100 Jahre YCB – 100 Meilen im Solent – What a lovely trip, indeed!
Die Vorurteile dem Revier gegenüber stellen sich als völlig unbegründet heraus. Schönster Sonnenschein, prächtiger Vollmond, hochsommerliche Temperaturen, moderate Winde, freundliche und hilfsbereite Menschen. Das Essen ist auch nicht gar so übel, jedenfalls gibt es genug Bier. Wir lernen die Fine Cut Oxford Marmalade und Colman‘s Mustard kennen und lieben. „You are from Austria? Lovely“.
Nach einer etwas beschwerlichen, aber dennoch sehr interessanten Anreise (und dann später auch Rückreise) per Bahn über Zürich, Paris und London erreichen wir nach 30 Stunden Southampton. Das mondäne Café Sprüngli, der imposante Gare de Lyon, die etwas freizügige und nicht ganz jugendfreie Rue St. Denis, der neu renovierte Notre Dame, ganz klein auch der Tour d’Eiffel, die imposante St. Pancras Station, Tower Bridge, St. Catherine’s Docks, das Restaurant “Train Bleu”. Ein epischer Ort reiht sich an den anderen, beinahe nach dem touristischen Motto „Europa in 3 Tagen“. Dass Bahnfahren Nerven schonender ist als der Flug, stellt sich als Irrtum heraus: im Eurostar werden uns die Segelmesser und die CO2-Patronen der Automatikwesten rüde abgenommen. Ein Passagier wurde sogar festgenommen und verschwand mit großem Geleit. Goodbye!
Die von Fairview Sailing übernommene Dufour 460 „Oarsome Dream“ erweist sich als tolles und gepflegtes Segelboot, das sehr agil im Ruder liegt und auch die anspruchsvollen Segler unter uns zufrieden stellt. Dennoch erleben wir täglich die deutlichen Restriktionen durch die mit bis zu 4 kn zum Teil sehr starke Strömung im Revier. Diese hat nicht nur Auswirkungen auf das Fortkommen und den Törnplan, sondern verstärkt auch den Ruderdruck. Das Ganze ist sehr gewöhnungsbedürftig, aber nach ein paar Tagen freut uns diese Herausforderung so sehr, sodass wir uns den Effekt auch gerne und erfolgreich zu Nutze machen. Es gilt also, immer mit der Strömung und der Welle zu segeln und sie sich zu Freunden zu machen. Der Wind selbst spielt eine untergeordnete Rolle. Dieses Motto hilft wohl auch in anderen Lebenslagen
Zunächst führt uns der Weg im 2. Reff vom Hamble [hmbl] River mit einer steifen Brise nach Lymington. Motorprobleme in der starken Querströmung an der Flussmündung lassen uns die Hilfsbereitschaft des Hafenkapitäns unter Blaulicht erleben, was wir uns gerne erspart hätten. Im zweiten Anlauf verlassen wir den Hamble River Richtung Solent und genießen einen Tag mit Sonnenschein und bis zu 28 Knoten Wind. Der ausgiebige Anlegeschluck im The Haven beruhigt bald unsere Nerven, erleichtert die Sache aber Dank anderer Nebenwirkungen in weiterer Folge auch nicht.
Weiter geht es mit einem schönen Segeltag nach Bucklers Hard im Beaulieu [bjuli:] River. Wie überall muss man hier zumindest 4 Tage im Voraus reservieren, aber einmal hier, weiß man den atemberaubenden Zauber der Landschaft zu schätzen. Der Weg auf dem sehr engen und nicht gerade tiefen Fluss erfordert genaues Timing und höchste Konzentration am Ruder. Belohnt wird man dann aber mit den wohl luxuriösesten Duschanlagen in ganz Großbritannien (oder gar ganz Europa?) und dem Bilderbuchvillage Beaulieu, das nach einem 2,5 Meilen – Spaziergang dem Fluss entlang einige Überraschungen bietet: Pferde laufen auf dem Fussballplatz und der Hauptstraße frei herum. Das dürfen sie, weil sie – genauso wie der ganze Fluss – dem Duke Montagu gehören. Apropos Duschen: Dass man hier in der Gegend extrem hundefreundlich ist, zeigt sich an mehreren Details: automatische Hunde-Dusch-Anlage am Badestrand, Mooring for Dogs vor der Kneipe, eigenes Wasserfass mit Pipe samt individuellen Trinkschüsseln gleich neben der Bar und dann noch der freundliche Hinweis, seinen Hund beim Nachhauseweg aus der Bar nicht zu vergessen.
Der letzte Tag erweist sich in seglerischer Hinsicht als krönender Abschluss. Konstante 4 Bft füllen die weißen Segel. Aber aufgepasst: Die Strömung lässt uns nicht vorwärtskommen. Nach 2 Stunden Am-Wind-Kurs immer noch auf der gleichen Höhe? Steuermann: „Was tuascht oh do?“. Eine massive grüne Tonne überholt uns an Steuerbord, oder fahren wir etwa rückwärts? Die Einfahrt nach Southampton nehmen wir nun auch unter Segeln in Angriff und behaupten uns selbstbewusst neben den Riesentankern und den Schnellfähren. Nun gehören wir dazu! Die Town Quay Marina erschließt sich uns in ihrer spröden Schönheit nicht zur Gänze. Was soll’s, wir sind mit den Tagen dennoch hoch zufrieden.
So, this is goodbye, then?
Bertold Bischof
PS: Vielen Dank an die wunderbar harmonische und interessante Crew. Andreas hielt den Funkkontakt zu den Häfen. Christiane wusste immer, welche Leine wo zu bedienen war. Liane ließ unsere Magen nie knurren und sorgte immer für genügend Tee. Dieter war Garant dafür, dass zumindest etwas Whiskey an Bord war. Markus managte die aufwändige An- und Abreise und hielt den Vercharterer im Zaum. Resi segelte immer geradeaus und sorgte sich um genügend Wasser an Bord. Bertold hatte den Überblick und sorgte sich um genügend