Rennbericht von der Paris Roubaix-Challenge 2025: 175 km echte Gefühle
Paris Roubaix-Challenge 2025: 175 Kilometer Distanz, davon über 50 Kilometer auf Kopfsteinpflaster und ein Name, der die Ohren vieler Rennrad-Profis vor Ehrfurcht schlackern lässt: Paris Roubaix. Am Tag vor dem Finale der Männer hat Moritz, in erster Linie Testkoordinator bei MTB-News, kurzerhand die Disziplin gewechselt und ist für Rennrad-News.de bei der Paris Roubaix-Challenge an den Start gegangen– und eine wirkliche Vorstellung davon, was mich erwarten würde, hatte ich selbstverständlich nicht.
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Als ich am Samstagmorgen um Viertel vor 8 an der Startlinie stehe, bin ich überrascht: So sieht also die Hölle aus? Komisch. Statt Fegefeuer, furchteinflößender Geräuschkulisse und einem Teufel bin ich umgeben von ziemlich motivierten Rennrad-Fahrern, die alle irgendwie sehr gut gelaunt sind. Die Straße vor mir ist vor lauter Konfetti auf dem Boden kaum zu erkennen und links und rechts stehen einige Schaulustige, um sich das Spektakel anzuschauen. Lediglich die Beschallung am Streckenrand liefert einen ersten Vorgeschmack auf das, was kommen soll, denn aus den Boxen dröhnt der ACDC-Klassiker Highway to Hell. Dazu bewegt sich eine lokale Tanzformation rhythmisch im Takt. Mein erster Eindruck ist also: Die französische Hölle ist gar nicht so schlecht. Allerdings liegen noch 175 Kilometer sowie 30 Pavé-Sektoren vor mir – und noch spüre ich meine Hände …
Paris, Paris, wir fahren nach Paris
Die Idee, an der sogenannten Paris Robaix-Challenge, also dem Jedermann-Rennen auf dem legendären Rennkurs, teilzunehmen, kam ein paar Monate davor, irgendwann im Winter. Bei einer Redaktionsbesprechung ging es darum, dass es prinzipiell eine Überlegung wert sei, 2025 zum Rennen der Profis zu fahren. Nach zwei, drei Konversationen mit Max, der mich an diesem Wochenende begleiten wird, wurde dann schnell klar: Wir fahren nicht nur in den Nordosten Frankreichs, um das Rennen der Profis und das ganze Drumherum zu begleiten, sondern auch, um selbst ein wenig Zeit auf dem Fahrrad zu verbringen.
Max ist ein alter Bekannter von mir, der wie ich aus dem Mountainbike-Sektor stammt, aber in den letzten Jahren mehr und mehr Gefallen an Rädern mit Rennlenker gefallen hat. Was wir gemeinsam haben: Bock auf Fahrrad fahren. Was uns unterscheidet: Max kann äußerst gut Fahrrad fahren und war viele Jahre als Profi in der Enduro World Series unterwegs – also verlasse ich mich im Vorfeld einfach mal auf seine Einschätzung, was wir vor Ort für ein Programm abspulen. Je näher das Event rückt, desto klarer wird mir: Das war vielleicht keine allzu kluge Idee. Doch da ist es schon zu spät – wir sind für das Rennen der Profis als Fotografen akkreditiert, für unser eigenes Rennen offiziell gemeldet und machen fleißig Termine mit Teams vor Ort aus. Es gibt also kein zurück mehr. Außerdem war ich noch nie in Paris und dort soll’s ja ganz schön sein.
3 Routen zur Auswahl: Welche Challenge darf’s denn sein?
Doch was ist überhaupt die Paris Roubaix-Challenge? Es handelt sich um ein Jedermann-Rennen, das samstags, also am Tag des Frauen-Rennens und einen Tag vor dem Männer-Rennen, ausgetragen wird. Zur Wahl stehen drei verschiedene Strecken, die allesamt im legendären Velodrom von Roubaix enden. Die kurze und mittlere Distanz starten in Roubaix: Zunächst fährt man von dort über Landstraßen in den Süden, um dann auf dem Weg zurück nach Roubaix einige der berühmt-berüchtigten Pavés zu bezwingen.
Die kurze Route mit dem Namen Discovery ist 70 km lang und beinhaltet 8 Pavé-Abschnitte – darunter den letzten der drei Fünf-Sterne-Sektoren mit dem klangvollen Namen Carrefour l’Arbre. Die mittlere Renndistanz ist 140 km lang und hat immerhin schon 19 Kopfsteinpflaster-Abschnitte zu bieten – nicht schlecht. Als Legendary bezeichnet sie der Rennveranstalter. Max hat 2023 bereits an der Paris Roubaix-Challenge teilgenommen, allerdings nur auf der kurzen Route. Das sei vergleichsweise unspektakulär gewesen, denn wenn man erstmal im Schepper-Modus angekommen ist, biegt man eigentlich schon wieder ins Velodrom ein. Die kurze Route ist also keine Option für uns.
Dann gibt es noch das volle Programm, The Hell of the North. 175 Kilometer, 30 Sektoren und über 50 Kilometer auf Kopfsteinpflaster. Die lange Runde startet nicht in Roubaix, sondern deutlich weiter im Süden in einem kleinen Ort namens Busigny. Wer die Hölle sucht: Hier geht sie los. Von Busigny nach Roubaix entspricht der Streckenverlauf ziemlich genau dem Verlauf des Männer-Rennens. Alle 30 Sektoren sind mit dabei, einige Asphalt-Passagen führen aber eher auf Neben- als auf Hauptstraßen. Und die ersten 100 Kilometer des Männer-Rennens fehlen, aber da sich bei der Paris Roubaix-Challenge eh keine Ausreißer-Gruppen bilden, fällt das nicht weiter ins Gewicht. Dafür geht es bei der längsten Route direkt nach 11,5 Kilometern mit dem ersten Sektor richtig zur Sache.
Wir haben also die Wahl zwischen Mittel und Lang. Allein schon aus Gründen der Logistik wäre die mittlere Route die deutlich vernünftigere Wahl. Aber wir sind ja junge, wilde und motivierte Typen, oder zumindest waren wir das vor vielen Jahren mal. Und so groß ist der Unterschied zwischen mittel und lang nicht. Die 35 Kilometer machen den Braten schon nicht fett, und ob man nun 19 oder 30 Sektoren fährt, ist ja gehüpft wie gesprungen. Jetzt, wo ich hier sitze und mein Rennerlebnis rekapituliere, weiß ich, dass ich mit dieser Einschätzung nicht falscher hätte liegen können. Aber das war mir irgendwie auch schon im Vorfeld klar. So überlasse ich letztlich Max die Wahl, ob er uns für die mittlere oder die lange Route anmeldet, und kurz darauf habe ich eine neue Mail in meinem Postfach: WELCOME TO THE HELL OF THE NORTH steht dick und fett ganz oben. Das ist, glaube ich, französisch und bedeutet so viel wie: Viel Spaß, du Trottel.
Die Vorbereitung: Ein guter Vorgeschmack aufs Chaos
Zum Glück weiß ich, dass Vorbereitung die halbe Miete ist. Weil ich bis dato noch nie ein Rennrad-Rennen – pardon, es ist kein Rennen, es ist eine Challenge – oder ein vergleichbares Event mitgefahren bin, nehme ich mir vor, mich auf meine Hölle des Nordens vorzubereiten. Was die reinen Eckdaten angeht, also 175 Kilometer Distanz und rund 800 Höhenmeter, mache ich mir keine Gedanken. Das sollte relativ easy machbar sein und zwischendurch gibt’s ja auch Verpflegungsstationen. Der Knackpunkt werden die Pavés sein, und die vorher zu trainieren, wird eigentlich unmöglich.
