Manitou Mezzer Pro im Test: Leichter Verwandlungskünstler
Manitou Mezzer Pro im Test: Big Bikes bringen zwangsläufig viel Gewicht ins Haus. Wer das glaubt, sollte sich die Mezzer anschauen: Anders, als ihre Optik mit 37 mm dicken Standrohren vermuten lässt, liegt sie nur knapp über der 2 kg-Marke und verfügt über vielfältige, einzigartige Verstellmöglichkeiten wie beispielsweise einem hydraulischen Endanschlag. Wir hatten sie schon einmal im Test, erweiterten den Eindruck nun mit einem noch breiteren Portfolio an Testfahrern und verglichen sie mit den restlichen 170 mm-Federgabeln am Markt.
Manitou Mezzer Pro – Infos und Preise
Die Manitou Mezzer hatten wir schon ausführlich getestet – als Pionier bei der Rückkehr von großen Standrohr-Durchmessern darf sie aber auch bei diesem Test nicht fehlen. Auch wenn Manitou mit seinen Produkten inzwischen eher eine Underdog-Rolle einnimmt, kann die Mezzer, was das Innenleben angeht, durchaus mit den Großen spielen. IRT, HBO, MC2 – reichlich spannende Lösungen stecken im Inneren.
Mit 160 bis 180 mm Federweg und in den zwei Laufradgrößen 27,5“ und 29“ wird die Manitou-Gabel angeboten. Beim Standrohr-Durchmesser reiht sie sich mit 37 mm genau mittig zwischen den aktuell populären Durchmessern 36 und 38 mm ein. Mit nur 2.080 g ist sie sehr leicht für die Kategorie, die sie bedient – und somit auch der leichteste Teilnehmer im Vergleichstest. Trotzdem richtet sich die eigenständige Gabel wie auch die Konkurrenz an Fahrer und Fahrerinnen, die eine Gabel für den harten Enduro-Renneinsatz suchen.
- Laufradgrößen 27,5″, 29″
- Federweg 160 mm bis 180 mm
- Federung Dorado Air-Luftfeder mit IRT-Luftkammer
- Dämpfung MC2-Dämpfung
- Farben schwarz
- Achsmaß Boost 15 x 110 mm
- Achsen Schraubachse
- Offset 37 mm, 44 mm, 51 mm
- Gewicht 2.060 g (Herstellerangabe), 2.080 g (gewogen, 29″, 170 mm)
- hayesbicycle.com
Preis 1.090 € (UVP) | Bikemarkt: Manitou Mezzer Pro kaufen
Im Detail
Auffällig, aber anders – so könnte man Manitou-Gabeln beschreiben. Durch die weiterhin verwendete Reverse Arch-Technologie setzt sich auch die Mezzer von der Masse ab. Reverse Arch – so nennt Manitou die auf der Rückseite des Castings angebrachte Brücke. Diese Anordnung spart laut Manitou Gewicht. Im Vergleich zu den Gabeln mit kleinerem Standrohr-Durchmesser steht sie bereits sehr gut da, gegen die dicken Kollegen kann sie gewichtsmäßig den Spitzenplatz einheimsen. So wiegt sie 2.100 g bei 29″ und 170 mm Federweg.
Neben dem Reverse Arch ist aber gar nicht so viel erkennbar, was die Gabel nennenswert leichter macht. Rein optisch wirkt sie bullig, schwer – Achssystem, massive Krone – keine großen Leichtbauteile erkennbar. Bleiben wir bei der Achse. Hier verwendet Manitou auch seine bestehende Technik: Die Achse wird ins Ausfallende eingeführt und in die hexagonale Passung des Castings gesteckt. Auf der gegenüberliegenden Seite ist die Schraube so im Casting fixiert, dass sie nicht herausfallen kann – festziehen, fertig!
180 mm Bremsscheiben-Durchmesser ist an der Mezzer das Minimum, weniger wäre an einer solchen Gabel aber auch nicht sinnvoll. Mit Spacern lässt sich die Post-Mount-Aufnahme auch auf größere Scheibendurchmesser anpassen. So viel zum Äußeren – wesentlich spannender ist der Blick ins Innenleben.
