Neues Raaw Jibb im ersten Test: (F)rohnatur
Neues Raaw Jibb im ersten Test: Welches Produkt stellt man einem so erfolgreichen ersten Wurf wie der Madonna an die Seite? Eine Frage, die Ruben Torenbeek seit der Gründung begleitet hat. Und auch wenn es anfangs hieß, dass es kein Trailbike wird, steht jetzt das neue Raaw Jibb auf dem Hof. Ein 29″-Trailbike mit 150 mm Federweg vorne, 135 mm hinten und auf den ersten Blick erkennbarer Raaw-DNA. Wir konnten das Alu-Rad vor dem Launch bereits testen und es vor allem auf seine Schlamm- und Schlitten-Eignung bewerten. Vorhang auf für das neue Raaw Jibb!
Steckbrief: Raaw Jibb
Einsatzbereich | Trail, All-Mountain |
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Federweg | 150-160 mm/135 mm |
Laufradgröße | 29ʺ |
Rahmenmaterial | Aluminium |
Gewicht (o. Pedale) | 14,7 kg |
Rahmengrößen | S, M, L, XL (im Test: XL) |
Website | de.raawmtb.com |
Mit dem Raaw Jibb verdoppelt die junge Marke um Ruben Torenbeek sein Angebot und stellt dem langen und langhubigen Enduro-Bike Madonna V2 einen kleinen Bruder an die Seite. Bei Raaw von klein zu sprechen ist aber ungefähr so, als würde man den günstigsten Porsche als billig bezeichnen – eine gutmütig große Rahmengeometrie trifft an diesem Trailbike immerhin auf 150 mm Federweg an der Front. Charakteristischer für den Einsatzbereich Trail ist der geringere Federweg von 135 mm am Heck.
Das Jibb steht durch die vier Rahmengrößen hindurch auf großen 29″-Laufrädern. Veränderung gibt es zwischen den Rahmengrößen aber nicht nur am Hauptrahmen, sondern auch am Hinterbau. Die verschiedenen Einsätze im Ausfallende lassen aber auch ein Verändern der Geometrie zu. Streitbar sinnvollen Schnickschnack findet man am Jibb nicht. Hier ist alles mit Sinn und Verstand gemacht. Interne Zugverlegung, die mehr kosten würde und dann vielleicht noch klappert? Nein danke. Dafür gibt es Features, die hinsichtlich der Bedienung, der Haltbarkeit und der Anwenderfreundlichkeit wahre Freude bereiten dürften.
Mit 3,6 kg Rahmengewicht ohne Dämpfer richtet sich das Jibb aber nicht gerade an Fans von Leichtbau – aufgebaut in Größe XL wiegt das Rad 14,7 kg. Dafür verspricht es ein absolut sorgloser Begleiter zu sein. Und: Der Name verspricht Spieltrieb – wie viel davon steckt wirklich im neuen Raaw Jibb?
Im Detail
Schon als das Bike auf den Hof gerollt wird, ist unverkennbar, dass es sich dabei um ein Raaw handelt. Die DNA in Formensprache und natürlich der fehlenden (Farb-)Lackierung verleitet auf den ersten Blick zum Trugschluss, dass hier ein Madonna V2 steht. Falls also in den letzten paar Wochen ein Rad dieser Sorte an euch vorbeigerollt ist, könnte direkt vor eurer Nase und ohne Tarnung ein Produkttest stattgefunden haben.
Von ungefähr kommt diese Nähe aber nicht, denn nicht nur Formensprache und das lediglich klarlackierte Alu erinnern an die große Schwester: Der Rohrsatz entspricht sogar dem der Madonna. Gut für Raaw, können sie doch aus dem bewährten Grundmaterial ein weiteres Produkt schaffen. Schlecht für Redakteure, die gerne über Neuigkeiten berichten. Zum Glück sind die Features am Jibb aber spannend, praxisnah und zu aktuellen Standards teilweise erfrischend unkonventionell.
Klar kann man mit innenverlegten Zügen ein schickes Erscheinungsbild erzielen, aber wenn man sich ehrlich ist – dieses Rad spricht Menschen an, die selbst aufbauen, umbauen und vor allem fahren. Noch deutlicher wird das in der aktuellen Situation, in der sich der kleine Hersteller noch stärker auf Rahmen-Kits fokussiert. Optik? Zweitrangig. Praktisch muss es sein. Und das ist es. Dieses Credo zieht sich am Rahmen durch und Faktoren, die für gewöhnlich eher weniger betrachtet werden, kommen in der Prioritätenliste weiter nach oben.
Fall 1: Es gießt seit Tagen und der Drang nach draußen ist gewaltig. Geil, wenn man ein Rad hat, das so konstruiert ist, dass es sich leicht abwaschen lässt. Möglichst wenige Verstecke für klebrigen Matsch? Das lässt die Freude beim Putzen weniger schnell in den Keller fallen.
