Norddeutsche Meisterschaften einst und jetzt
Auf dem Sommerfest, bei dem viel über die diesjährigen Erfolge gesprochen wurde, kam nach dem Club Zweier-ohne unter der Dusche die Idee auf, wieder einmal in einem Achter auf der Norddeutschen Meisterschaft zu starten. Es brach großer Enthusiasmus aus, Grommeck als Trainer und ich als Cox wurden dazu shanghait. Im Handumdrehen gab es eine Whatsapp Gruppe „Grommecks Acht“. Es erinnerte fast an früher, als im Spätsommer der Run auf die begehrten Plätze für die NDM begann. Daher ein kurzer Flashback.
Erfolge
Früher waren noch die Berliner Clubs, Hannover, Osnabrück, Bremen, Lübeck und andere mit dabei. So war es nicht ungewöhnlich, daß es Vorlauf, Hoffnungslauf und Finale an einem Tag gab. Ein Sieg auf der Norddeutschen war nur möglich, wenn es genügend aktive Leistungssportler in einem Verein gab. 1979, 80 und 82 konnten wir den Achter für uns entscheiden. Dazu diverse Male im 2-, 4- und 4+.
1982 wurde die letzte Norddeutsche Meisterschaft im Achter in der Besetzung Harald Schulz, Martin Lorenzen, Dieter Leptien, Wolfgang Weber, Stefan von Weydenberg, Hardy Schulz, Gerd Schramm, Thomas Herrman, Steuermann Jörk „Chimpy“ Schüßler für den EKRC gewonnen. Es gab noch mehrere Starts danach, die es bis zu Silber brachten, aber Mitte der 90er war dann endgültig Schluss und die Achterrennen fanden ohne unsere Beteiligung statt.
Das Rennen selbst ist in den letzten Jahren eher zu einer Binnenalstermeisterschaft verkommen. Das wollten wir dieses Jahr ändern.
Das Material
Früher wurden Ausscheidungen für die Plätze auf Gjessing Ergos mit Bandbremse und Zähler gefahren. Diese zeigten die Umdrehungen pro Minute an, die dann per Rechenschieber in Watt umgerechnet wurden. Gefahren wurden 3 Minuten, also einmal 1000 Meter. Da geht die Leistungsabfrage heute mit dem ConceptII etwas einfacher. Einmal 1000 Meter, nach 10 Minuten einmal 250 und in die Gruppe einstellen.
Auch beim Boot hat sich etwas verändert. Damals hatten wir den Karlisch Holzachter „Werner Droege“ (aka Lola Steilzahn) von der WM-Teilnahme 1980 mit ca. 120 KG und Macon Blättern. Heute den Filippi Carbon / Kevlar / Titanium Achter „Anton Willer“, der rund 95 Kilo wiegt. Dazu Big Blades II Smothie Medflex. Den Gewichtsunterschied mache ich zum Teil wett .
Die wichtigste Errungenschaft für den Steuermann besteht in der Coxbox, die meistens geht und neben dem Micro und Lautsprechern im Boot Schlagzahl, Zeit und Anzahl der Schläge bietet. Zu Beginn meiner Steuermannszeit mußte ich mich meist auf die eigene Stimme verlassen, da die selbstgebastelte Sprechanlage entweder kaputt oder der Akku leer bzw. nass war. Aber dazu später.
Die Strecke
Bis zum Bau der Regattastrecke Allermöhe fanden die Rennen auf der Außenalster statt. Ein eher unruhiges Gewässer, sehr windanfällig und mit rudimentärem Startsystem. Da geht es heute mit dem Albanosystem deutlich gerechter zu.
Die Vorbereitung
Nachdem die Kernmannschaft stand, galt es nun, daß jeder seine Seite findet. Wurde früher eher Riemen gerudert, wird heute viel geskullt. Nach einigem hin und her auf Whatsapp -BB, bevorzugt BB, beides geht, STB wird schwer, beides gleich – wurden die ersten Trainingseinheiten absolviert. Dass es einen Pool von mehr als 8 Ruderern gab und auch einen zweiten Steuermann ist ein absoluter Glücksfall.
Als ich das erste Mal mit ihm Boot dachte ich mir, „OK, hier müssen wir noch etwas üben“. Aber ich merkte sofort, hier ist Kraft und Wille. Die beste Voraussetzung, daß es etwas wird. Meine über Jahre eingefahren Kommandos, ich steuere sonst ja eher Master F aufwärts, musste ich an die heutige Crew anpassen. Ein weiterer Unterschied zu früher ist, daß es, wenn auch nur minimal, verschiedene Ruderstile beim Aufdrehen des Blatts gibt. Aber auch hier haben wir uns geeinigt, denn nur eine Einheit bringt das Boot zum Stehen. Während Grommeck die von Dino Gördes vermessenen Streckenlängen im Arsenal bevorzugt, bin ich dann doch eher bei der Mannschaft und verlasse mich auf meine Suunto bei Metern und Zeit. Beide Methoden haben ihre Berechtigung und am Ende zählt die Zeit im Rennen.
