XC World Cup – Blog Luca Schwarzbauer: Wohin entwickelt sich der Weltcup?!
Nach dem Weltcup ist vor dem Blog von Luca Schwarzbauer. Der Canyon-Pilot, der stets exklusiv auf MTB-News über seine Eindrücke von den zurückliegenden Rennen berichtet, erzählt heute von seinen Erlebnissen aus Val di Sole und gibt uns zudem spannende Einblicke in den Background des MTB-Weltcups. Dabei beleuchtet er kritisch die Entwicklung der World Series unter dem neuen Ausrichter Warner Bros. Discovery und zeigt auf, was er sich vom Weltcup in der Zukunft erhofft. Viel Spaß beim Lesen!
Hallo liebe MTB-News-Gemeinde, bevor ich in diesem Blog auf das aktuelle Weltcup-Geschehen und insbesondere auf die Entwicklung der World Series unter dem neuen Ausrichter Warner Brothers eingehe, möchte ich kurz ein paar Worte zum Rennen in Val di Sole verlieren, bevor ich dann ein kurzes Zwischenfazit nach der Hälfte der Saison ziehe und dann abschließend auf die momentane Entwicklung des Weltcups eingehe. Also, los geht’s.
Was mich dagegen deutlich mehr beschäftigt, sind die strukturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen rund um den Weltcup.
Val di Sole ist für mich immer wieder ein spezieller Ort. Das Rennen dort gibt es schon lange, und ich bin es das erste Mal 2013 gefahren – in meinem ersten Juniorenjahr im Weltcup. Seitdem war ich dort oft am Start. Ich habe Höhen und Tiefen erlebt, meistens war es eher hart – brutal heiß, staubig, körperlich fordernd. Manchmal waren auch gute Ergebnisse dabei, aber ich verbinde mit Val di Sole vor allem viele richtig harte Rennen. Und ich nehme es gleich vorweg: Dieses Jahr war es nicht wirklich besser.
Zwischen Leogang und Val di Sole habe ich ein paar Tage im Vinschgau mit Julian Schelb verbracht. Insgesamt war das eine recht entspannte Phase. Ich habe mich dort wohlgefühlt – wir haben ordentlich trainiert, gut gegessen, viel geschlafen, also das volle Programm. Trotzdem war es vom Gefühl her ein bisschen ruhiger, fast schon erholsam.
In Val di Sole angekommen, war ich natürlich motiviert – immerhin hatte ich 2023 dort den Short Track gewonnen, allerdings war die Strecke damals eine ganz andere. Dieses Jahr war sie sehr flach, fast komplett auf Wiese – weniger Mountainbike-Feeling, eher so ein bisschen Gravel-Style. Nicht schlecht, aber eben anders.
Im Short Track geht’s aufs Podest
Die Vorbereitung lief solide. Es war von Anfang an heiß und staubig, wie man es von dort kennt. Im Short Track bin ich gut weggekommen, konnte viel von vorne fahren. Ich hatte einen ziemlich klaren Plan – und den habe ich, würde ich sagen, zu 90 Prozent auch so umgesetzt.
Was mir generell auffällt: Es wird immer schwieriger, über Jahre hinweg konstant ganz vorne mitzufahren. Das ist zumindest mein Eindruck. Es gibt zwar immer wieder Phasen, in denen einzelne Fahrer einen richtigen Lauf haben – wie zum Beispiel Chris Blevins im Short Track dieses Jahr, der aktuell wirklich top ist. Aber dass jemand über mehrere Jahre hinweg dominant auftritt, das sehen wir eigentlich kaum noch.
Im Rennen bin ich hin und wieder mal kurz an zweiter oder dritter Stelle gefahren – aber es hat sich ziemlich schnell gezeigt, dass es direkt hektisch wird, sobald man nicht mehr in den Top 3 unterwegs ist. Gerade die zwei Plätze hinter dem Führenden sind natürlich extrem begehrt. Deshalb habe ich mich bewusst entschieden, mein eigenes Ding durchzuziehen. Ich hatte, würde ich sagen, eine ziemlich gute Pacing-Strategie und habe mich auch wirklich wohl gefühlt dabei.