Ich versuche es dennoch, indem ich mir rund um meinen Wohnort Mainz einige Routen zusammenklicke, auf denen ich Abschnitte mit Kopfsteinpflaster habe. Zudem lese ich mir fleißig die Tipps des Veranstalters durch: Hände schön locker lassen, möglichst schnell auf dem Kopfsteinpflaster unterwegs sein, breite Reifen und Mountainbiken als Vorbereitung würden helfen. Klingt eigentlich ganz machbar.
Die erste lokale Testfahrt verläuft ganz gut. Ich habe mir einen Mix aus Straße, Gravel und Kopfsteinpflaster rausgesucht, den ich auf meinem Roubaix-Arbeitsgerät, dem Cervélo Soloist, unter die 29 mm breiten Reifen nehme. Straße läuft eh und bei den Gravel-Passagen merke ich mal wieder, dass ich mit der Disziplin teilweise einfach nix anfangen kann, wenn die Routenwahl sehr gezwungen ist – aber das ist nochmal ein Thema für sich. Bleiben die Kopfsteinpflaster-Passagen, und die sind erstaunlich anstrengend, machen gleichzeitig aber auch richtig Bock.
Zwei Tage vor Abreise nach Frankreich begebe ich mich nochmal auf eine Testfahrt, um mein Fahrrad- und Media-Setup final zu testen. Ich bin mir sicher: Das Team von Pleiten, Pech und Pannen hätte großen Spaß gemacht, hätten sie mich dabei beobachtet. Die GoPro rund um den Oberkörper, die ich ziemlich festknallen muss, damit sie auf dem Kopfsteinpflaster vernünftig hält, bringt wahnsinnig viel Spannung auf den Nacken. Auf dem ersten Pavé, den ich mit Druck fahre, verabschiedet sich die vordere Klemmung meiner Wahoo-Halterung. Aber an sich macht es wieder Spaß. Auf dem nachfolgenden Gravel-Stück klatscht mir ein dicker Stein gegen das Schienbein, aber zum Glück gibt’s bei Paris Roubaix ja kein Gravel.
Also zücke ich mein Multitool, knalle das kleine Schräubchen an der Wahoo-Halterung so fest wie möglich und fahre denselben Loop nochmal. Dieses Mal läuft es ähnlich wie bei Runde #1 – mit dem Unterschied, dass jetzt nicht die vordere, sondern die hintere Schraube der Wahoo-Halterung den Dienst quittiert. Erneut kommt das Multitool zum Einsatz, mein Frust-Level steigt etwas an. Als ich einen Schluck aus der Pulle nehmen will, greife ich ins Leere. Der dicke Stein von eben war wohl doch kein Stein, sondern meine Trinkflasche. Dazu verabschiedet sich meine GoPro ins Nirvana und zu allem Überfluss verliere ich noch das Nasenstück meiner Sonnenbrille. Aber gut, immerhin weiß ich nun schonmal, was alles schiefgehen wird.
Wo gibt’s eigentlich Loctite?
Zeit zum Lamentieren bleibt jedoch nicht. Stattdessen packe ich meine sieben Sachen und dann sind wir auch schon auf dem Weg nach Frankreich. Zunächst verschlägt es uns in die Nähe von Paris, wo wir vorab einen Termin bei Team Visma Lease a bike haben. Die gute Nachricht: Wie ich ist das Team auf dem Cervélo Soloist mit breiten Vittoria-Reifen unterwegs. Am Material wird es also nicht liegen, wenn hinter meinem Namen ein DNF steht. Die schlechte Nachricht: Ein Gravaa-System, um den Luftdruck anzupassen, habe ich im Gegensatz zum Profi-Team nicht. Und als mir Niklas Behrens, amtierender U23-Weltmeister und Paris-Roubaix-erprobt, steckt, dass sich irgendwo zu Hause auf Paris Roubaix vorzubereiten keinen Sinn macht, weil das Kopfsteinpflaster im Nordosten Frankreichs eh ganz anders knallt, wird mir etwas mulmig.
Weil wir aber vernünftige Typen sind, wollen Max und ich auf dem Weg zur Rennanmeldung noch einen Zwischenstopp in Wallers einlegen. Vorher kaufen wir im Baumarkt noch etwas Loctite, damit die Wahoo-Halterung auch wirklich eine Halterung ist. Griptape, um den Flaschenhalter zu modifizieren, finden wir blöderweise nicht. Im lokalen Aldi decken wir uns noch mit ein wenig Proviant ein und ich rasiere zum ersten Mal im Leben meine Beine, weil ist ja Rennen.
Ist das wirklich so hart? Oh ja!
Rund um Wallers gibt es gleich zwei Sektoren. Wir starten auf Sektor 18, Wallers à Hélesmes, 1,6 Kilometer lang und 3 Sterne schwer. Ich denke mir, dass die Einteilung der Sektoren von 1 bis 5 Sterne ja echt praktisch ist, biege sehr motiviert ab – und kurz danach fliegen zeitgleich die Kette vom Kettenblatt und die Flasche aus dem Halter. Ich stehe in der französischen Pampa, fummle die Kette wieder drauf und neben mir ist ein riesiger Misthaufen. Prima. Ansonsten macht der Sektor viel Spaß, auch wenn es sich gegen Ende zieht. Die verschiedenen Defekte nerven aber und lassen mich nicht unbedingt beruhigt weiterfahren.
Ein kleiner Trost: Bei Max läuft es auch nicht unbedingt besser – bei ihm ist es die Sattelstütze, die absackt. Wir teilen uns also auf. Max repariert am Auto sein Arbeitsgerät, während ich mich schonmal auf den Weg in den nächsten Sektor mache. Prinzipiell ist die Strecke schon im Vorfeld exzellent ausgeschildert, aber irgendwie gelingt es mir, die neongelben Schilder zu verpassen und mich grandios zu verfahren. Irgendwann komme ich dann zum Glück doch an und erkenne den Sektor aus der Fernseh-Übertragung. Das ist also der Trouée d’Arenberg, wo man sich vorm Bildschirm denkt, dass es ja schon ruppig aussieht, aber doch eigentlich recht easy machbar sein müsste. Sieht ja schließlich beim Herrn van der Poel so mühelos aus.
Mein kleiner Umweg hat wohl doch etwas Zeit gekostet, denn als ich gerade den Trouée d’Arenberg einbiegen will, kommt Max schon um die Ecke. Also biegen wir zusammen in den Wald rein – und in dem Moment, wo ich mich freue, dass geteiltes Leid schließlich halbes Leid ist, fängt es an zu scheppern, als gäbe es kein Morgen mehr. Wenn der vorherige Sektor 3 Sterne hatte, dann sind das hier auf keinen Fall 5, sondern eher 7. Oder 700. Es ist einfach nur brutal und gleichzeitig ziemlich anstrengend. Das Fahren auf Kopfsteinpflaster kann richtig Körner kosten, aber noch viel mehr leiden meine Arme und gegen Ende des Sektors auch meine Sicht. Zwischendurch halten wir an und machen ein paar Fotos und als wir endlich das Ende des Sektors erreichen, muss Max zum Multitool greifen, denn seine Hoods sind so verdreht, dass er von jedem vernünftigen UCI-Kommisar sofort aus dem Rennen genommen werden würde.
