LSC Junior beim Rolex Middle Sea Race
Dieses Race war nicht einfach nur ein Race, sondern ein ganz besonderes Erlebnis. Ein einzigartiges Abenteuer wäre eine zutreffende Bezeichnung.
Spontanität, Tatkräftigkeit, Entschlossenheit, Teamwork, Gänsehautmomente und natürlich Spaß beschreiben das Abenteuer grob und sagen gleichzeitig schon viel aus.
Um die Challenge von 606 Seemeilen durchs Mittelmeer überhaupt antreten zu können, stellten sich uns anfangs noch Hürden in den Weg, denn ohne Boot geht sowas eher schlecht.
Durch den Ausfall von askew stand uns eine Absage für das ganze Event bevor. Doch spontan (etwa eine Woche vor dem eigentlichen Abflug) fand sich noch eine Lösung für uns in Kroatien. Eine Dehler 38 SQ von in2theblue in Punat sollte unser neues Raceboot werden. Zu dem Zeitpunkt war klar, entweder es ziehen alle mit (mit der Unsicherheit nicht den OSR Cat. 2 Regeln zu entsprechen) oder wir lassen es. Denn von Punat ist Malta nicht gerade um die Ecke und auch die Liste an noch zu erledigenden Dingen wie z.B. zusätzliche Bilgenpumpen oder Installation vom AIS wurde eher länger als kürzer. Dabei haben wir gemerkt wie viel man schaffen kann, wenn man entschlossen ein Ziel verfolgt und zusätzlich noch tatkräftige Unterstützung von hilfsbereiten Menschen erhält.
Nachdem das Wichtigste erledigt war und auch der Rest der Crew um 01:00 Uhr nachts in Punat ankamen, ging die Überführung nach Malta/Valletta auch schon los.
Die ersten Meilen wurden unter Motor zurückgelegt, denn der Wind ließ noch etwas auf sich warten. Sobald er dann da war, fing der Spaß an und wir konnten ein langes Stück unter Gennaker runter Richtung Malta heizen. Gleich hier machten sich die Umbauten, welche unterwegs gemacht wurden ziemlich schnell bezahlt. Bei der einen Böe hat das Fall einfach mal den Quick Release gemacht, aber ein Glück hatten wir schon ein zweites Fall eingefädelt. Für die perfekte Racevorbereitung durften stürmische Winde und Wellen natürlich nicht fehlen und blieben uns nicht erspart. Also blieb uns dann auch eigentlich gar nichts anderes übrig, als als Team zu funktionieren. Nicht, dass das sonst ein Problem gewesen wäre ????
Jeder Einzelne an Bord war eine Bereicherung. Ob wegen technischen Wissens, Segelerfahrung, einer guten Portion Humor, guten Geschichten oder Hilfsbereitschaft… wir hatten einfach eine gute Zeit zusammen gefüllt mit Gesprächen, Kartenspielen, gemeinsame Kochstunden sowie Nachtschichten, „Oh wooow schau mal!“ – Momenten (Sonnenauf- & untergänge, Sternschnuppen, Küstenlandschaft Italiens, Flugfische …) und so viel mehr.
Nach ca. 755 Seemeilen und 5 Tagen segelten wir nachts, umgeben von einer geringen Konzentration an Leuchtalgen, auf Valetta zu.
Die nächsten Tage wurde der Hafen immer voller an Regattateilnehmern und Booten und die dort herrschende Stimmung ist nur schwer zu beschreiben. Überall wurde noch geschraubt, umgebaut, unnötiger Ballast im Container eingelagert und sich voller Vorfreude auf die Regatta vorbereitet. Technikcheck, Skipperbesprechung, eine kurze Trainingseinheit mit den wichtigsten Manövern, Auskundschaften der Windbedingungen im Startgebiet, Segelwechseln als Übung und eine Crew Party standen noch auf dem Plan. Eine Besichtigung der doch etwas schnelleren Top-speed Boote wie zum Beispiel der Black Jack 100 oder der Volvo Ocean Raser im anderen Hafenviertel hat natürlich auch stattgefunden.
Am 18.10 standen wir zusammen mit diesen Top-speed Booten und allen anderen (insgesamt mit 117) am Start im Altstadthafen von Valletta. Gestartet wurde in Blöcken, sodass die langsamsten Boote als erstes über die Startlinie segelten und die schnellsten als letztes.
Dieser Blick über ein Feld an Segelbooten, welches unter Gennaker zu ersten Rundungsmarke segelte, sorgte für Gänsehaut, den Wunsch so etwas öfter erleben zu können und eventuell einer kleinen Freudenträne.
