gespräch, Anm. d. Red.) aufgefallen, dass es da schwere Verletzungen gab, die von den Fahrern etwas abgetan wurden, als wäre es nicht so schlimm. Wie nimmst du den Umgang damit wahr?
Da habe ich nicht so viel drüber nachgedacht. Ich will da keinen Namen sagen, aber es gibt schon einen Fahrer, wo ich dachte: Okay, so klein muss man das jetzt nicht machen, weil das waren schon heftigere Verletzungen. Aber es gehört ja auch dazu irgendwie. Da jetzt so ein großes Ding draus zu machen … schwieriges Thema!
Du meinst, du möchtest einfach, dass es einen sinnvollen Umgang damit gibt?
Wenn das jetzt so ein Klassiker ist wie ein Schlüsselbein-Bruch, dann braucht man das nicht so groß zu reden. Das ist eine Verletzung, und umso weniger du drüber sprichst und nachdenkst, umso besser kommst du drüber hinweg. Aber so schwere Verletzungen muss man ernst nehmen und eine Grenze ziehen. Keine Ahnung, ist schwer!
Anderes Thema: Du hast ja ganz schön zugelegt in den letzten Jahren. Trainierst du viel?
Ja, schon – das macht mir auch Bock und ich brauche das, um mich gut zu fühlen und um ein Sicherheitsgefühl zu bekommen. Dann fühle ich mich vorbereitet. Dieses Jahr bin ich mehr Fahrrad gefahren, habe da den Fokus drauf gelegt, und das klappt gut. Ich habe mich noch nie so gut gefühlt auf dem Rad.
Wann hast du damit angefangen, Krafttraining zu machen?
Krafttraining eigentlich relativ früh. Das ging immer so Step by Step, Jahr für Jahr mehr oder eher effizienter. Ab einem gewissen Punkt kann man nicht mehr machen, sondern man macht effizienteres Training und man lernt über die Jahre, was einem am besten liegt und gefällt. Angefangen habe ich … so mit 15 im ersten Jahr U17. Aber eher so ein bisschen.
Ich kam mit einem guten Mindset rein und habe mich schon vorher dort siegen sehen. Ich habe dann aber einfach mein Ding gemacht – so wie immer – aber abgeliefert diesmal […]
Würdest du das angehenden Downhill-Fahrern auch empfehlen?
Ja auf jeden Fall, das gehört dazu! Talent ist eine Sache, harte Arbeit macht das Meiste aus.
Was machst du als Ausgleich neben dem Downhill-Fahren?
Hmm … nichts! Das ist meine Welt, mein Lifestyle, ich liebe das und da brauche ich nichts anderes als Ausgleich. Ich war jetzt in Portugal zum Trainieren und wenn da da Zeit war, dann geh ich surfen – das macht mir Bock! Zuhause ist aber nicht wirklich Zeit, meine Beschäftigung den ganzen Tag über ist Fahrrad fahren und darin besser werden.
Wie sieht so ein typischer Trainingstag bei dir aus?
Immer unterschiedlich! Beispielsweise würde ich an einem Tag zuhause ins Gym gehen, morgens trainieren, dann nach Hause gehen, essen, kurz chillen und dann eine gute Runde E-Bike fahren – mit einem Kollegen oder auch alleine. Am Wochenende, wenn es geht, immer Downhill fahren, das ist bei mir zu Hause schwierig. Deshalb versuche ich, immer viel unterwegs zu sein. Sonst etwas Rennrad, Gym-Sessions, viel E-Bike, Laps reinkriegen … dieses Jahr habe ich auch viel gezeitet mit Freelap. Einfach, um sich daran zu gewöhnen, auf Zeit zu fahren. Das ist immer was anderes gefühlt, wenn man oben steht und weiß, es geht auf Zeit.
Zurück zu deiner Rennkarriere – du hast den Rookies Cup dominiert und bist auch als Junior im Downhill World Cup sofort vorn dabei gewesen. Es hat aber lange gedauert, bis du bei der WM 2023 in Fort William ganz oben standest. Was meinst du, warum hat das dann doch etwas Zeit benötigt?