Federung & Dämpfung
Federung
Ein kleines Alleinstellungsmerkmal ist die Feder der Mezzer. IRT getauft, macht dieses System das, was sich andere für teures Geld nachrüsten und Manitou packt das Feature sogar noch in ein anwenderfreundliches, einfach zu bedienendes System. Gehen wir ins Statt zwei Luftfedern verbaut Manitou ganze drei. Eine Negativ-Feder, zwei Positiv-Federn. Der Clou dabei ist die Reihenschaltung der zwei Positiv-Federn: Mit diesem System lässt sich die Kennlinie der Federgabel sehr individuell abstimmen.
Damit das ganze System aber nicht superkomplex wird und ganze drei Ventile braucht, ermöglicht es Manitou, mit einem Ventil Negativ- und Positiv-Kammer simultan zu befüllen. Danach kann man sich ganz auf die Abstimmung der IRT-Kammer einlassen. Zwei weitere große Vorteile werden hier geboten: Will man mehr Endprogression? Pumpe oben ansetzen, IRT-Kammer weiter aufpumpen. Will man weniger Federweg? Keine Ersatz- bzw. Zukaufteile nötig, einfach durch das Einsetzen von Spacern in die Negativ-Kammer machbar.
Dämpfung
Seiner Underdog-Rolle wird Manitou auch beim Blick auf die Dämpfung einmal mehr gerecht – hier drin stecken wiederum unkonventionelle Features, die für den gewissen Mehrwert sorgen könnten. Fangen wir oben an: Auch die MC2-Kartusche braucht eine Technologie zur Volumenkompensation. Manitou ging auch hier bislang einen anderen Weg als viele andere Hersteller: Ein Schaumstoff-Röhrchen in der Kartusche wurde komprimiert, wodurch das vom Schaft verdrängte Volumen aufgenommen werden konnte. In der Mezzer setzt man erstmals auf einen Bladder.
Die Ventile für High- und Lowspeed-Dämpfung unterscheiden sich im Prinzip nicht groß von herkömmlichen Lösungen: Nadelventile für die langsamen Schaft-Geschwindigkeiten und (vorspannbare) Shimstacks für größere Schaft-Geschwindigkeiten.
Spannender ist das HBO-Ventil: eine positionsabhängige Dämpfung, die zum Federwegs-Ende greift und als hydraulischer Durchschlagschutz fungiert. Auch dieses Ventil gibt es seit einiger Weile. In älteren Ausführungen der MC2-Dämpfung war dieses noch verstellbar.
Setup
Anhand des Setup-Guides von Manitou findet man Angaben für den Luftdruck in der Hauptkammer sowie dem IRT, welches für die Progression zuständig ist. Weitere Anmerkungen wie der empfohlene Sag (20 – 25 %) und eine Begriffserklärung für unterschiedliche Verhaltensweisen in bestimmten Fahrsituationen finden sich ebenso wie schematische Zeichnungen für die Art der Kräfte, die auf das Bike wirken. Alles ist sehr verständlich und nachvollziehbar erklärt, leider aktuell nur auf Englisch.
Im ersten Schritt gilt es, an der Gabel das IRT zu befüllen, danach die Hauptkammer. Bei der Zug- und Druckstufe muss man sich auf das eigene Gefühl verlassen, enthalten sind jedoch grobe Empfehlungen für Downhill, Enduro und Trail. Je abfahrtslastiger man sich orientiert, desto langsamer sollte laut Manitou die Zugstufe gefahren werden, dafür mehr Highspeed-Druckstufe. Im Trail-Einsatz kehrt sich diese Empfehlung um. An der Lowspeed-Druckstufe liegen Trail- und Downhill am geschlossenen Ende nah beieinander, für Enduro gilt ein recht großer Bereich bis hin zum weichsten Setup. Mit 10 Klicks für die Zugstufe und die Lowspeed-Druckstufe sowie nur 4 Klicks an der Highspeed-Druckstufe bleibt der Zählaufwand beim Tuning überschaubar.