Fall 2: Es gießt seit Monaten und der Drang nach draußen war in den vergangenen Wochen gewaltig. Super, wenn man ein Rad mit großen Lagern hat, die dank der zusätzlichen Dichtlippe an der Abdeckung aussehen wie neu. Das schont nicht nur den Geldbeutel, sondern macht auch weniger Frust.
Fall 3: Es hat aufgehört zu gießen – aber man hat blöderweise sein Multitool vergessen und der Verkäufer an der Tankstelle kramt aus seiner Schublade nur einen 5er Inbus raus. Wie gut wäre es, wenn man mit einem Werkzeugkopf fast jede Schraube am Hinterbau bedienen kann. Halt. Wie gut ist das!
Mit diesen kleinen Detaillösungen kann man vielleicht nicht gegen vollmundige Marketingversprechen antreten und an der Eisdiele für staunende Gesichter sorgen. Sobald es aber in den regelmäßigen Praxiseinsatz geht, sorgt dieser Fokus von Raaw immer wieder für Freude. Sorglos ist das Wort, das es trifft. Und spätestens, wenn man mal mehr an einem Fahrrad schrauben muss, wird man diese Feinheiten lieben lernen.
Was die vollmundigen Marketingversprechen angeht, hält sich Raaw zwar zurück, aber die Hausaufgaben wurden auf jeden Fall erledigt. Schauen wir uns den Viergelenk-Hinterbau an: Mit hohem Anti-Squat im Sag-Bereich sollte das Jibb bergauf sehr ruhig sein. Zum Federwegs-Ende fällt dieser ab. Übermäßigen Pedalrückschlag sollte es nicht geben. 15 % Progression hören sich im ersten Moment nicht gigantisch an, Raaw verspricht aber einen sehr definierten Hinterbau und genügend Endprogression, um nicht ständig durchzuschlagen. Klingt alles sehr vernünftig!
Die weiteren Details gefallen auch: Ein Trinkflaschenhalter findet im Hauptrahmen Platz, nahe dem Sitzrohr kann man am Oberrohr Werkzeuge unterbringen. Ein geriffelter Kettenstreben-Schutz soll die Alu-Kettenstrebe schützen und für Ruhe sorgen. Zum Schutz gibt es außerdem einen Unterrohr-Schoner. Falls man dem Namen gerecht werden will und via Crank-/Unterrohr-Grind Rails runterjibben will, ist der Rahmen geschützt. Oder natürlich bei Steinbeschuss.
Geometrie
Bei der Geometrie verfolgt Raaw ein paar Ziele: Eine gute Sitzposition, eine ausgeglichene Radlast-Verteilung und ein verspieltes, aktives Fahrverhalten fusioniert mit der DH-DNA der Madonna. Angefangen bei der guten Sitzposition lassen sich der Geometrie-Tabelle der mit 77,5° angenehm steile Sitzwinkel und der hohe Stack entnehmen. Aufrecht und nicht zu gestreckt dürfe man sitzen. Für die ausgeglichene Radlast-Verteilung lässt Raaw die Kettenstrebenlänge mitwachsen. Größe S und M werden mit einem Einsatz für 440 mm ausgeliefert, in Größe L steckt der Chip für 445 mm und am XL Rad gibt es 450 mm. Die Bauteile sind jedoch austauschbar – so kann man auch am S-Rahmen die ganz lange Strebe fahren oder am XL auf 440 mm kürzen.
Beim verspielten und aktiven Fahrverhalten fallen der relativ zur Madonna steilere Lenkwinkel und der kürzere Hauptrahmen auf. Mit 65,5° verspricht Raaw viel Druck am Vorderrad und ein spritziges Handling. Beim Reach bewegt man sich ab 420 mm am S-Rahmen in 25 mm Schritten in Richtung 495 mm am XL. Insgesamt ist der Rahmen damit nicht extrem lang, aber in einem sehr modernen Bereich. Platz für längere Vario-Sattelstützen oder der Griff zum nächstgrößeren Rahmen dürfte bei unter 400 mm Sitzrohrlänge am S- und maximalen 470 mm am XL-Rahmen gegeben sein.
