XC World Cup – Blog Luca Schwarzbauer: Vollgas in den ersten Highlight-Block
Weiter geht’s in der Reihe der Rennberichte unseres Bloggers Luca Schwarzbauer! Der deutsche XC-Meister berichtet von seinen Eindrücken aus Nové Město sowie Leogang und gibt uns wieder einmal spannende Einblicke in den Rennalltag eines Profis. Viel Spaß beim Lesen des Berichts!
Hallo liebe MTB-News-Gemeinde! Nachdem ich mich zuletzt nach den Rennen in Brasilien bei euch gemeldet habe, beginne ich erstmal mit dem, was danach passiert ist. Es folgte eine etwas längere Vorbereitungsphase – bis zu dem ersten großen Highlight der Saison für mich. Oder vielleicht sogar dem zweiten, je nachdem, wie man es betrachtet. Brasilien war definitiv ein kleines Highlight, Nové Město ist aber nochmal etwas anderes für mich.
Das Training nach Araxá lief eigentlich ziemlich gut. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass ich ein paar Tage gebraucht habe, um mich von der Rückreise zu erholen. Die war recht langwierig und ich habe mich fast zwei Wochen nicht wirklich top gefühlt. Aber dann ging es stetig bergauf. Ich kam gut ins Training rein, fühlte mich wieder wohl – und konnte dann auch mein Kolloquium an der Hochschule halten. Die schriftliche Arbeit für meine Bachelorarbeit hatte ich ja bereits abgegeben, und damit war das Studium dann endgültig abgeschlossen. Ein großer Lebensabschnitt, der damit zu Ende ging. Schon ein besonderer Moment.
In der Woche danach habe ich mich dann direkt um einige Dinge gekümmert, die ich in den letzten Monaten etwas aufgeschoben hatte, bevor es dann auch schon in Richtung Nové Město ging. Als Vorbereitungsrennen stand Heubach auf dem Programm – ein Rennen, das mir wirklich am Herzen liegt. Es ist nur etwa 45 Minuten von mir zu Hause entfernt und meiner Meinung nach aktuell das wichtigste deutsche Rennen, vielleicht neben der Deutschen Meisterschaft. Ein echter Klassiker. Ich bin dort schon vor 16 oder 17 Jahren gefahren. Ich habe eine gute Beziehung zu den Veranstaltern und finde es klasse, dass sie es jedes Jahr schaffen, ein so starkes Event auf die Beine zu stellen.
Dieses Jahr war die Konkurrenz auch wirklich stark: Mathis Azzaro, Alan Hatherly, Sam Gaze und einige weitere Top-Fahrer aus Belgien und Deutschland waren am Start. Und ich muss sagen: Ich habe mich richtig gut gefühlt. Es war eines der besten, vielleicht sogar eines der einfachsten Rennen der letzten Jahre für mich. Ich konnte das Rennen am Ende gewinnen, auch wenn Azzaro einen kleinen Defekt hatte, der mir geholfen hat, mich von ihm abzusetzen. Das waren vielleicht 20 Sekunden Vorsprung, die ich dann aber bis ins Ziel verteidigen konnte. Davor hatte ich mir mit Alan Hatherly, dem amtierenden Weltmeister, noch ein langes Duell geliefert.
Es war ein unglaubliches Erlebnis – vor heimischem Publikum zu gewinnen, hätte ich im Vorfeld gar nicht erwartet. Viele bekannte Gesichter waren da, die Stimmung war super und es hat einfach riesigen Spaß gemacht. Das hat mir natürlich auch ordentlich Motivation und Hoffnung für Nové Město gegeben, auch wenn ich natürlich aus Erfahrung weiß: Weltcup fahren ist nochmal eine ganz andere Hausnummer. Und so ging es dann am Dienstag direkt weiter – auf nach Nové Město.
Nové Město ist für mich ein ganz besonderer Ort – schließlich habe ich dort 2022 meinen ersten Short Track-Weltcupsieg gefeiert. Entsprechend groß war natürlich auch dieses Jahr wieder die Aufmerksamkeit, nicht nur auf das Rennen, sondern auch auf mich persönlich. Zusätzlich kam erschwerend hinzu, dass einige meiner Teamkollegen angeschlagen oder verletzt waren. Jenny Rissveds war leicht erkältet, Thomas Griot ebenfalls angeschlagen, Valentina Corvi verletzte sich am Schlüsselbein und Thibaut Francois, unser U23-Fahrer, war gerade erst im Comeback-Modus. Im Grunde war ich der Einzige im Team, der an diesem Wochenende in der Lage war, für ein zählbares Ergebnis zu sorgen. Das bedeutete: zusätzlicher Druck – und zwar nicht wenig.