Natürlich hört man dann von außen ab und zu die Frage: „Warum fährt der eigentlich so viel von vorne?“ Aber da kann ich im Prinzip nur das sagen, was ich seit drei, vier Jahren immer wieder sage: Die gleichen Leute, die mich als Short-Track-Spezialisten bezeichnen, behaupten im nächsten Atemzug, ich wäre viel erfolgreicher, wenn ich weiter hinten fahren und mehr Windschatten nutzen würde. Aber ganz ehrlich: Das Prinzip des Windschattens ist mir schon bekannt. Ich kenne es – und ich könnte es auch nutzen. Vielleicht liegt es ja gar nicht daran, dass ich physisch so komplett anders bin als andere, sondern eher daran, dass ich eine alternative Herangehensweise habe. Im Short Track funktioniert sie oft gut für mich – warum also nicht dabei bleiben?
Am Ende wurde ich dann aber trotzdem ziemlich beeindruckend von Christopher Blevins abgestellt. Und da muss man ganz klar sagen: Die Beschleunigung, die Chris aktuell an den Tag legt, ist wirklich von einem anderen Planeten. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht mal komplett am Limit – im Gegenteil, ich war noch relativ frisch unterwegs – aber in der entscheidenden Szene bin ich über 3-4 Sekunden rund 1400 Watt gefahren, und trotzdem zieht er uns so davon, als ob der Rest von uns einfach stehen bleibt. Das war schon krass – aber auch beeindruckend.
Schlussendlich wurde ich Dritter. Victor Koretzky hat sich ganz am Ende noch vorbeigeschlichen – den hätte ich vielleicht irgendwie noch hinter mir halten können. Wäre cool gewesen, aber gut, so ist es gelaufen. Trotzdem: mein erstes Top-3-Ergebnis dieses Jahr, und darüber war ich richtig happy.
Wieder einmal solide im XC-Rennen
Damit ging’s dann weiter ins XC-Rennen. Der Kurs war, wie so oft in Val di Sole, brutal: technisch anspruchsvoll, steil, körperlich fordernd. Ich habe von Anfang bis Ende vor allem versucht, gut durchzukommen. Agieren konnte ich nur wenig, ich war eher in der defensiven Rolle unterwegs. Aber auch das gehört manchmal dazu.
Ich muss ganz ehrlich sagen: Im XCO – eigentlich in beiden Disziplinen – fehlt mir dieses Jahr bisher noch der richtig gute Tag. Wenn man Heubach ausklammert, hatte ich noch kein Rennen, bei dem wirklich alles ideal zusammengepasst hat. Das ist natürlich etwas schade, aber ich hoffe, dass das in den kommenden Wochen noch kommt. Am Ende wurde ich in Val di Sole Elfter – knapp hinter Platz zehn, wie so oft. Damit habe ich jetzt fünf Weltcups in Folge zwischen Platz acht und elf beendet. Das ist natürlich extrem solide, und damit bin ich grundsätzlich auch sehr zufrieden. Aber klar: Ich wünsche mir schon, dass demnächst noch ein großes Resultat dazukommt. Ein Rennen, das so richtig heraussticht.
Spannung ist aktuell garantiert
Was mir generell auffällt: Es wird immer schwieriger, über Jahre hinweg konstant ganz vorne mitzufahren. Das ist zumindest mein Eindruck. Es gibt zwar immer wieder Phasen, in denen einzelne Fahrer einen richtigen Lauf haben – wie zum Beispiel Chris Blevins im Short Track dieses Jahr, der aktuell wirklich top ist. Aber dass jemand über mehrere Jahre hinweg dominant auftritt, das sehen wir eigentlich kaum noch.
Und hier kommt meine vielleicht größte Sorge ins Spiel: Wenn sich dieser Trend fortsetzt, könnten künftig nur noch finanzstarke Orte überhaupt Weltcups austragen. Orte also, die das Budget stemmen können – nicht unbedingt solche, wo der Mountainbikesport gelebt wird.