Rahmengröße | S | M | L | XL |
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Laufradgröße | 29″ | 29″ | 29″ | 29″ |
Reach | 420 mm | 445 mm | 470 mm | 495 mm |
Stack | 608 mm | 622 mm | 636 mm | 649 mm |
STR | 1,45 | 1,40 | 1,35 | 1,31 |
Lenkwinkel | 65,5° | 65,5° | 65,5° | 65,5° |
Sitzwinkel, effektiv | 77,5° | 77,5° | 77,5° | 77,5° |
Sitzwinkel, real | 74,5° | 74,5° | 74,5° | 74,5° |
Oberrohr | 561 mm | 589 mm | 619 mm | 648 mm |
Steuerrohr | 100 mm | 115 mm | 130 mm | 145 mm |
Sitzrohr | 395 mm | 420 mm | 445 mm | 470 mm |
Kettenstreben | 440 mm | 440 mm | 445 mm | 450 mm |
Radstand | 1.172 mm | 1.203 mm | 1.240 mm | 1.276 mm |
Tretlagerabsenkung | 35 mm | 35 mm | 35 mm | 35 mm |
Einbauhöhe Gabel | 561 mm | 561 mm | 561 mm | 561 mm |
Gabel-Offset | 44 mm | 44 mm | 44 mm | 44 mm |
Federweg (hinten) | 135 mm | 135 mm | 135 mm | 135 mm |
Federweg (vorn) | 150 mm | 150 mm | 150 mm | 150 mm |
Ausstattung
Bereits im Laufe der Woche hat sich auch Raaw zur aktuellen Situation und den damit verbundenen Schwierigkeiten geäußert. Vorerst wird es auch beim Jibb Rahmensets geben – und die ersten Rahmen gibt es nur in Kombination mit dem Formula MOD-Dämpfer. Im Verlauf des Frühjahrs sollen aber auch Fox-Dämpfer wieder lieferbar sein und man hat die Wahl zwischen verschiedenen Modellen. Kostenpunkt: Ab 2.290 € geht es ohne Dämpfer los, mit MOD oder DPX2 liegt der Preis bei 2.590 €, teurer wird es mit Float X2 (2.740 €) und DHX2 (2.840 €). Aber auch zwei komplette Ausstattungsvarianten werden angeboten und sind ab heute bestellbar. Raaw rechnet aktuell mit einer Auslieferung der Kompletträder im Mai.
Beide Ausstattungsvarianten setzen den Fokus klar auf High-End beim Fahrwerk und sind jeweils mit Fox Factory-Fahrwerk ausgerüstet. Einzig beim Dämpfer kann man verschiedene Optionen als Alternative zum DPX2 wählen. Neben dem Float X2 lassen sich mit dem Formula MOD und dem DHX2 auch Stahlfeder-Dämpfer ausrüsten. Während das XTR-Modell bei Antrieb und Laufrädern etwas mehr Bling Bling aufweist, ist das Fox Factory-Modell etwas bodenständiger. Hier wird anstelle der Newmen Advanced-Laufräder aus Carbon das erschwinglichere und in unseren Tests größtenteils bewährte Alu-Modell aus der Evolution-Reihe eingesetzt. Abgesehen davon unterscheiden sich nur noch Bremsen und Antrieb. Am XTR-Build ist der Name Programm, am Factory-Build wird mit XT-Teilen gearbeitet.
- Federgabel Fox 36 Float Factory (150 mm)
- Dämpfer Fox Float X2 Factory (135 mm)
- Antrieb Shimano XT
- Bremsen Shimano XT
- Laufräder Newmen SL A.30 Evolution
- Reifen Maxxis Highroller II / Maxxis Dissector
- Cockpit Acros (780 mm) / Acros (40 mm)
- Sattelstütze Fox Transfer (170 mm)
RAAW Jibb | Fox Factory Build | XTR Build |
Rahmenmaterial | Alu | Alu |
Federgabel | Fox 36 Factory 150 mm Grip2 | Fox 36 Factory 150 mm Grip2 |
Dämpfer | Fox DPX2 Factory (DHX2 oder Float X2), Formula MOD | Fox DPX2 Factory (DHX2 oder Float X2), Formula MOD |
Vorbau | Acros 40 mm, 50 mm oder 60 mm | Acros 40 mm, 50 mm oder 60 mm |
Lenker | Acros Alu 780 mm 25 mm Rise | Acros Alu 780 mm 25 mm Rise |
Griffe | Ergon GD1 Evo Factory Slim Frozen Stealth | Ergon GD1 Evo Factory Slim Frozen Stealth |
Bremsen | Shimano XT M8120 | Shimano XTR 9120 |
Schaltung | Shimano XT M8100 | Shimano XTR M9100 |
Laufräder | Newmen Evolution A.30 | Newmen Advanced A.30 |
Reifen | Maxxis HighRoller II, Maxxis Dissector | Maxxis HighRoller II, Maxxis Dissector |
Sattelstütze | Fox Transfer Factory 125 mm, 150 mm oder 175 mm | Fox Transfer Factory 125 mm, 150 mm oder 175 mm |
Sattel | Ergon SM Enduro Men M/L | Ergon SM Enduro Men M/L |
Gewicht | N/A | N/A |
Preis | ab 5.490 € | ab 7.290 € |