Weil unser Auto am Eingang zum Wald steht, wir aber blöderweise gerade am Ende des Waldes sind, geht es nach einem kurzen Päuschen auf demselben Weg zurück. Gegenverkehr haben wir zum Glück kaum, was wohl auch daran liegt, dass es schon ziemlich spät ist. Die Kopfsteinpflaster-Geisterfahrt scheppert zwar genauso wie auf dem Hinweg, aber immerhin gewöhnt man sich mit der Zeit etwas an das Schleudergang-Gefühl. Außerdem halten alle Schraubverbindungen an meinem Rad und Flaschen habe ich sowieso keine mehr in den Haltern. Unser kleiner Ausflug war zwar keine besonders umfangreiche Trainingsfahrt, aber immerhin meine ich jetzt schonmal grob zu wissen, was mich am Renntag erwartet.
In 2 Minuten nach Roubaix
Zurück am Auto tun sich zwei neue Probleme auf. Erstens: Unser Auto hat noch eine Reichweite von gut 20 Kilometern, wir brauchen also dringend Sprit. Zweitens: Es ist 18:28 und die Startnummern-Ausgabe fürs Rennen schließt um 18:30. Nach Roubaix sind es aber ohne Tankstopp gute 40 Minuten. Ohne Startnummer und Ticket für den Shuttle-Bus können wir aber nicht die lange Route fahren, sondern müssen versuchen, uns vorm Rennen noch irgendwie für die mittlere Distanz umzumelden, um dann von Roubaix aus zu starten. Immerhin ist das Auto schnell vollgetankt und wir machen uns auf den Weg nach Roubaix.
Dort angekommen, erweisen sich unsere Presse-Ausweise als Schlüssel zum Erfolg, denn zunächst will uns die Security nicht mehr aufs Festival-Gelände lassen – ist ja schließlich schon seit 45 Minuten Feierabend. Bei der Startnummern-Ausgabe ist ähnlich viel los wie im Fanblock vom VfL Wolfsburg bei einem Auswärtsspiel. Die Franzosen legen halt Wert auf ihren Feierabend, ist ja auch ihr gutes Recht. Ein sehr netter junger Kerl, dessen Name ich leider nicht aufgeschnappt hat, winkt uns jedoch zu sich und wir schildern die Situation: Wir bräuchten bitte, bitte, bitte unsere Startnummern und noch zwei Tickets für den Shuttle-Bus von Roubaix zum Start nach Busigny. Pas de probleme, hier sind eure Nummern, die Busse fahren zwischen 04:00 und 04:30 vom Supermarkt-Parkplatz – viel Spaß beim Höllenritt! Jetzt steht also endgültig fest, dass wir die lange Distanz mit allen Sektoren fahren werden. Es ist kurz vor 8 abends, wir haben noch nix gegessen und unsere Räder brauchen auch noch etwas Liebe. Heißt auch: In 7 Stunden müssen wir wieder aufstehen.
Auf dem Weg zu unserem Hotel legen wir noch einen kurzen Zwischenstopp im lokalen Supermarkt ein, um uns mit Gemüse und Snacks zum Abendessen einzudecken. An ein zünftiges Carbo-Loading ist mangels Zeit nicht zu denken, aber immerhin ist unser Carrefour im Gegensatz zum Carrefour de l’Arbre gefliest und nicht gepflastert. Bis wir aber unser Abendessen zu uns nehmen können, vergehen noch zwei Stunden, denn vorher brauchen unsere Räder noch etwas Liebe aus dem Loctite-Fläschchen.
Fahren wie die Profis: Unterwegs mit dem Cervélo Soloist
Was mein Arbeitsgerät angeht, hatte ich mir schon im Vorfeld viele Gedanken gemacht – aber mich dann letztlich dafür entschieden, mein Cervélo Soloist weitgehend in Standard-Ausstattung zu fahren. Mit den Kontaktpunkten bin ich auf meinen vorigen Probefahrten gut klargekommen, sodass ich keinen Anlass gesehen habe, den Sattel auszutauschen oder das Lenkerband doppelt zu wickeln. Mit meinem Mountainbike-Hintergrund war ich den Winter über ohnehin auf XC-Klickpedalen mit SPD-System unterwegs, sodass ich für Paris Roubaix wieder zu diesem graveligen Setup gegriffen habe. Ein 1x-Antrieb wäre mir deutlich lieber als ein 2x-Antrieb gewesen, aber ist ja kein Wunschkonzert.
Die einzige nennenswerte Veränderung, die ich vornehme, ist die Reifenwahl. Standardmäßig sind am Soloist 29 mm breite Vittoria Corsa aufgezogen, doch für Paris Roubaix wähle ich die 34 mm breite Corsa Pro Control-Variante. Die Skinwall-Ausführung passt optisch zwar so gar nicht zum grauen Soloist, aber mit kaputtem Reifen verzweifelt und verschwitzt in der französischen Pampa zu stehen, stelle ich mir vom Look her noch deutlich blöder vor. Inserts haben wir zwar auch im Gepäck, doch letztlich entscheiden wir uns gegen den Umbau. Denn: Wenn wir uns trotz Insert einen Reifen-Defekt einfahren, kommen wir zwar noch bis zu 50 km weit, aber dann wird es schwierig bis unmöglich, den Reifen ohne Spezial-Werkzeug von der Felge zu befreien.
Beim Luftdruck gehe ich auf Nummer sicher und fahre vorne 3,6 und hinten 3,8 bar. Die Profis sind zwar eher mit 3,2 bis 3,5 bar unterwegs, doch erstens wiegen die eine (oder zehn) Ecke(n) weniger und zweitens haben die auch einen Material-Wagen. Und einen Masseur. Und Edel-Helfer. Und einen Koch. Wir hingegen sitzen auf dem Boden unseres Hotelzimmers und schaufeln Couscous und Karottensalat in uns hinein, während sich die echten Profis auf ihren Spezial-Matratzen schon längst ins Reich der Träume verabschiedet haben.
Was ist eigentlich Schlaf?
Um kurz vor Mitternacht versuche ich es dann auch mit einer Runde Schlaf, was mir aber ziemlich sinnlos erscheint, denn den Wecker habe ich mir auf 3 Uhr stellen müssen. So bleibt mir aber wenigstens keine Zeit, mir allzu viele Sorgen zu machen. Darum habe ich mich glücklicherweise bereits im Vorfeld kümmern können. Vor allem habe ich im wahrsten Sinne des Wortes Schiss vor Magen-Darm-Problemen, denn ich weiß, dass ich lange auf dem Rad sitzen werde, aber ich weiß nicht, ob es irgendwelche sanitären Einrichtungen am Streckenrand geben würde. Ansonsten habe ich natürlich keinen Bock auf einen Sturz, was sich aber einfach nicht ausschließen lässt, wenn man im Pulk mit mehr oder weniger talentierten Radfahrern über die Pavés holpert. Vor allem aber habe ich Sorge vor Defekten. Denn an sich weiß ich, dass wir die Distanz in der vorgegebenen Zeit schaffen können, aber ein oder mehrere Defekte können schnell dazu führen, dass man zu viel Zeit verliert und vom Besenwagen aufgekehrt wird. Für mehrere Checkpoints gibt es nämlich klare Deadlines, denn unser Rennen endet spätestens um 16 Uhr, damit kurz danach die Profi-Frauen ins Velodrom von Roubaix einbiegen können.
