Interview mit Nationaltrainer und Sportdirektor Kurt Traer
Faktenbox:
Kurt Traer (48 Jahre) aus Krumpendorf, Kärnten
Verheiratet, zwei Kinder, lebt in Klagenfurt
Größte Erfolge als Trainer: Bronzemedaille von Magdalena Lobnig im Einer bei den Olympischen Spielen in Tokio 2020, Weltmeistertitel 2013 von Michaela Taupe-Traer im Leichtgewichts-Einer, zwei Weltmeistertitel 2024 im Coastal-Rowing (Einer und Zweier) von Magdalena und Katharina Lobnig
Interview:
Mit 1. Februar 2025 hat deine Einarbeitungsphase für deine neue Tätigkeit als Nationaltrainer und Sportdirektor begonnen. Welche ersten Eindrücke konntest du bereits gewinnen?
Im Rahmen des ÖRV Trainingslagers in Sabaudia konnte ich die Nationalkader der Senioren in Aktion erleben und nutzte die Gelegenheit, persönlich mit allen Athlet:Innen zu sprechen.
Zusätzlich war ich bei den 2000m Leistungsüberprüfungen und der Indoor- Meisterschaft anwesend und durfte einigen Trainingseinheiten der besten Junioren und Juniorinnen beiwohnen.
Ich fand motivierte, zielstrebige Athletinnen und Athleten und Trainerinnen und Trainer vor, die konsequent arbeiten, um ihre Ziele zu erreichen. Sicherlich sind wir, vor allem physiologisch noch nicht auf Weltklasseniveau, aber die Bereitschaft, dieses zu erreichen ist spürbar – das Feuer brennt!
Was sind deine nächsten kurzfristigen und langfristigen Maßnahmen als Nationaldirektor?
Kurzfristig, also in der Saison 2025, möchte ich Evolution statt Revolution, also Dinge die kurzfristig umsetzbar sind optimieren. Dazu gehören umfassende physiotherapeutische Betreuung, Ernährungscoaching, das Einführen einheitlicher physiologischer Leistungstests, das Implementieren von regelmäßigen, altersübergreifenden Trainingsmaßnahmen, sowie die Verschriftlichung eines einheitlichen österreichischen Ruderleitbildes.
Langfristig, beginnend mit der Saison 2025/2026, werden wir sicherlich etwas härter und spezifischer trainieren müssen um die physiologische Lücke gegenüber der internationalen Konkurrenz zu schließen.
Begleitend müssen wir mehr Talente finden und ausbilden, um die Kaderstärke und -dichte zu erhöhen – Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft.
Den ersten Kontakt mit dem Rudersport haben die Athletinnen und Athleten in ihren Vereinen. Wie kannst du in deiner Funktion als Nationaltrainer die Vereinsarbeit konkret stützen und unterstützen?
Die Vereine sind, und werden immer die Basis des österreichischen Rudersports und all seiner Erfolge sein! Es ist bemerkenswert, wie viel Engagement und Einsatz hier seitens der Vereine eingebracht wird. Mein Ziel ist es, geeint gegen die internationale Konkurrenz aufzutreten, nur im gemeinsamen Zusammenwirken haben wir eine Chance im Konzert der Großen zu bestehen.
Wir haben in Österreich zahlreiche junge und „hungrige“ Trainerinnen und Trainer und Funktionärinnen und Funktionäre in den Vereinen. Diese möchte ich animieren, kreativ und mutig zu sein! Mein erster Trainer sagte einst zu mir: „Man kann verlieren – aber man darf niemals aufgeben!“, dieser Satz hat mein Handeln seither geprägt. Wer mit Leidenschaft bei der Sache ist, wird andere mit diesem Feuer anstecken und etwas bewegen.
In meiner Funktion möchte ich allen engagierten Athletinnen und Athleten und Trainerinnen und Trainern bei der Erfüllung ihrer Ziele zur Seite stehen und ihnen dabei helfen, Hindernisse zu überwinden.
Konkret möchte ich mehr fachliche Unterstützung in Fragen des Trainings- und Trainingsumfeldes unter Einbeziehung aller personellen Ressourcen, sowie durch externes Know-How zur Verfügung stellen.
Du nimmst die Position Nationaltrainer und Sportdirektor in Personalunion ein, welche Herausforderung bzw. welche Synergien ergeben sich dadurch?
Eines vorweg – Langeweile verspüre ich in letzter Zeit recht selten. Um einen Überblick über die verschiedenen Bereiche zu erhalten, muss man natürlich auch vor Ort sein. Dadurch, dass mit Coastal Rowing eine zusätzliche olympische Disziplin geschaffen wurde, gilt es auf zwei Hochzeiten zu tanzen, wodurch das Training an der Frau/am Mann natürlich leidet, was mich persönlich schmerzt, aber „part of the game“ ist.
Ein großer Vorteil der Personalunion ist natürlich die umfassendere Gestaltungsmöglichkeit durch die flacheren Hierarchien. Es wird dadurch einfacher sein, Maßnahmen im Team zu diskutieren und umzusetzen. Und selbstverständlich, dass meine liebe Gattin jetzt Herr Direktor zu mir sagt .
Der Rudersport befindet sich durch die neue olympische Disziplin des Küstenruderns in einem Wandel. Wie siehst du den ÖRV für den neuen Weg gerüstet?
Coastal Rowing ist, meiner Meinung nach, eine Bereicherung für den Rudersport. Das Format ist attraktiv, actionreich und publikumswirksam. Wir werden neue Athletinnen und Athleten sehen, neue Heldinnen und Helden mit gestählten „Beach Bodies“ – eine spannende Entwicklung die wir mitgestalten dürfen.
