Enduro World Cup – Blog Christian Textor: Snow Country for Old Men – Rennbericht aus Bielsko-Biała
Mit Schnee im Gesicht, nassen Füßen und brennenden Oberschenkeln ging’s für unseren Blogger Christian Textor in die zweite Runde des Enduro World Cups in Polen. Und die Stages in Bielsko-Biała forderten viel von den EDR-Profis ab: Technik, Zähigkeit, Halteverhalten – aber in erster Linie Winterhandschuhe. Warum Texi am Ende dennoch richtig happy war, lest ihr im Blog.
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Video: Enduro-Weltcup N°2 – Polen, Bielsko-Biała
Von Finale direkt in die nächste Herausforderung
Noch nicht ganz erholt von Finale ging es in Polen schon in die zweite Runde des Weltcups. Ich war tatsächlich ziemlich abgekämpft von meinem ereignisreichen Wochenende in Italien, aber auch froh, dass ich so schnell schon wieder eine Chance hatte zu racen, weil ich in Italien bereits gemerkt habe, dass ich fahrtechnisch grundsätzlich etwas zeigen konnte. Ich war einfach persönlich motiviert – für mich, mir zu zeigen, dass ich es besser kann. Gerade nach der verheißungsvollen letzten Stage in Italien war ich echt motiviert und dankbar, dass ich so schnell wieder am Gate stehen und da einfach Gas geben konnte.
Training im Schneeregen
Allerdings hatte Polen natürlich auch wieder eine Sonderprüfung für uns im Gepäck: Es sollte schneien. Als wir angekommen waren, war das Wetter echt noch angenehm und wir haben ein bisschen Trackwalk machen können – im T-Shirt und in kurzer Hose –, wobei der Wetterbericht uns 0° C und Schnee vorausgesagt hatte. Dann kam es tatsächlich dazu, dass wir am Donnerstag im Training wirklich die widrigsten Bedingungen hatten, die man sich vorstellen konnte.
„Selbst ich, der im Winter wirklich viel bei ekelhaften Bedingungen draußen Fahrrad fährt und sein Training durchzieht, musste im Training hart kämpfen.“
Ich habe teilweise meine Finger auf den Stages nicht mehr gespürt. Es war ein Tag, an dem es mehr ums Durchhalten ging, als darum, die Strecken effektiv kennenzulernen. Sondern eher: Wir fahren einmal alles ab und versuchen dabei, möglichst nicht krank zu werden oder Gliedmaßen zu verlieren. Wer sich das Ganze anschauen möchte, kann bei Achim, aka Jack Moir, auf YouTube reinschauen – der hat den Tag hochgeladen. Wir waren tatsächlich auch recht unvorbereitet, weil uns dieses Wetter wirklich überrascht hatte.
Zu unserem Glück hatten wir am Freitag einen Off-Day. So konnten wir uns ein bisschen auf das Schlimmste vorbereiten. Jack und ich sind in ein Sportgeschäft gefahren, haben uns Winterhandschuhe geholt, ich mir Wollsocken – weil die auch nass noch warmhalten – und ein Imprägnierspray. Ich hatte Überzieh-Handschuhe für die Transfers, Jack hat sich sogar Neopren-Handschuhe geholt. Klar, er kommt aus Australien – mit solchen Bedingungen hat er sonst nie zu kämpfen. Wir haben also alles getan, um uns auf einen kalten, nassen, zähen Renntag vorzubereiten.
Rennstart bei wechselhaften Bedingungen
Samstagmorgen ging es bei verhältnismäßig guten Bedingungen los. Es war zwar nass und hatte zuvor geregnet, aber am Freitag sind die Open-Klassen noch über vier unserer fünf Stages gebrettert und haben sie weiter zerfahren. Der Tag war wettertechnisch super unbeständig: Schnee, Hagel, Regen, Sonne – alles dabei. Zum Glück durften wir einmal durch die Pits und uns umziehen. Ich konnte zumindest obenrum frische Kleidung anziehen.
Stage 1 war ein Eye-Opener in Sachen Rolling Speed. Der Boden war so klebrig – viele kleine Doubles bin ich gar nicht mehr gesprungen. Es fühlte sich an, als wäre ich am Boden festgeklebt. Es rollte nichts von selbst.
„Boah, wie zäh kann eine Strecke sein?“ – das war das durchgängige Feedback von allen Fahrern.
Die Strecken in Polen waren besonders unten raus sehr tretlastig und flach – eine echte physische Herausforderung. Keine Entschuldigung, aber: Aktuell bin ich nicht in meiner besten Form und musste einfach bisschen mehr investieren, hart arbeiten, um mehr rauszuholen. Aber das Wochenende war ein perfekter Trainingstag. Stage 1 bin ich grundsätzlich gut Rad gefahren: Ich konnte zeigen, dass ich das, was ich in Finale gezeigt hatte, wieder abrufen konnte. Ich bin direkt in den Top 30 – was auch vorher mein Ziel war!