Der Short Track selbst lief dann aber eigentlich fast optimal. Ich wurde Vierter in einem sehr taktisch geprägten Rennen, in dem ich mich insgesamt ziemlich wohl gefühlt habe. Wenn ich ehrlich bin: Koretzky und vor allem auch Blevins waren an diesem Tag einfach zu stark. Ich glaube nicht, dass ich sie hätte schlagen können, egal wie gut mein Tag gewesen wäre. Colombo, der am Ende Dritter wurde, wäre vielleicht noch drin gewesen. Aber mein Sprint war nicht ganz ideal. Ich habe am Anfang gezögert, und dann ging es sofort richtig zur Sache. Trotzdem bin ich mit dem vierten Platz durchaus zufrieden gewesen, das war eine solide Ausgangsbasis für das Hauptrennen am Sonntag.
Dort war der Druck dann noch einmal deutlich höher – vielleicht sogar zu hoch. Ich bin in der Startrunde zwar kontrolliert losgefahren, aber als Alan Hatherly dann losgestiefelt ist, dachte ich mir: „Letzte Woche in Heubach konntest du ihn schlagen, also bleib einfach mal an seinem Hinterrad.“ Dabei hatte ich schon im Gefühl, dass wir da vielleicht über unseren Möglichkeiten unterwegs waren. Und so kam es dann auch: Ich bin klassisch überpaced und habe ab Runde drei eigentlich nur noch ums Überleben gekämpft. Ich habe alles versucht, um mich irgendwie zu erholen und den Vorwärtsgang wieder reinzubekommen, aber der Energieaufwand zu Beginn war einfach zu groß. Das ließ sich im weiteren Rennverlauf nicht mehr kompensieren.
Am Ende kam es dann noch zum Zielsprint – ganz knapp, wirklich nur ein Zentimeter fehlte – und ich wurde Elfter. Platz zehn wäre mit einem etwas entschlosseneren Tigersprung sicher drin gewesen. Das war dann so ein typischer „hätte, wäre, wenn“-Moment. Unterm Strich war es ein halbwegs zufriedenstellendes Wochenende – aber ehrlich gesagt hatte ich mir etwas mehr erhofft.
Drei, vier Tage später merkte ich dann, dass ich Halsschmerzen bekam. Wahrscheinlich hatte ich mich bei Jenny angesteckt, die ja wie gesagt leicht erkältet war. Ich befürchtete schon das Schlimmste, aber zum Glück wurde ich nicht richtig krank. Fünf Tage Halskratzen, aber ich konnte die ganze Zeit über weiter trainieren – also halb so wild.
Danach ging der Blick in Richtung Leogang. Tief in mir drin habe ich nach wie vor das Gefühl, dass ich in einer wirklich guten Verfassung bin. Zwischen Brasilien und Nové Město bin ich im Training noch einige Bestwerte gefahren – das zeigt mir, dass da was geht. Nur hat es eben im Rennen, abgesehen von Heubach, noch nicht zu 100 Prozent gepasst. Aber gut, Heubach ist eben nur ein HC-Rennen und kein Weltcup.
Leogang ist ein Ort, der für mich persönlich mit ganz besonderen Erinnerungen verbunden ist. 2023 hatte ich dort eines meiner bislang stärksten Wochenenden überhaupt: Zweiter im Short Track, nur hauchdünn am Sieg vorbei, und auch im Cross-Country-Rennen schrammte ich nur knapp an Platz eins vorbei. Klar, mit solchen Erinnerungen im Gepäck ist es schön, an den Ort zurückzukehren – aber es bringt eben auch eine ordentliche Portion Erwartungsdruck mit sich. Zumal die Situation im Team nach wie vor angespannt war: Ich war erneut in der Position, abliefern zu müssen, da wir mit vielen Verletzungsproblemen zu kämpfen hatten. So schön diese Rolle manchmal ist, so viel Verantwortung bringt sie eben auch mit sich. Und dann war da noch die Strecke – Leogang ist alles andere als ein entspannter Kurs. Steile Anstiege, technisch anspruchsvolle Abfahrten und alles ein bisschen oldschool – sowohl im Short Track am Freitagabend als auch im XC-Rennen am Sonntag.