Schwierig … Lourdes war mein erster World Cup – das ist bis jetzt auch meine Lieblingsstrecke – da wurde ich direkt Fünfter. Meine erste Junioren-Saison war immer so in dem Bereich, ich bin nie aufs Podium gefahren, aber immer Top 10. Das zweite Jahr fing direkt gut an, in Lenzerheide war ich in der Quali Erster und hab dann einfach verkackt, weil ich zu viel Gas gegeben habe. Ich bin einfach am Limit gefahren und eine Sektion, da war es dann zu viel und ich bin aus der Strecke. Danach bin ich aber noch solide runtergefahren und bin Vierter geworden. Genauso in Leogang, da war ich Erster in der Quali. Aber dann hat’s vorm Rennen geregnet … es ist schwierig zu sagen. Manchmal war es meine Schuld, manchmal hab ich ein bisschen Pech gehabt. Aber dann war die Weltmeisterschaft da und es hat gepasst!
Was war anders an dem Tag?
Eigentlich nichts. Ich kam mit einem guten Mindset rein und habe mich schon vorher dort siegen sehen. Ich habe dann aber einfach mein Ding gemacht – so wie immer – aber abgeliefert diesmal und dann hat es geklappt. Durch das ganze Training über den Winter habe ich im letzten Teil … Bodhi Kuhn war in der dritten Split vorn. Aber die Vierte war unten auf dem Motorway und da musst du nach 4 Minuten noch mal richtig sprinten. Und da habe ich die Zeit geholt.
Leider konntest du dein WM-Trikot ja nie in einem Rennlauf tragen, weil du dir in Andorra dann das Handgelenk gebrochen hast. Würdest du es das nächste Mal immer anziehen?
Ja, sehr schade. Ich wusste gar nicht, dass man das Jersey auch im Training fahren darf.
Mir wurde gesagt, als Junior im zweiten Jahr ist es in Ordnung, weil du ja nur dieses eine Rennen hast, bevor die Saison vorbei ist.
Achja? Ich dachte immer, das wäre für die Quali und für den Rennlauf und sonst fährst du dein normales Jersey. Aber ich hätte es natürlich öfter getragen sonst. Canyon hat mir auch ein geiles Bike hingestellt. Das war eine Überraschung, ich bin nach Koblenz gefahren und da haben die mir den Rahmen gegeben. Das war richtig geil.
Letztes Jahr bist du in die Elite gewechselt – warst du da nervös? Das Niveau ist ja sehr hoch mittlerweile und es kommen jedes Jahr super schnelle Fahrer nach.
Rückblickend war das erste Jahr auf jeden Fall ein Struggle. Man lernt viel, ich bin letztes Jahr Rennen für Rennen durch echt viele Höhen und Tiefen gegangen. Ich bin in Fort William mit Platz 20 direkt gut reingestartet und war auch guter Dinge. Ich war auch guter Dinge und dachte direkt: Ich kann das, ich mach das. Ich hab mich natürlich nicht ganz vorne gesehen, muss ich ehrlich zugeben, aber schon als Top 30-Fahrer. Danach war Polen, da ging’s schlecht und ich hab mich als 61. knapp nicht qualifiziert. Das war ein Schlag in die Fresse, das hat weh getan.
Da hast du also auch keinen Fahrfehler gemacht oder so?
Ich hab mental ein bisschen gestruggelt, risikobereit zu sein. Ich hatte im Kopf drin, dass ich immer ein bisschen Angst hab, mich zu verletzen. Durch Andorra im Vorjahr und 2022 hatte ich mich dort auch verletzt … keine Ahnung, ich weiß es nicht genau. Jedenfalls war Polen schlecht und dann kam Leogang, das lief eigentlich gut, da ich mich im Semi-Finale als Elfter qualifiziert habe. Da war ich richtig stoked. Am nächsten Tag habe ich mir dann wieder dasselbe Handgelenk gebrochen. So lief die Saison irgendwie, aber ich hab viel gelernt.
Du bist ja nach der Verletzung noch zwei World Cup-Rennen mitgefahren. Wie lief der Wiedereinstieg?