Technik, viele Fans und Stürze
Dann ging es auch schon in die zweite Stage – Stage 2 war die einzige Stage mit Gondel-Uplift. Oben mussten wir trotzdem noch zur Spitze treten. Insgesamt 1.300 hm bergauf und etwa 1.600–1.700 hm bergab, verteilt auf fünf Stages, standen auf dem Programm. Stage 2 war die längste und oben auch die kälteste: tief, zerfahren, langgezogener Sprint mit Uphill und dann technische Passagen. Und: Die ersten polnischen Fans waren da – und zwar zahlreich! Es waren trotz des Wetters wirklich Trauben an Menschen an der Strecke. Chapeau und größten Respekt an die polnischen Sportfans!
„Da haben hunderte von Menschen, wirklich nicht übertrieben, am Streckenrand gestanden und haben Stimmung gemacht.“
Das war ein Highlight und extrem motivierend, auch wenn ich mich fast noch eingebaut hätte. In Stage 3 – meiner Lieblingsstage – ging es technisch bergab, weniger Sprint, mehr Linie. Ich habe einen super Run zusammengebaut, guten Speed gehabt, auch bei Stellen, die im Training auch noch etwas tricky waren. Da habe ich viele Linien und Entscheidungen getroffen, die positiv waren und habe wirklich einen guten Run gehabt … bis ich mich in einer einfachen Wiesenkurve, die leicht bergauf ging, hingelegt habe. Das Vorderrad ist weggerutscht, weil ich zu weit nach außen in die schmierige Fahrbahn geraten bin – ich lag da wie ein Fisch, musste wieder auf Schwung kommen, was ordentlich Zeit gekostet hat. Trotzdem: Das Livetiming hat gezeigt, dass es ein starker Lauf war, ich war nur 12 Sekunden hinter dem Leader und der Sturz hat sicher 10 Sekunden gekostet – ohne Sturz wäre deutlich mehr drin gewesen.
In der Timezone habe ich versucht, mich auf das Positive zu konzentrieren: Ich hatte Spaß, es hat so Bock gemacht auf der Stage und wusste, so kann sich Racen anfühlen. Das wollte ich mitnehmen in die nächste Stage. Auf Stage 4 ging es weiter, diesmal mit Sonnenschein am Start, auch wenn es 20 Minuten später gehagelt hat. Die krasseste Stage, mega viele Zuschauer, ehemalige Downhill-Strecke, lange Sprints, krasse Sektionen – ich habe einen Bombenrun hingelegt und mein erstes Top-10-Ergebnis seit Langem auf einer Stage eingefahren!
Stage 5, wusste ich, war noch mal physisch hart, aber ich konnte einen soliden Run zusammenfahren. Eine Schlüsselstelle – ein Off-Camber-Wurzelstück – hat echt viele Leute abgeräumt, aber ich bin clean durchgekommen. Ich war nicht zu sehr auf der Bremse, bin progressiv gefahren und habe gemerkt: Ich bekomme wieder mehr Vertrauen. Ich race wieder freier, kann zeigen, was ich drauf hab und bin einfach echt mit Freude gefahren. Das hat echt mega Spaß gemacht.
Rückschläge, Highlights und Lob
Ich freue mich schon auf Loudenvielle in anderthalb Wochen. Alles in allem war es ein cooles Rennen – unter absolut ekelhaftesten Bedingungen. Und was wirklich Hammer war: die Fans! Wer das sehen will, sollte mein YouTube-Video oben checken. Sektionsweise war das lauter als beim Downhill – echt cool, das zu erleben. Jack hat es auf Platz zwei geschafft – ein Highlight fürs Team und eine starke Bestätigung für ihn. Richtig cool, ich freue mich da für ihn.
Die traurigste Story vom Wochenende war leider die von Raphaela Richter – vor der letzten Stage, sie lag in Führung, hat sie sich beim Warm-up die Schulter ausgekugelt, mit der sie in der Vergangenheit bereits Probleme gehabt hat. Somit konnte sie das Rennen nicht beenden. Das war echt supertraurig, hat auch durch das ganze Fahrerfeld die Runde gemacht, jeder war echt traurig für Rapha – was aber auf der anderen Seite auch ein Beweis für den starken Zusammenhalt im Enduro-Sport ist. Das war so bitter für Rapha, aber ich hoffe, sie kommt aus der Situation gestärkt zurück. Sie hat definitiv das Zeug, einen Weltcup zu gewinnen. Allergrößter Respekt – ich hoffe, sie erfüllt sich den Traum vom obersten Podestplatz bald.
Und auch die deutschen Jungs haben gut gesendet: Daniel Renz war wieder zurück nach Verletzungspause, Max Pfeil auch das erste Mal nach krankheitsbedingtem Ausfall dabei, Lars wie gewohnt stabil und Elias Hassfeld mit seinem besten Weltcup-Elite-Ergebnis: Platz 43. Richtig, richtig viel gutes Radfahren von den Deutschen – das möchte ich betonen, weil es einfach erwähnenswert ist. Mega cool – ich freue mich auf die nächste Runde und auf das, was die Saison für uns Kartoffeln und alle drumherum noch so bringt.
Was ist euer Eindruck vom Rennen in Polen und was wünscht ihr euch für Loudenvielle?
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