Technische Daten
Alle technischen Daten, Details, Standards und Infos zum Service der Manitou Mezzer Pro findet ihr im folgenden Abschnitt zum Ausklappen:
DVO Onyx SC D1 | Fox 38 | Manitou Mezzer | Marzocchi Z1 Coil | RockShox Zeb Ultimate | Trust Shout | |
---|---|---|---|---|---|---|
Federweg | 160 – 180 mm | 160 – 180 mm | 160 – 180 mm | 150 – 170 mm | 150 – 190 mm | 178 mm |
Verfügbare Laufradgrößen | 27,5" 29" | 27,5" 29" | 27,5" 27,5+ 29" | 27,5" 29" | 27,5" 29" | 27,5" 29" |
Feder | Luft–Stahl, OTT-Negativfeder-Einsteller | Luft–Luft, Ausgleich beim Einfedern | Luft–Luft, simultane Befüllung über ein Ventil, IRT | Luft–Luft, Ausgleich beim Einfedern | Luft–Luft, Ausgleich in Nullstellung | Luft–Luft, Ausgleich beim Einfedern, Zweiseitige Feder |
Lowspeed Druckstufe | Extern, 6 Klicks | Extern, 16 Klicks | Extern, 10 Klicks | Extern, Stufenlos, HSC und LSC gleichzeitig | Extern, 17 Klicks | Extern, 20 Klicks |
Highspeed Druckstufe | Extern, 29 Klicks | Extern, 8 Klicks | Extern, 4 Klicks | Extern, Stufenlos, HSC und LSC gleichzeitig | Extern, 4 Klicks | Intern |
Lowspeed Zugstufe | Extern, 25 Klicks | Extern, 9 Klicks | Extern, 10 Klicks | Extern, XX Klicks | Extern, 17 Klicks | Extern, 20 Klicks |
Highspeed Zugstufe | Intern | Extern, 8 Klicks | Intern | Intern | Intern | Intern |
Volumen- veränderung | Intern, Öl | Intern, Volumen-Spacer | Keine, dafür hydraulischer Durchschlagschutz und IRT | – | Intern, Volumen-Spacer | Intern, Volumen-Spacer |
Weiteres Tuning | OTT, 11 Umdrehungen | Fox Factory Tuning | IRT Luftfeder | – | – | Medium Einstellung 5 Klicks |
Einbauhöhe | 592 mm (29", 180 FW) | 593,7 mm (29", 180 FW) | 594 mm (29", 180 FW) | 577,1 mm (29", 170 FW) | 596 mm (29", 180 FW) | 580 mm (29", 178 FW) |
Schaft | Tapered 1 1/8"-1,5" | Tapered 1 1/8"-1,5" | Tapered 1 1/8"-1,5" | Tapered 1 1/8"-1,5" | Tapered 1 1/8"-1,5" | Carbon, Tapered 1 1/8"-1,5" |
Standrohr- durchmesser | 36 mm | 38 mm | 37 mm | 36 mm | 38 mm | – |
Bremsaufnahme | PM7" (180 mm) | PM7" (180 mm) | PM7" (180 mm) | PM7" (180 mm) | PM8" (200 mm) | PM7" (180 mm) |
max. Bremsscheibe | 220 mm | 230 mm | 220 mm | 203 mm | 220 mm | 203 mm |
Achse | Schraubachse 15 mm | QR oder Schraubachse, 15 mm Steckachse | Schraubachse 15 mm | QR 15 mm Steckachse | Schraubachse 15 mm | Schraubachse 15 mm |
Offset | 44 mm (29") 42 mm (27,5") | 44, 51 mm (29") 37, 44 mm (27,5") | 44, 51 mm (29") 37, 44 mm (27,5") | 44, 51 mm (29") 37 mm (27,5") | 44, 51 mm (29") 38, 44 mm (27,5") | Dynamisch |
Einbaubreite | 110 mm | 110 mm | 110 mm | 110 mm | 110 mm | 110 mm |
Reifenfreiheit | Details im Artikel, ca. 2,6" | 2,6″ | 2,6″ mit Schutzblech / 2,8″ ohne Schutzblech | 2,6″ | 2,8" | 29" x 2,6"; 27.5" x 2,8" |
Farben | schwarz, grün, blau | schwarz, orange, pistachio | schwarz | schwarz, rot | schwarz, grau, schwarz-matt | anthrazit |
Gewicht (Herstellerangabe) | 2.250 g | ab 2180 g | 2.060 g | ab 2.525 g | 2.265 g | 2.165 g |
Gewicht (nachgewogen, gekürzter Schaft, Kralle, Achse) | 2.335 g | 2.332 g | 2.080 g | 2.470 g | 2.245 g | 2.116 g |
Preis (getestete Version) | 1.099 € | 1.589 € | 1.090 € | 949 € | 1.089 € | 2.299 € |
Auf dem Trail
Dieses Jahr hatten wir die Manitou Mezzer bereits im Einzeltest. Viele der Eindrücke konnten wir nun durch weitere Tester bestätigen. Beim Uphill bleibt sie vergleichsweise ruhig und wer seine Bikes in Excel plant, um das Gewicht nach unten zu drücken, wird die Manitou Mezzer berücksichtigen müssen: Trotz bulliger Bauweise und viel Federweg ist sie mit knapp über 2 kg ein echtes Leichtgewicht für diese Kategorie. Für Manche ist dieser kleine Vorteil entscheidend genug.