In früheren Jahren war das noch anders – zu Zeiten der „großen Drei“: Schurter, Absalon und Kulhavy. Da hatten wir oft das Gefühl, sie machen die Rennen unter sich aus. Heute wirkt das alles viel offener. Allein in den letzten Wochen hat man das wieder gesehen: In Leogang hat Ondřej Cink seinen ersten Weltcupsieg gefeiert – völlig überraschend. Und jetzt in Val di Sole gewinnt Martín Vidaurre – auch zum ersten Mal. Zwei Weltcups, zwei neue Sieger. Das zeigt, wie ausgeglichen das Feld inzwischen ist.
Ich glaube, das liegt vor allem daran, dass immer mehr Fahrer auf einem extrem hohen Niveau unterwegs sind – sowohl was Training als auch Lebensstil angeht. Der Aufwand, den viele betreiben, ist enorm. Und das hebt das allgemeine Niveau nochmal deutlich an. Was ich persönlich auch bemerkenswert finde – ohne da zu tief hineininterpretieren zu wollen: Der Mountainbike-Sport wirkt für mich aktuell sehr sauber. Natürlich kann ich für niemanden die Hand ins Feuer legen, aber von außen betrachtet scheint es, als ob fair gefahren wird. Das macht den Sport menschlich und vielleicht auch deshalb so spannend.
Was mir außerdem auffällt: Die Kursgestaltung hat sich über die letzten Jahre deutlich verändert. Es gibt immer weniger lange, gleichmäßige Anstiege – wie man sie zum Beispiel noch vor zwei Wochen in Leogang gesehen hat. Das war eher eine Ausnahme. Viele Kurse sind heute intervallartiger, technisch anspruchsvoll, mit kurzen, explosiven Passagen. Auch das macht den Rennverlauf unvorhersehbarer – und sorgt vielleicht zusätzlich dafür, dass es weniger Dominanz einzelner Fahrer gibt.
Wohin entwickelt sich der Weltcup in der Zukunft?
Kommen wir zu einem größeren Teil dieses Blogs – nämlich einem Thema, das mir schon länger durch den Kopf geht: Wie entwickelt sich der Mountainbike-Weltcup als Sport – strukturell, finanziell und inhaltlich? (Anmerkung der Redaktion: Luca wurde Anfang des Jahres in ein Athletengremium gewählt, das die Interessen der Sportlerinnen und Sportler gegenüber der UCI und Warner Brothers vertreten soll. Die Aussagen von Luca in unserem Blog müssen nicht zwingend mit der allgemeinen Meinung des gesamten Gremiums übereinstimmen. Luca berichtet hier für sich und vertritt seine persönliche Einschätzung zu der Thematik.)
Ich persönlich würde mir deshalb wünschen, dass die Community – Fans, Teams, Fahrerinnen und Fahrer und Industrie – stärker in den Mittelpunkt rückt, anstatt den Fokus zu sehr auf kurzfristige Einnahmen zu legen.
Ich möchte dabei direkt vorwegnehmen: Ich finde, dass sich vor allem in Sachen TV-Übertragung in letzter Zeit einiges verbessert hat. Das ist sicher auch der Arbeit von Warner Bros. Discovery zu verdanken. Jeder hat da natürlich seine eigene Meinung, aber meiner Wahrnehmung nach hat sich die Übertragung in den letzten Rennen tatsächlich spürbar verbessert. Anfangs fand ich das Niveau nicht besser als bei Red Bull, aber inzwischen wurde zumindest ein Schritt nach vorn gemacht – wenn auch sicherlich noch Luft nach oben bleibt.
Was mich dagegen deutlich mehr beschäftigt, sind die strukturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen rund um den Weltcup. Wer den Sport schon länger verfolgt, weiß: Die größten Player im Mountainbikezirkus kommen aus der Bike-Industrie. Die meisten Teams – vor allem die sogenannten „Factory Teams“ – gehören Radherstellern. Externe Sponsoren, wie man sie aus anderen Sportarten kennt, gibt es nur sehr vereinzelt. Das bedeutet auch: Die Bike-Industrie finanziert diesen Sport in weiten Teilen. Und da frage ich mich: Sollte sie dann nicht auch mehr Mitspracherecht haben, in welche Richtung sich der Weltcup entwickelt?