Gefühlt wenige Sekunden später reißt mich auch schon wieder der Wecker aus dem Schlaf und wir packen unsere Räder ins Auto, um zur Bus-Abfahrt zu düsen. Dort angekommen stehen hunderte Radfahrer in einer entsprechend langen Schlange und warten darauf, ihr Rennräder in LKWs laden zu können, um anschließend in einem der vielen Reisebusse Platz zu nehmen. Beim Warten unterhalten wir uns mit einem Italiener, der schon zum achten Mal an der Paris Roubaix-Challenge teilnimmt. Er erklärt, dass er sich jedes Jahr schwört, nie wieder dieses Rennen zu fahren, um dann doch einen Grund für die nächste Teilnahme zu finden. In Germany we say Hassliebe and I think that’s beautiful.
Es geht los und ich muss mal
Nach gut einer Stunde Wartezeit sind unsere Cervélos im LKW und wir im Reisebus verstaut. Es muss sich um einen Reisebus für extrem kleine Menschen handeln, denn Beinfreiheit ist praktisch nicht vorhanden – aber zumindest kann ich auf der rund zweistündigen Busfahrt zum Start in Busigny noch ein bisschen schlummern. Wir schieben uns noch hastig ein selbstgeschmiertes Nutella-Brot rein, und dann sind wir auch schon in der Nähe des Starts. Blöderweise vergeht jetzt noch eine Ewigkeit von 30 Minuten, bis unsere Räder aus dem LKW geladen sind, sodass es langsam echt knapp bis zum Start wird.
Ebenfalls kritisch ist zu diesem Zeitpunkt, also um etwa 7:30 Uhr, dass ich sehr dringend aufs Klo muss und es einigen Mitfahrern ähnlich geht. So stehe ich mit 15 anderen jungen Männern in der Schlange vor drei Dixi-Klos, bis irgendwer in die Runde fragt, ob eigentlich irgendjemand Klopapier oder Taschentücher im Gepäck hat. Ich schließe mich dem betretenen Schweigen an und fürchte, dass meine Challenge an diesem Punkt bereits vorbei ist, bevor sie richtig angefangen hat. Unsere Rettung ist ein älteres Ehepaar, das zufällig vorbeikommt, weil sie sich mal anschauen wollten, was hier gerade eigentlich abgeht. Sie haben uns rein metaphorisch den Allerwertesten gerettet und ich bin ihnen zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet.
Auf dem Weg zum Start rufen uns Streckenposten auf Französisch zu, dass wir uns echt beeilen müssen, wenn wir es noch in die letzte Startgruppe des Tages schaffen wollen. Wir legen also einen ordentlichen Sprint hin und kommen gerade so rechtzeitig am Start an. Hätten wir es nicht geschafft, wäre das maximal ärgerlich, denn so oder so müssen wir ja zurück nach Roubaix. Aber so bleiben uns zumindest noch zwei Minuten, um die Atmosphäre vor der Abfahrt einzusaugen – und dann geht er los, der Höllenritt.
Et boum, c’est le choc!
Die ersten Kilometer verlaufen ziemlich unspektakulär: In der Gruppe fahren wir sehr entspannt über französische Landstraßen und das Tempo kommt mir sehr entspannt vor, aber ist ja auch noch früh und es liegt viel Strecke vor uns. Die Laune ist prächtig, solange mein Blick nach vorne gerichtet ist. Auf dem Oberrohr meines Rennrads klebt jedoch ein Sticker, auf dem alle Pavés vermerkt sind. Blöderweise ist die Schriftgröße extrem klein gewählt, was wohl daran liegt, dass es insgesamt 30 Sektoren gibt und selbst so ist der Sticker schon ganz schön lang. Zum Glück habe ich mir gemerkt, dass der erste Sektor schon nach gut 10 Kilometern kommt, aber „nur“ 3 Sterne hat. Der Unterschied am Vortag zwischen 4 und 5 Sternen war schon enorm, sodass ich mir die Logik zurechtspinne, dass 3 Sterne dann ja wohl ziemlich harmlos sein müssten.
Tatsächlich scheppert der erste Sektor, Troisvilles à Inchy, dann doch ziemlich heftig, aber das fällt bei dem Chaos gar nicht auf. Überall stehen Leute rum, die gerade ganz offensichtlich Probleme haben, sodass man ordentlich Schlangenlinien fahren muss. Durch das trockene Wetter ist es ordentlich staubig und dazu muss man wirklich höllisch aufpassen, dass man nicht über eine der unzähligen Trinkflaschen auf dem Pavé fährt. Ein hastiger Blick nach unten zeigt mir, dass meine beiden Trinkflaschen zwar noch an Board sind, aber am seidenen Faden hängen – obwohl ich die Flaschenhalter extra noch mit dickem Tape verjüngt hab. Das hilft aber nicht wirklich und Grip Tape konnte ich auf die Schnelle leider nicht besorgen.
Viel Zeit zum Durchschnaufen bleibt nach dem ersten Sektor nicht, denn schon nach wenigen Minuten folgt der nächste. Spoiler: So ungefähr wird es den ganzen Tag weitergehen. Mit 3 Sternen und 1,8 Kilometern ist der zweite Sektor ähnlich anspruchsvoll wie der erste, aber etwas kürzer – wie lang genau, kann ich während der Holper-Fahrt jedoch nicht erkennen. Jedenfalls kommt es mir aber komisch vor, als der Sektor ziemlich abrupt aufhört, ohne dass am Ende ein Zielbogen ist. Wieso, wird mir schnell klar: Ich fahre gerade lediglich auf einem kurzen, asphaltierten Zubringer zu Teil 2 des Sektors. Aua. Über eine kleine Kuppe geht es vom Asphalt auf den gepflasterten Wirtschaftsweg, und in dem Moment fliegt die vordere meiner beiden Trinkflaschen im hohen Bogen in den angrenzenden Acker. Ich überlege kurz, ob ich anhalten soll, doch die Flasche(n) im Halter fahren ist eigentlich keine Option mehr und in meinen pickepackevollen Trikot-Taschen ist maximal Platz für eine Flasche.
Die Zahl der Sterne? Spielt eigentlich keine Rolle …
Bis zur ersten Verpflegungsstation nach etwa 40 Kilometern stehen noch drei weitere Sektoren mit 4, 2 und 3 Sternen an. Der Sektor mit 4 Sternen ist überraschend angenehm zu fahren, während ich den Pillepalle-Sektor mit 2 Sternen maßlos unterschätze. So langsam dämmert mir, dass eigentlich alle Sektoren richtig hart sind und die Anzahl der Sterne weniger über die Ruppigkeit aussagt und vielmehr ein Indikator für die Länge des Sektors ist. Ob ich das gut oder schlecht finden soll, weiß ich nicht. Aber in jedem Fall macht die Linienwahl auf dem Pavé einen enormen Unterschied.
Normalerweise sind die Sektoren nämlich in der Mitte, also dort, wo die Autos und die anderen schweren Geräte nicht fahren, am höchsten und am gleichmäßigsten, während sie nach außen hin abfallen und ungleichmäßiger werden. Links und rechts zwischen Pavé und Acker gibt es teilweise noch kleine Grünstreifen, die mit Abstand am besten zu fahren sind. Allerdings muss man hier ziemlich aufpassen, dass man die Linie hält – und die ist oft nicht viel breiter als mein 34 mm-Reifen. Außerdem kann’s auch durchaus sein, dass der Grünstreifen abrupt aufhört, in ein riesiges Schlagloch führt oder man, weshalb auch immer, über eine hohe Kante zurück aufs Pavé muss. Ich versuche also, mich generell in der Mitte des Pavés aufzuhalten, aber dort die Grünstreifen zu nutzen, wo man die Strecke halbwegs gut einsehen kann und wo wenig Betrieb ist, sodass ich im Notfall Platz für schnelle Korrekturen habe.
