Die Gehrig-Twins bei der Heim-EWS Zermatt: 11 Monate Wartezeit und beinahe im Schnee versoffen!
Wer hätte gedacht, das 2020 mit einer Pandemie in die Geschichtsbücher eingehen würde. Die Wahrscheinlichkeit, dass wir in diesem Jahr gar keine Rennen bestreiten würden, schien uns zeitweise fast schon realer, als nochmals an den Start zu gehen zu können. So war unsere Vorbereitung wie bei allen eine emotionale Achterbahnfahrt. Doch den Willen weiter zu trainieren haben wir nicht so schnell verloren, schliesslich haben wir im Winter viel Fleiß und Schweiß investiert, um uns auf die Saison vorzubereiten. Uns im Lockdown gleich hängen zu lassen war nicht unser Ding, stetig, aber mit einigen Anpassungen haben wir weiter trainiert. So konnten wir uns bei Form und Laune halten und haben unsere Hometrails in Flims gleich nochmals mehr geschätzt.
„Ich glaube erst, dass es los geht, wenn ich in Zermatt am Start stehe.“- diese Aussage von Caro bezog sich eigentlich nur auf die Covid-Thematik und nicht auf weitere Faktoren, die das Rennen verunmöglichen sollten. Doch der Blick auf die Wettervorhersage in den Tagen vor dem Event ließen ein paar weitere Fragezeichen im Raum stehen. Sage und schreibe 93 mm Niederschlag waren für Samstag angesagt! Da Zermatt selbst schon auf über 1600 m ü. M. liegt, wissen wir nur zu gut, das dies schnell in Schnee kippen kann. Nun gut, die letzten Sonnentage vor dem Rennen wollen wir noch so richtig genießen und hatten eine super Zeit auf den wunderschönen Trails um Zermatt.
Für das Training am Samstag richten wir alle unsere Regenkleider, warme Handschuhe und alles, was wir sonst noch so finden, um uns warmzuhalten. Das Training startet wegen des schlechten Wetters verspätet und mit einer Änderung der Reihenfolge der Stages. Dennoch stehen vier Stages an. Wir starten das Training mit einer der schwierigsten Stages – „Glacier Garden“. Der ganze Regen verwandelt den Track in eine Rutschbahn aus Switchbacks und sehr rutschigen Steinpassagen. Wir kennen die Strecke bereits und können entsprechend selbstbewusst in die Besichtigung starten. Ich fahre gleich durch und feiere die Stage ziemlich ab! Im strömenden Regen warte ich im Ziel auf Caro, doch sie kommt nicht direkt und ich lasse sie mit Mechaniker Mirjan zurück. Nass und kalt lässt es sich echt nicht gemütlich am Berg warten. Die nächste Abfahrt „After Work“ ist von da recht schnell erreicht. Oben noch rutschig und über ein Feld führend geht es weiter rasant über einen mit Wasserabschlägen durchzogenen Trail, den Bunnyhop sauber auszuführen lohnt sich für die Felgen – oder eben um keinen Platten zu holen.
Im zweiten Abschnitt jagen uns die Organisatoren über den neu angelegten Flowtrail, definitiv nicht mein Lieblingsabschnitt, die vielen Kurven führen schier endlos gegen Tal. Doch das letzte Stück kennen wir bereits vom vorherigen Jahr, der Moostrail macht Spass und man kann es ordentlich laufen lassen.
Zurück im Pit wechsle ich erst mal in einen komplett frischen Satz Kleider, immerhin für ein paar Minuten habe ich es so wieder warm. Unsere Mutti haben wir in der Zwischenzeit losgeschickt, um uns noch mehr lange Unterhemden zu besorgen, die kommen uns in der Kälte gelegen. Die nächste Besichtigungsrunde führt uns mit der Bergbahn über Sunegga und Blauherd zur Stage mit dem Namen „Lake Link“- eine alte Bekannte aus dem letzten Jahr. Von der schönen Aussicht über die blauen Seen rüber zum Matterhorn ist nichts zu sehen, es herrscht dicker Nebel, doch den Trail erkennen wir gerade noch genug weit. Oben geht es relativ flach den See entlang, bevor die Angelegenheit technisch wird. Die Spitzkehren sind sehr flach und es gilt, möglichst viel Schwung um die Ecken mitzunehmen. Es gelingt uns eine super Trainingsfahrt und ich bin immer mehr überzeugt, dass die nassen Konditionen meinem Selbstbewusstsein nichts anhaben können. Wenn dann habe ich ernsthafte Bedenken, wie ich meine Hände und Füsse bei diesen Temperaturen warm halten kann, denn viel Gefühl haben wir beide nicht mehr.
Auf dem langen Anstieg zur vierten und letzten Stage schaffen wir es nicht aufzutauen, trotz ziemlich langer Schiebepassage möchten wir nun einfach so schnell wie möglich ins Warme. „Rock n’ Roll Extended“ ist die längste Abfahrtsetappe und zugleich die Queensstage. Der obere Teil führt durchs alpine Gelände: Steinig und den Elementen ausgeliefert schlängelt sich der Trail mit einigen kniffligen Passagen hinunter, der Boden hier ist lehmiger als auf den anderen Abfahrten und recht rutschig. Bevor wir in den Wald stechen, können wir noch unserer guten Freundin Jacky zuwinken, sie steht wie einige unserer Freude als Marshall an der Strecke. Wie toll ein Heimrennen zu haben!
Der untere Teil ist sehr wurzlig und wir machen uns auf eine Rutschpartie gefasst, doch just in dem Moment wo wir in den Wald hineinfahren, öffnen sich die Himmelsschleusen und es pisst nochmals in Strömen. Die Fahrt macht richtig Spass, dem Wasser folgend ist es zwar eine wilde Fahrt, doch die Strecke präsentiert sich gar nicht so rutschig wie angenommen. Trotz des garstigen Wetters klatschen wir uns ab– was für ein geiler Trainingstag! Den restlichen Tag verbringen wir vorwiegend im Bett um uns wieder aufzuwärmen, zum Glück haben wir vom Cervo Zermatt eine sehr schöne warme Bleibe erhalten.