Aktuell habe ich den Eindruck, dass Warner Bros. Discovery – natürlich in Zusammenarbeit mit der UCI – die wesentlichen Entscheidungen trifft. Und das empfinde ich manchmal als unlogisch, wenn man bedenkt, dass ohne das Engagement der Bike-Hersteller das ganze System wahrscheinlich sehr schnell ins Wanken gerät. Wenn diese Industrie irgendwann das Interesse verliert, fällt der finanzielle Unterbau weg – und damit auch die Existenzgrundlage des Sports, wie wir ihn heute kennen. Darum bin ich überzeugt: Teams, Athleten und die Bike-Industrie sollten ein größeres Mitspracherecht bei der Weiterentwicklung des Weltcups haben.
Ein konkreter Punkt ist auch die Kostenstruktur. Veranstalter müssen heute ein Vielfaches dessen zahlen, was vor ein paar Jahren noch nötig war, um einen Weltcup auszurichten – teilweise fünf- bis zehnmal mehr. Gleichzeitig steigen die Ausgaben der Teams, weil immer mehr von ihnen gefordert wird. Für Privateers, die nicht in ein großes Factory Team eingebunden sind, wird es durch hohe Startgebühren zunehmend schwerer.
Ein großes Problem dabei: Es fließt kaum Geld zurück in den Sport. TV-Gelder zum Beispiel landen, soweit ich weiß, kaum oder gar nicht bei den Athletinnen und Athleten oder Teams. Auch die Gehälter steigen nicht nennenswert. Die Belastung wächst – aber der Ertrag bleibt aus. Und da stellt sich für mich schon die Frage, ob hier nicht ein gewisses Missverhältnis entsteht.
Was ich ebenfalls beobachte – ohne konkrete Zahlen zu kennen – ist, dass die TV-Reichweite zwar vermutlich steigt, die Zuschauerzahlen vor Ort aber eher stagnieren oder sogar leicht rückläufig sind. Ein Grund könnte sein, dass Veranstalter hohe Eintrittspreise verlangen müssen, um ihre Ausgaben zu decken. Das wiederum schreckt viele Fans ab – gerade Familien oder lokale Zuschauer – und entzieht dem Sport langfristig seine Basis.
Und hier kommt meine vielleicht größte Sorge ins Spiel: Wenn sich dieser Trend fortsetzt, könnten künftig nur noch finanzstarke Orte überhaupt Weltcups austragen. Orte also, die das Budget stemmen können – nicht unbedingt solche, wo der Mountainbikesport gelebt wird. Dabei ist es doch genau diese Leidenschaft, diese Community vor Ort, die den Sport trägt. Ohne die Fans, ohne die Menschen, die die Rennen feiern, sich Fahrräder kaufen und die Szene am Leben halten, verliert der Weltcup seinen Rückhalt. Denn letztlich lebt alles – auch unser Einkommen als Fahrer – davon, dass die Faszination für den Sport erhalten bleibt.
Ich persönlich würde mir deshalb wünschen, dass die Community – Fans, Teams, Fahrerinnen und Fahrer sowie die Industrie – stärker in den Mittelpunkt rückt, anstatt den Fokus zu sehr auf kurzfristige Einnahmen zu legen. Denn was nützen uns hohe Gebühren und teure Lizenzen, wenn am Ende die Basis bröckelt?
Das alles sind natürlich nur meine Gedanken – und ich weiß, dass es komplexe Zusammenhänge sind. Aber ich wollte das einfach mal als Denkanstoß und Diskussionsgrundlage mitgeben. Mich würde nämlich wirklich sehr interessieren, wie ihr das seht: Wie nehmt ihr die Entwicklung des Weltcups wahr? Was wünscht ihr euch für die Zukunft des Sports?
Lasst es mich gern wissen – in den Kommentaren, per Nachricht oder einfach im Austausch untereinander. Ich bin gespannt auf eure Perspektiven!
Bis bald, euer Luca
Wie bewertert ihr die Entwicklung des Weltcups unter Warner Brothers?
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