Im Short Track fühlte sich das Rennen brutal an. Ich habe mit vielen Fahrern gesprochen, fast jeder meinte, er sei seine bisherigen Saisonbestwerte gefahren – und genau so hat es sich auch angefühlt. Wir sind von Beginn an ein enorm hohes Tempo gefahren. Ich habe zwischendurch versucht, das Tempo mal ein wenig rauszunehmen, aber das wurde sofort wieder zunichtegemacht. Als es in die letzte Runde ging, war ich ehrlich gesagt komplett am Limit und musste kämpfen, mich überhaupt noch ins Ziel zu retten. Zur Einordnung: Bei der Renndauer von etwas über 23 Minuten lag mein NP bei 503 Watt, die Durchschnittsleistung bei 392 Watt. Am Ende wurde es Platz zwölf – nicht katastrophal, aber für meine Ansprüche schon eher enttäuschend. Zumal auch das Warm-up alles andere als optimal lief: Wegen eines technischen Problems konnte ich mein Aufwärmprogramm nicht einmal zur Hälfte absolvieren. Das war natürlich keine ideale Vorbereitung, soll aber trotzdem nicht als Ausrede dienen.
Für Sonntag hatte ich mir deshalb klar vorgenommen: auf keinen Fall wieder überpacen. Wer das XC-Rennen gesehen hat, wird gemerkt haben, dass ich eher verhalten gestartet bin. Ich habe mich Stück für Stück vorgearbeitet – bei epischen Bedingungen. Es hatte die ganze Woche kaum geregnet, aber pünktlich zum Rennen kam der große Wetterumschwung. Die Strecke war stellenweise völlig aufgeweicht und die berühmte Stelle mit A- und B-Line wurde für viele zur Sturzfalle. Ich habe in solchen Situationen bewusst die risikoärmeren Linien gewählt, auch wenn das nicht immer die schnellste Variante war. Aber ich wollte konstant und sicher durchkommen – das war meine Devise.
Am Ende hat sich diese Herangehensweise ausgezahlt: Von Platz 12 oder 13 kämpfte ich mich nach vorne und wurde schließlich Achter. Damit war ich wirklich zufrieden – auch wenn es erneut nicht der große Durchbruch war. Ich hatte das Gefühl, wieder knapp unter 100 Prozent zu sein, aber es hat nicht viel gefehlt.
Blickt man auf die bisherigen vier Weltcups zurück, zeigt sich ein klares Bild: Platz 8, 9, 10, 11 – eine unglaublich stabile Serie. Das bedeutet aktuell Platz 8 im Gesamtweltcup – ganz nah an Rang 5. Ich hoffe, diese Form entweder weiter halten oder vielleicht sogar noch mal steigern zu können. In gut einer Woche steht mit Val di Sole ein weiteres monumentales Weltcup-Rennen an – vielleicht gelingt dort der nächste Schritt.
Insgesamt läuft die Saison bislang sehr solide, vielleicht sogar sehr zufriedenstellend – aber der große Wurf ist noch ausgeblieben. Und das ist auch okay. Ich bin motiviert, geduldig und freue mich auf das, was noch kommt. Die kommenden Tage verbringe ich in Südtirol zusammen mit Julian Schelb und Vinzent Dorn. Wir machen hier ein kleines Trainingslager, zur Überbrückung bis Val di Sole – ein bisschen Abstand gewinnen, regenerieren, fokussieren.
Und es könnte sein, dass demnächst mal ein etwas anderer Blog-Beitrag von mir hier auf MTB-News kommt – vielleicht ein Special außerhalb der üblichen Rennberichte. Wir stehen gerade in Kontakt mit der Redaktion, da könnte was Interessantes entstehen. Mal sehen. Das hängt nämlich mit einer Sache zusammen, die mir wichtig ist: Ich wurde kürzlich in einen Fahrerausschuss gewählt – das bedeutet, ich kann mich nun auch aktiv in die Entwicklung unseres Sports einbringen. Es bringt ja nichts, sich nur zu beschweren – man muss auch bereit sein, Verantwortung zu übernehmen und Dinge mitzugestalten. Jetzt, wo mein Studium abgeschlossen ist, habe ich dafür auch mehr Kapazitäten. Und genau das möchte ich nutzen.
Soweit von mir aus Nové Město und Leogang! Ich hoffe euch hat der Blog gefallen! Wir hören voneinander – bis bald! Euer Luca
Was sprecht ihr zu Lucas Eindrücken von dem ersten Highlight-Block des Jahres?
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