Nach gut einer Stunde und mit einem Schnitt von rund 33 km/h erreichen wir die erste von insgesamt drei Verpflegungsstationen. So richtig nach Essen ist mir nicht zumute, aber Wasser tut gut – zumal ich ja nur noch eine statt zwei Flaschen mit mir führe und weiß, wie wichtig es sein wird, an diesem langen Tag genügend zu trinken. Ich gönne mir etwas Süßkram und bin erstaunt, wie lang die Schlange vor dem Zelt der Sanitäter ist. Ein bisschen erinnert mich die Szenerie an GTA, wo man, wenn man von der Polizei verfolgt wird, einfach zum Lackierer in eine Garage fährt, auf der Rückseite rauskommt und wie durch Zauberhand sind die Sterne verschwunden. Nur, dass hier unzählige Rennradler darauf warten, mit verbundenen Händen aus dem Zelt rauszulaufen, denn das scheint mit Abstand das größte Problem zu sein. Meinen Händen geht es zum Glück noch ganz gut und ich denke mir, dass ein Verband vermutlich eh nicht viel bringen wird.
Der nächste Sektor ist der schlimmste
Gut gestärkt geht’s weiter und ich bin motiviert, einen Gesamtschnitt von über 30 km/h zu halten. Die Asphalt-Abschnitte laufen auch hervorragend, aber das erste Segment nach der Pause ist direkt ein richtiger Klopper. Es tut einfach nur weh und am liebsten würde ich hier und jetzt abbrechen. Die Pause davor war nicht gerade förderlich, im Gegenteil. Ist man mal im Pavé-Modus drin, erträgt man das Geschepper einigermaßen. Aber wenn man vorher eine Pause macht, fühlt man sich erholt, obwohl man es ganz und gar nicht ist. Wenn das so weitergeht, dann halte ich diese Challenge unmöglich durch.
Es folgen mehrere Sektoren mit 3 Sternen und alle tun ungefähr gleich weh, sind aber bei weitem nicht so schlimm wie der unmittelbar nach der Pause. Im Vorfeld habe ich alle Sektoren zusammengezählt und bin auf insgesamt 93 Sterne gekommen. Nach jedem gefahrenen Sektor wird die Anzahl der ausstehenden Sterne etwas kleiner – aber leider in einem Tempo, das an mein Tempo auf Pavé erinnert. Im Vergleich zu vielen Mitleidenden ergeht es mir noch ganz gut, aber es fällt mir extrem schwer, das Tempo auf Kopfsteinpflaster aufrechtzuerhalten.
Einmal Pech ist Pech, immer Pech ist dumm
Mir passiert nämlich immer wieder derselbe Fehler: Ich fahre in einem zu schweren Gang aufs Pavé. Normalerweise schalte ich zwei oder drei Gänge hoch auf der Kassette, aber gerade bei den längeren Sektoren müssten es eher vier bis fünf sein. Je länger der Sektor ist, desto mehr zieht er sich und desto mehr Schwung verliert man. Kurz habe ich Angst, dass ich möglicherweise in einer Endlosschleife gefangen werde, denn je langsamer ich fahre, desto schleppender komme ich voran, desto mehr knallt es, und das macht mich noch langsamer. So würde ich bis an meinen Lebensabend irgendwo auf einem französischen Acker gefangen sein und es geht weder vorwärts, noch rückwärts, bis ich mich selbst in einen Kopfstein verwandle.
Was mit fortlaufender Renndauer erschwerend hinzukommt, sind meine Arme. Denn an sich könnte ich, das erkenne ich an allen Daten auf meinem Computer, mit deutlich höherer Leistung auf dem Kopfsteinpflaster fahren, doch meine Arme machen einfach nicht mit. Ob hier ein niedrigerer Reifendruck helfen würde? Vielleicht, vielleicht auch nicht – das Problem bin einfach ich selbst. Ich wüsste aber auch nicht, wie ich mich anders hätte vorbereiten können, denn die Erschütterungen auf diese Dauer zu simulieren, ist praktisch ein Ding der Unmöglichkeit.
So klammere ich mich immer fester an den Lenker und merke, wie meine Hände mehr und mehr anfangen zu verkrampfen. Am angenehmsten ist eine Griffposition, bei dem der Bremshebel seitlich minimal an der Innenseite meines Zeigefingers schleift. Dadurch wird mit jedem Sektor eine weitere Schicht der Epidermis abgetragen, was in Kombination mit meinen schwitzigen Händen zu einem dezent unangenehmen Gefühl führt.
Im grünen Bereich durch die Zone Rouge
Gleichzeitig bekomme ich aber mit, dass es vielen anderen deutlich schlechter geht. Egal, wo man hinschaut, sieht man Fahrer am Straßenrand, die gerade damit beschäftigt sind, ihr Rad zu reparieren. Wir überholen einen Kollegen, der sein Fahrrad aus einem Sektor rausschiebt. Oder eher gesagt: Das, was von seinem Fahrrad übrig geblieben ist, denn sein Gabelschaft ist durchgebrochen. Er meint, dass sein Arm möglicherweise auch gebrochen sei. Zum Glück sind die Sanitäter direkt zur Stelle. Wir wünschen gute Besserung und machen uns weiter auf unsere Reise.
Paris Roubaix wird häufig als die Hölle des Nordens bezeichnet, und während unserer Tortour de France muss ich daran denken, wie diese Bezeichnung eigentlich zustande gekommen ist. Denn die Strecke ist zweifelsohne höllisch schwer und brutal, doch eigentlich heißt sie Hölle des Nordens, weil das Gebiet von Compiègne bis Roubaix ziemlich genau der Zone Rouge entspricht. Dieser Bereich wurde im Ersten Weltkrieg besonders schwer verwüstet und unzählige Menschen haben hier, wo wir gerade mit unseren Rennrädern unserem Hobby nachgehen, ihr Leben verloren.
Der Gedanke macht mich betroffen, aber ich kenne ihn beispielsweise auch von all den Mountainbike World Cups, bei denen ich als Fotograf tätig bin. Das ganze Wochenende lang geht es nur um die passende Linienwahl, den optimalen Reifen, die perfekte Taktik … absoluten Banalitäten, wenn man mal herauszoomt. Man ist völlig entkoppelt von dem, was sonst so auf der Welt passiert. Gleichzeitig muss ich mich voll und ganz auf das konzentrieren, was nun noch vor mir liegt, und das wird in Kürze der Wald von Arenberg sein.
Das Highlight: Der Wald von Arenberg
Zum Glück haben wir diesen Abschnitt bereits am Vortag trainiert, sodass ich ausnahmsweise weiß, was mich erwartet. Am Streckenrand stehen mittlerweile schon viele Schaulustige, die das Spektakel verfolgen und sich auf das Rennen der Frauen freuen. So ist die Stimmung im Wald von Arenberg großartig – kaum vorzustellen, wie es sich für die Profis anfühlen muss, wenn hier am Sonntag zehntausende Menschen jubelnd am Streckenrand stehen. Der Trouée d’Arenberg ist so heftig, wie ich ihn vom gestrigen Tag in Erinnerung habe, aber ich weiß, dass auch er irgendwann vorbei ist. So kann ich diesen Sektor tatsächlich genießen und freue mich, dass der erste der drei Fünf-Sterne-Pavés hinter mir liegt.