Einstweilen sind wir gut gerüstet, haben ein sehr starkes Frauenteam und eine aufstrebende Männermannschaft. Natürlich gibt es noch Luft nach oben und wer stehenbleibt wird sicher überholt, trotzdem glaube ich, dass wir bis 2028 mit der Entwicklung international mithalten können, weil wir ein sehr innovatives, kreatives und motiviertes Team am Start haben.
Wie siehst du die Entwicklung im Coastal Rowing?
Mit der Aufnahme in das olympische Programm hat der Beach Sprint seinen Exotenstatus abgelegt. Die Starterfelder und die Leistungsdichte steigen stetig. Dieser Trend wird nicht abreißen, sondern sich noch deutlich verstärken. Es braucht keine Regattastrecken oder große Ruderprogramme um Coastal Rudern zu können, damit ist der Sport für deutlich mehr Nationen weltweit zugänglich und interessant. Durch den Beach Sprint könnte sich Rudern zu einer Sportart entwickeln, die ähnlich der Leichtathletik weltweit ausgeübt wird.
Erfordert die neue Disziplin auch einen neuen „Typ“ Athlet und sind dadurch bzw. welche neuen Sichtungsmaßnahmen sind dafür erforderlich, um neuen Talente zu entdecken?
Bis 2028 werden die Felder noch von Flachwasser-Umsteigern geprägt sein, früher oder später wird es aber nur noch Spezialisten geben. Flachwasser-Rudern und Beach Sprint sind eigentlich unterschiedliche Sportarten, deren gemeinsamer Nenner der Ruderschlag ist. Die kurze Wettkampfdauer und die breiten schweren Boote werden „Wattmonster“ hervorbringen. Es wird richtig tolle und knappe Rennen an Traumstränden geben – für die Zuschauer sicherlich ein Highlight!
Dementsprechend brauchen wir spezielle Sichtungsmaßnahmen und spezifische Tests zur Talentidentifikation. In diesem Bereich haben wir aber schon recht gute Erfahrungswerte und eine dementsprechende Expertise – wer sich also zum Beach Sprint berufen fühlt, kann sich jederzeit gerne melden.
Die Ziele für die Olympischen Spiele 2028 im Flachwasser- und Küstenrudern?
Ich glaube, dass wir uns in beiden Disziplinen qualifizieren können. Im Beach Sprint haben wir das Potential für eine Medaille. Die Ziele sind also schnell formuliert und wir müssen alles daransetzen, diese zu erreichen. Magdalena Lobnig hat bewiesen, dass man mit Einsatz und harter Arbeit eine olympische Medaille gewinnen kann ohne in Caversham oder Dortmund zu leben, weitere Athletinnen und Athleten sollen ihrem Beispiel folgen.
Den neu ins Programm genommenen Mixed Achter finde ich übrigens sehr charmant, es wäre ein echtes Ausrufezeichen, wenn wir da mit dabei sein könnten.
Wie sehen deine Visionen im Para-Rowing-Bereich aus?
Para – Rowing ist ein integraler Bestandteil des Rudersports und für mich als gelernten Physiotherapeuten natürlich umso spannender. Ein gutes Para-Programm braucht (Wo)Manpower – von der Talenteidentifikation über Material und Training benötigt man einfach viele helfende Hände, weshalb die meisten Vereine leider vor dem Para-Rowing zurückschrecken. Ich kann auf diesem Weg nur appellieren, wenn sich jemand für diesen spannenden Bereich interessiert, sich bei uns zu melden. Wir haben mit Julian Endlicher einen engagierten Para-Verantwortlichen und wollen Vereine, die Interesse am Para-Rudern haben aktiv unterstützen. Speziell im Rahmen unserer nationalen Regatten muss Para-Rudern ein fixer Bestandteil des Programms sein. Rudern ist ein Sport, dessen Faszination universell ist, also auch ein idealer Sport für Menschen mit körperlicher Beeinträchtigung. Im Übrigen gibt es auch Para-Coastal Wettbewerbe.
Welche Maßnahmen müssen gesetzt werden, um ÖRV-Athleten auch wieder zu den Paralympics entsenden zu können?
Unser Para-Kader ist leider relativ klein, nichtsdestotrotz haben wir Athleten, die mit vollem Einsatz an der Qualifikation arbeiten wie z.B. David Holzweber der heuer einen neuen PR1 Rekord am Ergometer aufgestellt hat. Solche Einzelkämpfer haben sicher eine Chance zur Qualifikation. Um Para – Mannschaftsboote zu bilden und zu qualifizieren, bräuchten wir jedoch viel mehr Athletinnen und Athleten und Personen, die sich im Para-Rudersport engagieren. Para-Rudern hat sich sportlich dermaßen entwickelt, dass man hier von absolutem Leistungssport sprechen muss.
Zum Abschluss, was bedeutet es für dich persönlich Nationaltrainer und Sportdirekter des ÖRV zu sein?
Ich bin einerseits, aus einem unerfindlichen Grund der Faszination des Rudersportes erlegen und andererseits aus vollstem Herzen Österreicher. Diese Kombination passt ganz gut zu meinem Job im ÖRV. Außerdem empfinde ich es weniger als Arbeit als vielmehr ein Privileg, mit engagiertem Athleteninnen und Athleten und Trainerinnen und Trainern ein gemeinsames Ziel zu verfolgen.