Mit der Zeit wurden wir von den schnelleren Booten überholt und das Feld verteilte sich immer weiter auf dem Meer, alle auf den Weg in Richtung Sizilien. Frachter empfanden dies wohlmöglich als weniger lustig und wichen freiwillig auf einen Umweg aus. Was weniger lustig war für uns, waren die folgenden Stunden. Starker Wind, hohe Wellen, ein kurzzeitiges Gewitter und eine gute Portion Regen. Wenn schon, denn schon. So ging es dann in die erste Nacht rein.
Ein Learning aus dieser Nacht: Seekrankheit sollte man nicht unterschätzen!
Am nächsten Tag bot sich uns ein unfassbar schöner Blick auf die Bergketten Sizilien den Dörfern und Städten und natürlich den Ätna entlang der Küste in Richtung der Straße von Messina. Diese stellte sich uns und anderen durch die gegebenen Wind- und Strömungsbedingungen als eine Herausforderung dar, welche von unseren Leuten in der Nachtschicht Nerven und Grips abverlangte. Spoiler, sie haben es super geschafft, während andere von der Strömung wieder zurückgetragen wurden.
Die nächste Bahnmarke war Stromboli. Für alle die es nicht wissen, Stromboli ist ein aktiver Vulkan und gehört zu den 7 Liparischen Insel im Tyrrhenischen Meer nördlich von Sizilien. An genau diesen Tag hatten wir so wenig Wind, dass es zeitiger sogar günstiger war das nervtötend schlagende Groß runterzunehmen, damit der Gennaker stabiler steht. Dann abends endlich Stromboli und Strombolochino (kleiner nebenliegende Fels) zu runden war sehr belohnend und beeindruckend. Immer wieder krachte es mal laut, es war eine Aschewolke zu sehen und sobald es dunkel war, konnte man oben am Krater glühende Lava sehen. Verrückt war auch die Feststellung, dass auf diesem Vulkan Menschen leben.
Die folgende Nacht hatten wir zusätzlich zu guten Wind- und Wellenbedingungen das Glück, über mehrere Stunden hinweg von ein paar Delfinen begleitet zu werden, welche durch eine höhere Leuchtalgenkonzentration einen Leuchtschweif hinter sich herzogen. Das hatte Disneyfilmpotential.
Der nächste Tag war geprägt von Wind und Welle, wunderschönen Segelwechseln die gleichzeitig zu Duschen wurden, umherfliegendem geschnippelten Gemüse, sitzen auf der hohen Kante, wie die Hühner auf der Stange und eine schöne Sicht auf die Berge bei Palermo, sowie einen sehr schönen Sonnenuntergang. Anschließend ging es vorbei an Favignana, Pantelleria und auf Lampedusa zu.
Lampedusa ist mit einer Entfernung von ca. 368 Kilometern Luftlinie zu Tunesien Ziel für viele Flüchtlinge. In der Ferne dann tatsächlich ein Flüchtlingsboot zu sehen und den Funkverkehr dazu mitzubekommen, war eine Erinnerung daran, wie weit manche Lebens- bzw. Leidensrealitäten auf dieser Welt voneinander entfernt sind. Eine Erinnerung daran, was es für ein Privileg ist, so zu leben wie wir. In diesem Moment standen sich die wohl mit am weitesten voneinander entfernten Realitäten direkt gegenüber. Während wir aus Spaß auf einem sicheren Boot mit zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen durchs Mittelmeer segelten, traten diese Menschen die gefährlichste Flüchtlingsroute an und riskierten ihr Leben, in der Hoffnung auf das, was wir wie selbstverständlich unseren Alltag nennen.
Für uns ging es weiter…
An diesem Punkt wurden dann schon Schätzungen abgegeben, wann wir denn wohl ins Ziel kommen würden. Der nächste Morgen um 07:00 Uhr wurde als utopisch abgestempelt, während die meisten so auf den Spätmittag tippten.
Wie schön, dass Utopien anscheinend doch wahr werden können…
Unter Gennaker mit richtig schönem, starkem Wind, stabil anschiebenden Wellen und einer Menge Spaß ging es in der letzten Nacht zurück nach Malta. Und so erreichten wir pünktlich zum Sonnenaufgang das Ziel.
Während in Kroatien noch die Worte fielen: „mal schauen, ob wir es zeitig nach Malta schaffen und alles vorbereitet bekommen“, dann „mal schauen, ob wir es mit dem Zeitlimit schaffen“, konnten wir schließlich sagen, dass wir nach ca. 6 Tagen, nach ORC-Wertung den 52. Platz belegt haben.
Die nächsten Tage wurde nochmal die Altstadt von Valletta besichtigt, es wurde alles zusammen geräumt und gepackt und nach der Siegerehrung wurde abends nochmal richtig gefeiert, bevor es dann am Morgen für die Ersten zurück nach Hause ging.
An dieser Stelle nochmal ein riesengroßes Dankeschön an unseren Skipper Joshi, der alles organisiert und geplant hat und auch nicht losgelassen hat, als es hieß wir könnten nicht teilnehmen.