Wir haben nun den Punkt der Strecke erreicht, an dem die mittlere Route auf unsere lange Route getroffen ist – was aber auch bedeutet, dass es noch knapp 100 Kilometer bis ins Ziel nach Roubaix sind. Trotz der Wehwehchen an den Pfoten läuft es insgesamt ziemlich rund, aber schon beim nächsten Sektor, dem berühmten Pont Gibus, merke ich, dass es zäh wird. Während Max förmlich übers Pavé fliegt, komme ich mir vor wie eine Schnecke mit den Steifigkeitswerten einer Schildkröte. Vor allem der nun folgende Sektor Hornaing à Wandignies ist einfach nur schlimm. Mit einer Länge von 3,7 km ist der John Degenkolb-Sektor der längste im ganzen Rennen, obwohl er nur 4 Sterne hat.
Lieber John Degenkolb, ich habe keinen Bock mehr!
Was mich inzwischen wirklich zur Weißglut treibt, ist die Tatsache, dass zwar jeder Sektor mit einem großen Torbogen mitsamt Sternen angekündigt wird, aber nirgendwo die Länge steht (naja, außer auf dem Oberrohr-Sticker in Schriftgröße 4). So wirklich schön oder sehenswert ist die Landschaft im Nordosten Frankreichs ebenfalls nicht. Hin und wieder sieht man einen Industrie-Turm oder ein Windrad, aber ansonsten ist Minimalismus angesagt, sodass ich auf den Pavés einfach nur mir selbst überlassen bin. Jedes Mal, wenn ich einen Zielbogen sehe, ist das ein riesiger Motivationsschub, doch im John Degenkolb-Sektor will das Ende einfach nicht im Blickfeld erscheinen.
Ich gebe zu: An diesem Punkt habe ich keinen Bock mehr, aber aufgeben ist nun wirklich keine Option. Dafür läuft es viel zu gut. Außerdem sind es nur noch 10 Kilometer bis zum nächsten Verpflegungspunkt – aber leider muss ich auf dem Weg zu den Leckereien noch 7 Sterne abhaken. Auf meinem GPS-Gerät sehe ich, wie Durchschnittsgeschwindigkeit, Leistung und Puls mehr und mehr in den Keller fallen, was sich mit meinem subjektiven Eindruck deckt: Bislang ist unsere Challenge gar nicht mal so anstrengend, aber extrem erbarmungslos.
Nach dem Käffchen geht’s bergab
Kurz vor Beauvry-la-forêt knacken wir endlich die 100 km-Marke und gönnen uns dann bei der zweiten Verpflegungsstation einen Kaffee. Inzwischen ist es ordentlich warm – dazu gleich mehr – und trotz bestem Equipment wirkt es so, als sei der Kaffee direkt aus der Hölle gezapft worden. Der Barista erwidert, dass ein guter Kaffee so heiß wie möglich sein müsse, und bietet uns stattdessen eine Cola an. Appetit auf Süßkram habe ich aber keinen und leider ist das Angebot an herzhaften Speisen überschaubar. So müssen Tuc-Kekse und eine Banane ausreichen.
Wir lassen uns bei unserer Pause Zeit, weil wir gut in ebenjener liegen, und ich nutze die Gelegenheit, um den Instagram-Account von Rennrad-News mit Content zu füllen. Schließlich fahre ich ja nicht nur zum Vergnügen mit. Das leichte Trödeln sollte sich aber schnell rächen, denn als wir unsere Fahrt nach gut 20 Minuten fortsetzen, muss Max postwendend umkehren. Sein Hinterreifen hat Luft verloren. Er kehrt um zur Verpflegungs- und Reparatur-Station, um den Defekt zu fixen, während ich auf einem kleinen Mäuerchen Platz nehmen kann.
Der kleine Defekt erweist sich leider doch als größere Sache, denn trotz Tubeless-Aufbau und Würstchen will das Loch nicht abdichten. Ein neuer Hinterreifen muss auf das Cervélo Caledonia-5, was nicht nur einige Francs, sondern vor allem viel Zeit kostet. Einen kleinen Puffer haben wir noch, aber passieren darf jetzt nichts mehr. Das ist leichter gesagt als getan, denn eine der Tücken von Paris Roubaix ist, dass das Rennen gegen Ende in immer härter wird. Die Sektoren folgen nämlich in immer engeren Abständen, sodass die Verschnaufspausen dazwischen immer kürzer werden.
Jetzt ein 1664 …
Weiter geht es nach der unfreiwillig langen Pause mit einem 3-Sterne-Sektor, bei dem ich schon ahne, dass er sich nach 3000 Sternen anfühlen wird. Leider täuscht mich meine Vorahnung nicht. Und danach geht’s ziemlich hart weiter: 3-4-5-2-3, inklusive drei Kilometern Mons-en-Pévèle. Das wird heftig, und spätestens hier verschwimmt auch meine Erinnerung. Der Ablauf ist repetetiv: Ein Sektor kündigt sich an, ich fluche über meine Gangwahl, Max zieht locker-leicht an mir vorbei und ich würde gerne schneller fahren, könnte eigentlich auch schneller fahren, aber bräuchte den Bizeps von Arnold Schwarzenegger. Es ist mir ein absolutes Rätsel, wie die Profis im Rennen bis zu 60 km/h auf dem Pavé fahren, während ich von Schlagloch zu Schlagloch eiere.
Bis dato bin ich in meinem Bericht noch nicht näher aufs Wetter eingegangen. Kurz gesagt: Es war katastrophal. Unser Renntag sollte der bis dato schönste, sonnigste und sommerlichste Tag des Jahres sein – noch etwas frisch am Morgen, im Verlaufe des Vormittags aber immer wärmer und am frühen Nachmittag Höchstwerte von 25°, dazu ein leichter Wind und keine Wolke am Himmel. So, dass man den Tag wunderbar im T-Shirt verbringen kann und eine Sonnenbrille tragen muss, aber es gleichzeitig wunderbar draußen aushält und nicht Gefahr läuft, sich gottlos die Birne zu verbrennen.
Ich bin mir sicher: Wäre ich Franzose oder Belgier und würde in der Nähe der Strecke leben, hätte ich mich nach einem ausgiebigen Frühstück irgendwann im Laufe des Vormittags in der Nähe einer der letzten anspruchsvollen Sektoren absetzen lassen. Die letzten paarhundert Meter hätte ich zu Fuß zurückgelegt – in der linken Hand eine kleine Kühlbox gefüllt mit Softdrinks und Bier, über die rechte Schulter einen bequemen Campingstuhl mit Armlehnen und Getränkehalter. Den Campingstuhl hätte ich irgendwo aufgestellt, wo es mir gerade gut gefällt, und dann hätte ich mir voller Vorfreude aufs Frauen-Rennen das Chaos der Paris Roubaix-Challenge angefeuert. Den leidenden Radlern hätte ich aufmunternde Worte zugerufen und jedes Mal, wenn sie meine Anfeuerungen mit einem gequältem Lächeln erwidert hätten, dann hätte ich einen Schluck 1664 genommen. Schnell hätte ich einen im Tee, zwischendurch würde ich ein paar Nüsschen essen. Der Tag könnte nicht besser sein. Eine herrliche Vorstellung.