Ich bin zuerst in Champéry die Europameisterschaft mitgefahren, das hab ich zum wieder Reinkommen benutzt.
Krasse Strecke dafür …
Ja voll, die Strecke ist so steil und schnell. Aber das lief gut, keine besondere Platzierung, aber ich war zufrieden damit. Danach stand Andorra an, das ist nicht gerade meine Lieblingsstrecke, war da in den Jahren zuvor immer etwas passiert ist. Das lief aber gut, ich war richtig zufrieden damit, mit meinem Lauf und wie ich die Woche absolviert habe. Dann kam Mont-Sainte-Anne, das war schon heftig. Da war ich nicht so fit und hatte Armpump-Probleme. Überall habe ich versucht, die Hände aufzumachen … aber das war noch ok. Dafür, dass ich mich verletzt habe, war die Pace ok.
Du bist ja deine komplette Karriere über Canyon gefahren und bist seit diesem Jahr im Factory-Team – war das ein Traum von dir?
Safe! Ja wirklich, das ist sehr heftig und ich bin dankbar für die Möglichkeit. Ich bin mega happy mit der Marke, mit Canyon, und habe gar kein Interesse, einen anderen Hersteller zu fahren.
Seit wann wusstest du, dass du ins Factory-Team aufsteigst?
Seit Mont-Sainte-Anne. Direkt nach dem Rennen wurde mir das gesagt.
Da hat der Armpump nicht mehr so weh getan?
Haha, ja! Das hat mir auf jeden Fall sehr viel Motivation gegeben. Ich hab noch nie so hart trainiert, mich noch nie mental und physisch so gut gefühlt und mal schauen, was kommt.
Gar nicht, das war eine richtige Überraschung. Am ersten Tag bin ich gefahren, als hätte ich kein anderes Bike gehabt, obwohl es ja anders ist.
Du hattest jetzt ja schon ein paar Teamcamps – welchen Vorteil versprichst du dir von dem größeren Team?
Allein mit Luca, Troy und den anderen umgeben zu sein, ist schon so ein anderes Flair. Du wirst so mitgezogen. Man merkt, dass es anders ist, professioneller, was ich cool finde. Jeder macht sein Ding, jeder fokussiert sich und will gut fahren. Es ist ja ein Einzelsport, aber man wird mitgezogen und das bringt viel. Ich denke, ich kann auch viel lernen von allen.
Kommen wir mal zum neuen Canyon Sender (Test) – seit wann fährst du das schon?
Seit Anfang Dezember – ich habe schon ein paar Tage drauf gemacht.
Und wie gefällt es dir?
Läuft, läuft wirklich.
Du bist ja alle Generationen vom Sender gefahren, oder?
Ja, anfangs war ich so klein, da war ich auf einem Strive. Dann sind wir ein Torque gefahren mit einer Doppelbrückengabel. Und dann auf das Sender und jetzt das neue.
Was sind die Unterschiede zu deinem Racebike aus dem letzten Jahr?
Ich finde geil, wie stabil das neue Rad ist. Der Hinterbau arbeitet anders, das bringt Stabilität rein. Wenn es Schläge bekommt, macht es sich lang – das ist wie ein Zug auf Schienen.
Hattest du Probleme mit der Umstellung?
Gar nicht, das war eine richtige Überraschung. Am ersten Tag bin ich gefahren, als hätte ich kein anderes Bike gehabt, obwohl es ja anders ist.
Was sind deine Ziele für die kommende Saison 2025?
Gute Frage! Top Ergebnisse auf jeden Fall. Ich fühl mich von der Vorbereitung her sehr gut, Top 10 zu fahren ist definitiv ein Ziel – da sehe ich mich auch. Mal schauen, was kommt. Aber konstant fahren, verletzungsfrei bleiben, darauf aufbauen und dann vorne mit dabei sein.
Ist der dritte DM-Titel auch auf dem Plan?
Ja, klar.
Vielen Dank für das Interview, Henri!
Dankeschön!
Was sagst du zur bisherigen Karriere und den frühen Top-Ergebnisse von Henri Kiefer?