Manitous Empfehlungen für den Luftdruck in der Haupt- und Progressions-Kammer passten für die meisten Tester gut. Am unteren Ende in Richtung 60 kg wurde es etwas schwieriger, aber dazu später mehr. Für Gewichtsbereiche ab 70 bis knapp über 100 kg hatten wir mit den Luftdrücken ein gutes Basis-Setup. Um die Mezzer an die Charakteristik des jeweiligen Bikes anzupassen, nutzt man die IRT Luftkammer: Dein Bike ist etwas progressiver? Erhöhe den Druck etwas. Ist dein Bike etwas linearer? Verringere den Luftdruck. Hat man sein Bike an Front und Heck in Balance gebracht, kann man es direkt ordentlich laufen lassen. Die Mezzer sorgt für keinerlei Überraschungen und schuftet die vorgesetzte Arbeit unbeeindruckt weg.
Wer sein 170 mm-Bike gerne auf entspanntere Trails mitnimmt und dabei nicht im Federweg versinken möchte, kann die Mezzer entweder schnell über die Regler zudrehen oder mit ein wenig mehr Aufwand mit der Dämpferpumpe nachhelfen. Dann bleibt sie stramm und hoch im Federweg und generiert aus Wellen mehr Geschwindigkeit. Zuhause ist sie aber dort, wo es eben den Hub benötigt, um sicher und flott Wurzeln und Steine zu überwinden. Nach kurzer Eingewöhnungszeit kann man der Mezzer bereits viel Vertrauen entgegenbringen. Trotz des vergleichsweise geringen Gewichts für die 170 mm-Kategorie fällt sie nicht zu weich aus. Treu folgte sie den Eingaben des Fahrers und ließ sich auch nicht bei Schrägfahrten über Wurzelstücke von ihrem Kurs ablenken, wie es bei manchen, eher zu steifen Gabeln der Fall ist.
Entsprechend fein abgestimmt vermittelte die Manitou Mezzer viel Sicherheit auch in grobem Gelände – für dicke Brocken vor und auf dem Bike.
Manitou operiert mit der großen Luftkammer an der Mezzer mit eher niedrigen Luftdrücken in beiden Luftkammern. Diese Eigenheit in Kombination mit dem internen hydraulischen Durchschlagschutz fordern etwas, wenn es um das Tuning für die letzten 10 % Performance geht. So gilt es, gerne mal nur ein paar Psi in der Hauptkammer oder dem IRT zu probieren. Weniger Druck im IRT bedeutet nämlich nicht zwangsläufig zu wenig Durchschlagschutz. Dafür hat es den HBO (hydraulischer Durchschlagschutz): So kann der geneigte Nutzer die dynamische Fahrhöhe exakt beeinflussen, ohne Gefahr zu laufen, bei einem tendenziell eher weichen Setup und einem harten Durchschlag den Lenker zu verlieren. Eine sehr spannende Möglichkeit, die im Testfeld nur bei Manitou zu finden war.