Was bleibt, ist ein Sonnenbrand
Blöderweise bin ich aber weder Franzose noch Belgier, und einen Campingstuhl habe ich auch nicht dabei. Stattdessen bin ich in Gießen geboren – eine Stadt, deren markantestes Wahrzeichen das Elefantenklo ist. Eine waschechte Kartoffel also. Und weil diese Kartoffel um 3 Uhr morgens kurz nach dem Aufstehen nicht dran gedacht hat, dass das Wetter heute eigentlich viel zu schön ist, um wahr zu sein, hat sie sich nicht eingecremt und holt sich entsprechend einen veritablen Sonnenbrand. Prima.
Immerhin versammeln sich inzwischen aber ziemlich viele dieser Franzosen und Belgier am Streckenrand und einige von ihnen sind auch schon ordentlich angeheitert. Die Stimmung ist jedenfalls prächtig und es beflügelt tatsächlich, Zuspruch von links und rechts zu bekommen. Dass meine Arme und Hände unfassbar schmerzen, habe ich mittlerweile akzeptiert und tatsächlich empfinde ich Mons-en-Pévèle trotz seiner 5 Sterne und seiner Länge von 3 km als nicht so schlimm. Links und rechts des Pavés kann man immer wieder in den Graben ausweichen und hier weiß ich zumindest, dass der Sektor 3.000 Meter lang ist, sodass ich die Distanz auf meinem Display im Blick behalten kann.
Ebenfalls hilfreich ist, dass Max und ich ein gutes Team bilden. Auf den Pavés versuche ich, mich an ihn zu hängen, was oft nicht klappt, aber trotzdem hilfreich ist. Auf der Straße komme ich zu diesem Zeitpunkt etwas besser zurecht und geteiltes Leid ist in diesem Fall tatsächlich halbes Leid. Unsere Gespräche werden zwar immer kürzer, aber zumindest leiden wir abwechselnd und ungefähr im selben Ausmaß. Ich kann mir kaum etwas demotivierenderes vorstellen, als auf dieser Strecke am absoluten Limit zu sein, während der fliegende Holländer einem vollkommen mühelos davonfährt. Unser Leid harmoniert hingegen ganz gut und so erreichen wir den letzten Verpflegungspunkt.
Roubaix ist in Sicht
Das Muster wiederholt sich: Getränke gerne, auf Süß habe ich nicht so Lust, aber neu ist zumindest ein Sahne-Kuchen und so ein Stück Kuchen gehört einfach zu einem vernünftigen Coffee Ride. Außerdem greife ich zum ersten Mal an diesem Tag zu einem Koffeein-Gel, das mir einen ordentlichen Schub verleiht, während Max im Schatten abkühlt. Ich überlege, ob ich für die letzte Teil-Etappe die GoPro umgeschnallt lasse oder nicht. Die Halterung lässt meinen Nacken enorm verspannen, aber keine Aufnahmen zu haben wäre auch doof. Beschweren will ich mich aber nicht, denn Max fährt die volle Distanz mit einer Vollformat-Kamera über die Schulter und jammert schließlich auch nicht rum.
Die Distanz nach Roubaix ist inzwischen mit noch 33 km überschaubar, aber uns erwarten noch sieben Pavés, davon fünf Stück auf zehn Kilometern – darunter auch das letzte 5-Sterne-Segment Carrefour de l’Arbre. Von Genuss kann keine Rede sein, zumal die Sonne inzwischen wirklich knallt. Aber mit dem Wissen, dass wir es schaffen werden, rollt es sich deutlich entspannter. Außerdem gibt es meiner Wahrnehmung nach gerade gegen Ende des Rennens viele Sektoren, auf denen die Grünstreifen ganz gut ausgebaut sind, was Hände und Gehirn schont. Als Profi würde ich mich hierauf aber nicht verlassen, sondern eher davon ausgehen, dass beim richtigen Rennen hier alles voll mit Zuschauern ist. Während wir unterwegs sind, ist es zum Glück etwas entspannter.
Das soll aber nicht heißen, dass es leichter wird. Im Gegenteil: Sobald von unten die Erschütterungen kommen, versuche ich einfach, mein Gehirn abzuschalten und das Gerüttel über mich ergehen zu lassen. Den Schmerz zu ignorieren, ist aber eine große Herausforderung und hätte ich die Möglichkeit, 1 km Pavé gegen 10 km auf Asphalt einzutauschen, hätte ich mich sofort drauf eingelassen. Derweil macht mein Wahoo-Akku kurz vor Roubaix schlapp und mir geht es ähnlich, aber ich beiße mich durch.
Angekommen im Velodrom
In Roubaix, einem erstaunlich schönen Vorort von Lille, wartet noch ein kurzer Sektor auf uns. Es ist der angenehmste aller Sektoren, was wohl auch daran liegt, dass es der letzte ist und eher der Show dient. Außerdem hat er nur einen Stern, aber den entscheidenden, denn Nummer 93 kann ich abhaken und ins Velodrom einbiegen. Dort fahren wir im Gegensatz zu den Profis nur eine halbe statt anderthalb Runden und ich bin erstaunt, wie steil so eine Radrennbahn ist. So wirklich Zeit, drüber nachzudenken, bleibt jedoch nicht, denn plötzlich bin ich im Ziel und ein Franzose hängt mir eine Medaille um den Hals.
Am Ende habe ich ziemlich genau 6 Stunden Bewegungszeit mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 28,1 km/h und einer NP von 239 Watt aufgezeichnet. Mein durchschnittlicher Herzschlag lag während der Fahrt bei 142, also pulstechnisch eigentlich eine perfekte Zone-2-Fahrt. Das deckt sich eigentlich auch ganz gut mit meiner Empfindung, denn was die Ausdauer angeht, hätte ich mir die 175 km deutlich anstrengender vorgestellt. Die Belastung für Arme und Hände kann das GPS-Gerät jedoch nicht aufzeichnen, und diesen Aspekt habe ich massiv unterschätzt.
In den Minuten nach der Ziel-Durchfahrt könnten mir solche Statistiken aber egaler kaum sein. Wir liegen auf der Radrennbahn, sind stolz auf unsere Leistung und gönnen uns jeweils einen Quetschie, den wir von Anfang an in der Trikottasche hatten. Kein Wunder, dass Babies und Kinder so auf diese Dinger abfahren. Ich könnte ewig in diesem Zustand verharren, doch schnell werden wir verscheucht, denn Pauline Ferrand-Prévot und Co. sind im Anflug.
Und jetzt endlich Pommes
Wir hetzen schnell zum Auto, werfen ein frisches T-Shirt über und tauschen den verschwitzten Helm gegen eine Kappe. Mit Kameras über die Schulter geht es zurück ins Velodrom, um das Finale der Frauen zu dokumentieren und eine Portion Pommes zu genießen. Endlich was Salziges, auch wenn ich mir am Ketchup ordentlich den Mund verbrenne. Danach geht es für uns unmittelbar weiter nach Belgien, wo wir das weitere Wochenende mit Team Visma verbringen werden. Die Stimmung hier könnte besser nicht sein, denn das Rennen der Frauen konnte das niederländische Team für sich entscheiden. Als Pauline Ferrand-Prévot in den Speisesaal kommt, erheben sich alle und applaudieren. Ich schließe mich selbstverständlich dem Beifall an, aber würde lieber drauf verzichten, denn nach den ganzen Pavés noch zu klatschen ist ganz schön schmerzhaft.
Die darauffolgende Nacht ist deutlich länger als die davor, denn statt 3 Stunden Schlaf kann ich mich nun fast 6 Stunden hinlegen – immerhin eine Verdopplung! Nach einem hastigen Frühstück steigen wir ins Auto und fahren nach Compiègne zum Start des Männer-Rennens. Für mich beginnt dort der wohl hektischste Teil des Wochenendes, als ich durch die Boxengasse hetze, um die Rennräder der Profis zu fotografieren. Der Tag ist straff durchgetaktet, denn wir begleiten und verfolgen das Rennen von einem Visma | Lease a Bike-Teamfahrzeug aus.
