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Susann Köpke: Drei Sterne für den geraden Weg

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Es gibt Kampfabende, die mit fröhlichen Gruppenfotos enden. So wie letzten Mai, bei den Weltmeisterschaften der Frauen in Istanbul, als einige Boxerinnen nachher unbedingt mit Susann Köpke abgelichtet werden wollten. Das ist »das Schönste, was man zurückbekommen kann«, wie sie findet, »weil es Wertschätzung bedeutet.« Es gibt aber auch Kampfabende, wo jemand zunächst sehr wütend ist. So wie vor Jahren beim Black Forest-Cup, als ein Aktiver, der von ihr wegen unsportlichen Verhaltens disqualifiziert worden war, partout nicht runterkommen wollte und sie bedrohlich fixierte. Es war »das einzige Mal, wo ich etwas Unbehagen verspürt habe«.

»Einige Trainer am Ring waren zwar schon in Bereitschaft, um eventuell einzugreifen«, erinnert Susann Köpke. »Aber sowas kann trotzdem mal richtig eskalieren…«

Möglich ist eben fast alles, wenn der dritte Mensch im Ring mit dem obligaten weißen Hemd und Einweghandschuhen durch die Seile schlüpft. Das ist prinzipiell das Los aller Ringrichter und der wenigen Ringrichterinnen im olympischen Boxen, denn wie sagt sie selbst: »Es kann immer etwas passieren, auf das man einfach nicht vorbereitet ist.« Deshalb fährt jemand in dieser Funktion immer gut damit, den gewissen Rest von Unsicherheit zu überspielen – und so souverän wie möglich zu bleiben.

Respekt im Ring: Bekommt kein/e Unparteiische/r geschenkt

»Alle müssen wissen, wer der Chef im Ring ist«, spricht Köpke aus der Erfahrung von weit über tausend Veranstaltungen. »Das ist eine Sache der Ausstrahlung, des Respekts. Den muss man sich als Mann genau wie als Frau erarbeiten.« Und am besten ist es sowieso, »wenn der Kampf vorbei ist und sich keiner an die dritte Person im Ring erinnern kann. Dann hast du alles richtig gemacht.«

So wie beim ersten Finale des vergangenen olympischen Turniers in der Tokioter Arena Ryogoku Kokugikan, als die für Japan startende Sena Irie durch einstimmigen Punktsieg über Nesthy Retecio von den Philippinen Gold im Federgewicht gewann. Oder hatte da wer die deutsche Ringrichterin mit dem blonden Zopf bemerkt, die ab und zu — so viel wie nötig und so dezent wie möglich — zwischen die Kontrahentinnen trat? Dieser 3. August 2021 markierte nicht nur für die gefeierte Siegerin, sondern tatsächlich auch für die Unparteiische einen bisher einmaligen Höhepunkt.

Seit sie vor zwölf Jahren ihren Weg als Unparteiische einschlug, hat sich Köpke, 1983 in Rostock geboren und dann in Bad Doberan aufgewachsen, doch immer neue Ziele gesetzt. Nicht anders als eine Sportlerin, die permanent ihre Leistungsgrenzen ausreizt: »Erst träumt man von der ersten deutschen Meisterschaft, die man leiten darf, dann von den ersten Europa- oder Weltmeisterschaften. Aber das höchste Ziel war für mich immer Olympia, und dass ich das relativ schnell erreichen würde, hätte ich nie gedacht.«

Solange man keine Konkurrenz darstellt, wird man auf jeden Fall unterstützt. Danach muss man sich als Frau noch mal extra beweisen.

Eine eingefleischte Männerdomäne ist doch allenfalls am Anfang zügig aufgemischt, wie die ehemalige Fuß- und Handballerin, Kickboxerin und olympische Boxerin vom Allround Gym in Rostock (13 Kämpfe, ein dritter Platz bei deutschen Meisterschaften) kritisch anmerkt: »Solange man keine Konkurrenz darstellt, wird man auf jeden Fall unterstützt. Danach muss man sich als Frau noch mal extra beweisen. Umso mehr, wenn man jung und vielleicht nicht ganz hässlich ist…«

Ihr Ex-Trainer Christian Morales und vor allem Dieter Wellner vom SV Einheit Güstrow, der (inzwischen verstorbene) Kampfrichter-Obmann für Mecklenburg-Vorpommern, gaben der Novizin jedoch die nötige Rückendeckung. Alles Weitere schaffte sie mit viel Einsatz und der ihr eigenen Beharrlichkeit selbst.

»Ich habe wirklich sehr, sehr viel Zeit in deutschen Hallen verbracht, während andere am Strand gelegen haben«, betont sie nicht ohne Stolz. Außerdem erforderten regelmäßige Praxis und Prüfungen einen Zeitaufwand, den nur eine bekennende »Bekloppte« zu leisten bereit ist. Unterstützt von einem Unternehmen, das der IT-Spezialistin im Außendienst bei Bedarf auch mal kurzfristig frei gibt; sowie einem Partner, der gar nicht erst versucht, sie zu Hause, auf einem renovierten Hof außerhalb der Hansestadt, anzubinden. Übers Jahr fressen ihre Einsätze zwanzig und mehr Wochenenden sowie in aller Regel den gesamten Urlaub auf.

Erlebnis Olympia: Mehr als ein Bonbon

Darum war die Berufung für Tokio, die sie als Einzige unter den deutschen Kampfrichtern erhielt, viel mehr als bloß ein Bonbon. »Ich hab´ geweint vor Freude, als ich die Nachricht erhielt«, erzählt die Durchstarterin mit der Leidenschaft für Motorräder (eine 985 Kubik schwere Maschine der US-Marke Buell steht in der Scheune). »Denn erstens hatte ich nicht damit gerechnet, und zweitens war es ein megatolles Gefühl, mit dabei sei zu dürfen. Da ging es nicht um den nächsten Stempel im Reisepass, sondern um das Erlebnis schlechthin.«

Spätestens seitdem, aber eigentlich schon länger ist ›die Susi‹, wie Freunde und Freundinnen sagen dürfen, das ultimative Role Model. Ihr leuchtendes Beispiel soll andere Frauen ermutigen, sich ebenso unter dem Dach des Deutschen Boxsport-Verbands (DBV) ausbilden zu lassen. Noch ist der weibliche Anteil am Kampfrichter-Wesen, vorsichtig formuliert, durchaus ausbaufähig. Nur müsste der Verband das vielleicht noch deutlicher kommunizieren, merkt sie kritisch an.

»Es sind ja nur eine Handvoll Frauen auf den internationalen Turnieren unterwegs, wenn überhaupt«, so Köpke. »Die müssen sich natürlich noch mal doppelt behaupten…«

Und wo liegt jetzt für sie das nächste Ziel, nachdem der olympische Traum in Erfüllung gegangen ist? Auch da muss die hellwache Frau nicht lange überlegen. »Ich möchte das gern noch mal unter anderen Bedingungen erleben«, legt sie sich fest, »also mit Zuschauern und ohne Corona-Protokoll. In Tokio durften wir Kampfrichter während drei Wochen nur eine dreistündige Busfahrt machen. Ansonsten haben wir von Land und Leuten nichts gesehen.«


Susann Köpke

Der Beitrag Susann Köpke: Drei Sterne für den geraden Weg erschien zuerst auf Deutscher Boxsport-Verband e.V..

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