Die Generalprobe in Segeberg wurde mit Siegen belohnt, es konnte also losgehen. Vorher noch ein paar Trainingseinheiten auf der Förde, teilweise bei schönstem Sonnenauf- bzw. untergang inklusive Delfinbegleitung.
Raceday
Am 28.9. war es nun so weit. Ein Boot, ein Rennen, eine Mannschaft: Jonah Köppe, Erik Dibbern, Miklas Scheer, Jost Mahlstedt, Oskar Kroglowski, Mathis Lötzsch, Johann Kämpfer, Moritz Klingfurt, Stm. Jörk „Chimpy“ Schüßler
Ein milder Spätsommertag, leichter Seitenwind von vorn, beste Bedingungen. Das Boot wird aufgeriggert, aber die Coxbox geht nicht. Mark-Leon, dabei als Trainer, aber auch Backup, besorgt Ersatz, trotzdem etwas unnötiger Stress. 1000 Dank für deinen Einsatz.
Grommeck beginnt die Rennansprache mit 3 Minuten Fokus, dann kommen ein paar Gründe, warum man keinen Erfolg im Rennen hat. Und letztlich, warum wir eine gute Chance haben. Fast alle im Boot haben dieses Jahr voll trainiert und einzigartige Erfolge gehabt, Henley, WM, DM. Alle wissen, wie man Rennen gewinnt. Wenn wir das Abrufen, funktioniert es auch. Ich fordere Einsatz bis zum letzten Schlag ein und gebe Luschi als Beispiel. Er hat auf dieser Strecke im gleichen Rennen kurz vor dem Ziel seinen Riemen zerrissen. Das Rennen ist erst bei 1000 Meter vorbei. Der nächste Schlag ist immer der Beste.
Die Mannschaft war durch die Ansprache sichtlich angefasst und motiviert. Hätten sie später noch den Streckenreporter gehört: „Kiel ist Außenseiter, ob sie es wohl schaffen, es mit den großen Hamburger Vereinen mithalten können?“, „Aber immer!“ wäre die Antwort gewesen.
Fokussiert aufs Wasser, warm rudern, wir bitten den Start nicht vorzuziehen, da wir noch nicht ganz warm sind. Bold move Oskar!
Die Boote sind ausgerichtet und los geht es. Der Start ist nicht optimal, aber wir liegen mit vorne. Schnell zeichnet sich ab, daß Hansa raus ist und die Allemania führt. Dazwischen die Fari, DHuGRC und wir. Unsere Renntaktik, dort Nadelstiche zu setzen, wo die anderen leichte Pausen machen, verfängt. Trotzdem liegen wir bei 500 Metern erst knapp auf Platz 4. Doch langsam, Schlag um Schlag kommen wir auf die anderen beiden Boote auf. Unser Spurt bei 750 Metern gibt uns das notwendige Momentum und bei 140 Metern vor dem Ziel erreichen wir Platz 3, den wir bis zum Ziel verteidigen. Allemania gewinnt. Danach kommen die Fari, wir und DHuGRC innerhalb von einer Sekunde ins Ziel. Wir haben die zweitschnellste Zeit auf den letzten 500 Metern. Unsere Taktik, dort das Rennen in unsere Richtung zu entscheiden, ist also aufgegangen. Wir haben Bronze gewonnen und an Silber geschnuppert. Nächstes Jahr mehr?
Danach die Siegerehrung, Unmengen Fotos, Videos und ein paar Spritzer Sekt. Hier ein letzter Unterschied zu früher. Es gab weniger Bilder, dafür Bier. Gibt es da einen Kausalzusammenhang?
Prolog
Danke an alle, die hier einen Beitrag geleistet haben. Neben den bisher genannten, vor allem allen, die mit trainiert haben, Boy, Finn, Helle & Can, aber nicht im Rennen dabei sein konnten.
Ich hoffe, daß Bronze dieses Jahr ein Ansporn für die nächsten Jahre ist und die Achtertradition auch in dieser Generation wieder hochgehalten wird. Für mich wird dies eines der Rennen bleiben, das mir mehr als nur ein Rennen in Erinnerung bleibt. Es zeigt generationsübergreifend, was den Rudersport ausmacht, auch wenn sich das Material, die Strecke und so einiges anderes ändert.
Jörk „Chimpy“ Schüßler
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