Während unser Fahrer an ausgewählten Stellen mit Ersatz-Laufrädern am Streckenrand steht, können wir Fotos machen und uns die Rennaction aus nächster Nähe anschauen – zwar nicht auf den entscheidenden Sektoren, aber trotzdem nah genug dran, um uns extrem zu beeindrucken. Wie hart die Strecke ist, ist nicht in Worte zu fassen und schon gar nicht, wenn man das mit dem Renntempo der Profis kombiniert. Also versuche ich es erst gar nicht. Was mich aber wirklich fasziniert, ist die Soundkulisse. Wenn das Peloton über Kopfsteinpflaster anfliegt, gleicht das einem heftigen Gewitter, das urplötzlich aufzieht und genauso schnell wieder weg ist.
Wie ein Tattoo mit dem Presslufthammer
War die Paris Roubaix-Challenge des härteste Rennrad-Rennen meines Lebens? Ein ganz klares Ja, denn es war bislang auch das einzige. Nochmal mitfahren würde ich eher nicht, aber reizen würde mich es schon irgendwie nochmal. Dann aber auf einem sportlichen Gravel-Bike mit 40er oder 45er-Reifen, denn das, was ich damit auf Asphalt verlieren würde, würde ich auf den Pavés locker wieder rausholen. Meine Hände und Arme haben extrem gelitten, der Rest erstaunlich wenig – aber das macht Paris Roubaix wohl aus.
Würde ich eine Teilnahme empfehlen? Wenn man leidensfähig ist und etwas für den Mythos Roubaix übrig hat, dann definitiv ja. Vor allem, wenn man sich dann noch die Rennen der Profis anschaut und die Atmosphäre so richtig aufsaugt. Die Paris Roubaix-Challenge ist sicher kein Rennen, das man wegen der Schönheit der Landschaft oder dem tollen Streckenverlauf mitfährt, aber am Ende wird man unfassbar viele Geschichten zu erzählen haben. Ich habe diese gut 7.000 Wörter ohne Schwierigkeiten zusammentippen können und hätte locker auch doppelt so viel schreiben können.
Mit einem Kollegen unterhalte ich mich einige Tage nach dem Event über mein Erlebnis bei der Paris Roubaix-Challenge. Seine saloppe Antwort auf meine Schilderungen: „Um ehrlich zu sein, klingt das ziemlich beschissen, also nichts, was man nochmal erleben muss. Aber wahrscheinlich ists wie beim tätowiert werden: Nach ein paar Tagen vergisst man, wie schlimm es war, und dann macht man es nochmal.” Der Vergleich passt meiner Meinung nach hervorragend, auch wenn ich weder tätowiert bin noch die Absicht habe, irgendwann wieder an der Paris Roubaix-Challenge teilzunehmen. Ein eindrückliches Erlebnis war’s aber allemal – und wer weiß, welches Rennrad-Event ich mir als nächstes unter die Haut stechen lasse …
9 Tipps für ein (halbwegs) angenehmes Paris Roubaix Challenge-Erlebnis
- Das beste Rennrad für die Paris Roubaix-Challenge … ist vermutlich ein Gravel-Bike oder gar ein Mountainbike. Die Pavés ziehen so viel Kraft und Geschwindigkeit, dass es fast schon egal ist, auf was man unterwegs ist. Einige Teilnehmer waren sogar auf vollgefederten Mountainbikes mit Slick-Reifen unterwegs. Das wäre mir persönlich nicht real genug. Basierend auf meiner Erfahrung wäre ein sportliches Gravel-Bike mit breiten Reifen und einem komfortablen Cockpit die beste Lösung.
- Logistik Gerade bei der langen Distanz ist die Logistik sehr herausfordernd. Am besten übernachtet man in (der Nähe von) Roubaix und lässt sich per Shuttle-Bus für rund 40 € zum Start bringen, aber die Fahrt ist mit viel Warterei verbunden und man muss sich um 4 Uhr morgens an einem Parkplatz einfinden. Möglicherweise ist es schlauer, am Vorabend per Zug zum Start nach Busigny zu fahren und sich dort ein Hotel zu nehmen, aber dann nur mit minimalem Gepäck. Oder man fährt einfach die mittlere Distanz, die von Roubaix aus startet. Das nimmt sehr viel Stress aus der Gleichung.
- Klopapier einpacken … denn sonst kann das Rennen vorbei sein, bevor man überhaupt gestartet ist.
- Verpflegung An sich gibt es ausreichend Verpflegungsstationen, sodass man unterwegs nicht allzu viel Proviant braucht. Vermisst habe ich – bis auf eine meiner beiden Trinkflaschen – eigentlich nichts.
- Linienwahl und Geschwindigkeit Durch eine geschickte Linienwahl kann man die Pavé-Sektoren etwas erträglicher gestalten und eine hohe Geschwindigkeit hilft hier tatsächlich – wenn man sich denn dazu durchringen kann. Ich konnte es nicht wirklich. Außerdem lohnt es sich, mit unterschiedlichen Griffpositionen rumzuexperimentieren, um der Ermüdung und Erschöpfung vorzubeugen.
- Modifikationen am Fahrrad Breite Reifen sind kein Muss, aber auf jeden Fall sinnvoll: Je mehr, desto besser. Ansonsten sollte man das Material fahren, dem man ohnehin vertraut. Außerdem lagen überall Trinkflaschen rum. Grip Tape auf den Flaschen schafft definitiv Abhilfe und vor Rennbeginn sollte man unbedingt jegliche Schraubverbindungen auf Herz und Nieren prüfen.
- Pacing-Strategie Die beiden kürzeren Routen sollten rein tempomäßig gut machbar sein. Für die lange Route gibt der Veranstalter an, dass man auf Asphalt einen 28er-Schnitt und auf Pavé einen 14er-Schnitt fahren muss, um es rechtzeitig ins Ziel zu schaffen. Wenn man nicht zu sehr bummelt, sollte das für geübte Rennrad-Fahrer eigentlich kein Problem sein – zumindest, wenn man sich aus eigener Erfahrung zutraut, in flachem Gelände über 100 km ein Tempo von ungefähr 30 km/h zu halten, ohne im roten Bereich zu fahren. Der größte Knackpunkt sind meiner Meinung nach Defekte, die ein richtiger Zeitfresser sein und das ganze Vorhaben gefährden können. Will man die lange Route fahren, sollte man zusehen, möglichst früh am Start in Busigny zu sein, damit man einen adäquaten Puffer hat.
- Ein Stern ist ein Stern Gib nicht zu viel auf die Klassifizierung der Sektoren, denn jeder Abschnitt knallt brutal – die mit 2 Sternen aber einfach etwas kürzer als die mit 3 oder 4. Einzige Ausnahme ist der Trouée d’Arenberg, wo es einfach bodenlos scheppert. Gleichzeitig ist das meiner Meinung nach aber auch der beste Sektor. Und irgendwann ist auch das übelste Gerumpel vorbei!
- Alles aufessen, … denn sonst gibt’s schlechtes Essen, und das wäre wohl sehr krass. Bei Sonnenschein haben wie Sektoren ordentlich Grip geboten, auch wenn es teilweise etwas staubig war. Bei Regen dürfte die Paris Roubaix-Challenge nochmal eine andere Hausnummer sein.
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