Unterwegs im „Nahen Osten“
Wanderfahrt auf Unstrut und Saale
Gemeinsame mehrtägige Ruderwanderfahrten vom EKRC und der FRGS (Frankfurter Rudergesellschaft Sachsenhausen v. 1879 e.V.) haben eine langjährige Tradition. In diesem Jahr wurde ich gefragt, ob ich nicht mal mitkommen wolle, Termin passte, Urlaubstage noch nicht gänzlich verplant und das Ziel ein weißer Fleck auf meiner persönlichen Landkarte, also Neugierde geweckt und angemeldet.
Nach exzellenter Vorbereitung des gemeinsamen Planungsteams – für mich gänzlich unsichtbar im Hintergrund – ging es am 10. September frühmorgens mit dem Clubbus und „kleinem“ Anhänger endlich los. Ich hatte mich als (Mit-)Fahrer gemeldet, vier Männer – ein Bus, sehr kurzweilig, kein Stau vorm Elbtunnel, lediglich eine kurze Pipi-/Frühstückspause zwischen LKWs aber mit Tischdecke, stilvoll.
Früher als geplant sind wir nach 455km am RC Roßleben an der Unstrut angekommen, wo uns schon Gerhard vom FRGS mit seinem Koga Miyata Fahrrad erwartete, beide sollten wir noch öfter sehen, denn er passte als 19. Person nicht in die zwei 9-Sitzer und hat so am Ende nach anspruchsvollen Ruderetappen auch noch etliche Radkilometer hingelegt – und mit seiner anpackenden und sympathischen Art in jedem Boot für gute Laune gesorgt. Die Boote waren nach Ankunft der restlichen Frankfurter und Wiedersehensfreude schnell aufgeriggert, der Anhänger wurde zeitgleich (wie gesagt, exzellente Planung!) zum Reiseziel nach Halle gebracht.
Als Basislager für die nächsten 3 Tage sollte Naumburg dienen, hier trudelten auch bald die Bahnreisenden ein und es gab einen Wiedersehens-Willkommenstrunk im Biergarten des Hotelrestaurants, wo kurzzeitig ein größerer Stuhlkreis gebildet werden konnte. Da wir aber nur trinken und nicht essen wollten, wurden wir schnell mit einem „Wann gehen Sie denn?“ herauskomplementiert. Dafür war der vorab ausgesuchte Italiener umso gastlicher und so mancher ist wie ich später nach Bier(en) und üppiger Menüabfolge ins Hotelbett gerollt. Hier hatte ich Glück mit meinem Doppelbettpartner Andreas, wir haben uns die vier Nächte sehr gut vertragen und mussten nie um Klo und Dusche konkurrieren.
Ausgerechnet ich hatte den ersten Landdienst am nächsten Morgen, durch phantasievolle Schilderungen um die Üppigkeit vergangener Wanderfahrt-Mittagspausen fühlte ich mich zum Liefern genötigt, zum Glück ließ der örtliche LIDL später – so das Feedback – keine Wünsche mehr offen, eine bedruckte Küchenrolle als Tischdecke inklusive.
Verpasst habe ich dadurch die erste Fluss-Schleusung, da konnte ich bisher außer Bremen, aber das ist lange her, noch keine Erfahrungen machen. Aber es sollten ja noch soooo viele weitere Schleusen kommen. Der einzige aber dafür heftige Regen kam auf dem folgenden Abschnitt. An einer alten Zuckerfabrik bei Laucha war mit 35km die längste Tagesetappe bereits zu Ende.
Die Region Saale-Unstrut erstreckt sich vom südlichen Sachsen-Anhalt bis nach Thürigen. Viele Burgen, die nördlichste Weinanbauregion Europas und wundervolle abwechslungsreiche Natur- und Flusslandschaften locken gerade im Spätsommer.
Zurück in Naumburg, einer Stadt mit fast 1000jähriger Geschichte und mangels Weltkriegsbombardements gut erhaltener Altstadt konnten wir im Ratskeller den Abend vielleicht nicht ganz so üppig aber teils mithilfe lokaler Weine gemütlich ausklingen lassen.
Am nächsten Morgen ging es nach einer 360°-Regenwasserauskippdrehung zurück auf den Fluss. Aufgrund einer Baumaßnahme mussten an der Schleuse Zeddenbach die vier Boote mehrere Hundert Meter umgetragen werden, eine sportliche Herausforderung sicherlich, aber auch eine teambildende – neue Erfahrung: einmal Seite wechseln lässt beide Arme wieder gleich lang werden. Erstmals folgte jetzt ein aussichtsreicher Abschnitt mit intensivem Weinanbau. Der Zufluss der Unstrut in die Saale war dann überraschend unspektakulär, dafür kurz vor der Mittagspause ein Ruf von dem am Ufer parallellaufenden Radweg: Michael & Roswitha Böhmer sind mit ihrem Wohnmobil zufällig auch vor Ort, so klein ist die Welt!
Dem Landdienst oblag es auch mit Hilfe Freiwilliger, den am Start verbliebenen Bus an den Zielpunkt zu versetzten. Da bei den Schleusen auch regelmäßig Mittagspause einzuplanen war, verzahnte sich hier einerseits die (bereits erwähnte) exzellente Planung, andererseits blieb auch Zeit für ein Mittagsschläfchen oder wie in diesem Fall für eine Besichtigung des Clubhauses des Naumburger RCs, der nach der Hochwasserkatastrophe von 2013 mit 3 Mio. € Fördermitteln (!) neu, großzügig und auf massiven Betonstelzen errichtet wurde.
Von der ebenfalls großzügigen Anlage des Bootshauses Weißenfels ging es letztmalig zurück nach Naumburg wo unser Aufenthalt von einer kurzweiligen Stadtführung gekrönt wurde. Jetzt wissen auch alle, weshalb die Naumburger Altstadt praktisch in zwei Teile geteilt ist.
Der letzte volle Rudertag hatte dann doch noch gleich zwei spektakuläre Augenblicke. Zum einen war ich auf der „Eins“, als die Kiellinie inmitten der Saale auf eine Untiefe auflief und Volker von nachkommenden Booten als im Wasser stehende lebendige Warnung wahrgenommen wurde, zum anderen, als Sonja uns als souveräne Steuerfrau (einfach laufen lassen) durch Stromschnellen mit unter einer Brücke verbauten Kanu-Slalom-Rohren hindurch manöverierte. Hier kam für 3 Sekunden ein richtiges Raftingfeeling auf!
Von der RG Merseburg ging es nach einem gemeinsamen Bier schleunigst nach Halle, es war wieder eng getaktet, der Abschlussabend im dortigen Mönchshof war für viele ein leckerer und fröhlicher Schmaus.
Der letzte Tag beinhaltete lediglich 15km, Abriggern und Verladen in Rekordzeit, herzliche Verabschiedung, Rückfahrt für 7 Kieler mit 5 RBs bzw. REs anstelle des gebuchten ICEs (Ankunft trotz viermaligen Umsteigen pünktlich!) und Ankündigung der nächsten gemeinsamen Tour in einem Jahr bereits aus dem fahrenden Bus heraus.
Nach 114km, 13 Schleusen, 70m Flusshöhenunterschied und 5 sehr kurzweiligen Tagen zusammen mit netten Menschen für mich eine bleibende Erfahrung, gerne wieder!
Uwe Baumgarten
[See image gallery at ekrc.de]Bilder von Hans-Martin Hörcher