Wie das Rudern von England nach Kiel kam
Ein Streifzug durch die Geschichte des Rudersports
Von Harald Schulz eingeladen, hielten Stephan Ploke und Nils von Arnim, beide sind Mitglieder des Der Hamburger und Germania Ruder-Club (DHuGRC), ihren Vortrag über die Geschichte des Rudersports in England und der Gründung des ersten Ruderclubs in Hamburg. Die Veränderungen und Umbrüche im Rudersport im Allgemeinen und in Hamburg sowie in Kiel wurden dabei sehr gut in ihrem gesellschaftlichen und politischen Kontext der jeweiligen Zeit eingebunden. Harald Schulz beschrieb in seinem Vortrag die Entwicklung des Rudersports in Kiel. Ergänzt wurden die Vorträge durch zahlreiche historische Bilder und Fotos.
Zu Beginn waren die Watermen
Stepahn Ploke war Mitglied der Historischen Kommission des DRV und hat an dem Buch mit dem Titel: Historische Bootshäuser von der Architektin Petra Hoffmann mitgewirkt. Er nahm uns Zuhörer auf eine kurzweilige Zeitreise mit, die uns mit einem Abstecher in die Antike mit dem Bootstyp Galeere, schließlich zu den Lohn- beziehungsweise Berufsruderern, den Watermen, auf der Themse in London im 18. Jahrhundert führte. Da damals nur wenige Brücken über die Themse vorhanden waren, sorgten die Berufsruderer in ihrer roten Arbeitskleidung für den Personentransport. Die Watermen in ihren roten Uniformen waren auch auf dem Jubiläum der Queen zu sehen, als sie die königliche Prachtbarke ruderten.
Die ersten Rennen
1715 fand in England das erste Wettrudern zwischen Berufsschiffern und Fährleuten statt. Danach veranstaltete Thomas Dogget den nach ihm benannten ersten belegten modernen Ruderwettkampf, den „Doggett’s Coat and Badge Race“ auf der Themse. Der Preis waren ein roter Coat und ein Badge um für die Talente der Watermen zu werben. Um diese Zeit stiegen die ersten Gentlemen selbst in die Boote, grenzten sich jedoch um 1830 von den Berufsruderern ab mit dem Amateurstatut aufgrund der unterschiedlichen Muskelkräfte. Das Rudern der akademischen Colleges entwickelte sich Ende des 18. Jahrhunderts über Eton, den Public Schools zu Regatten wie ‚Head of the River‘ (1775, weltgrößtes Achterrennen), Bump Races, Achter-Rennen Oxford-Cambridge (1829) und Henley. Stephan Ploke nahm an manchen dieser Rennen selbst teil. Die berufliche Karriere eines teilnehmenden College-Rudernden ist gesichert, weil der Arbeitgeber um dessen Disziplin weiß. Die Engländer verbreiteten den Rudersport auch in ihren Kolonien wie zum Beispiel in Afrika, Indien und Australien. Gezeigt wurden einige Bootshäuser in diesen Kolonien. Stephan Ploke ging auch kurz auf die Entwicklung der verschiedenen Bootstypen ein, die anfangs über eine Kastendolle auf der Bordwand beim Wherry und erst später beim Gigboot bis zum schmalen Rennboot über Ausleger, Drehdolle und Gleitsitz verfügten.
Die Anfänge in Hamburrg
Nils von Arnim war Leistungsruderer und hat Geschichte studiert. Er setzte die Zeitreise ebenso kurzweilig fort und berichtete von elf jungen Hamburger Kaufleuten um Cesar und Adolf Godefroy, die in engem Kontakt zu englischen Kaufleuten standen und 1836 ein Boot (Wherry) in England bestellten. Sie hatten englische Kaufleute auf der Alster in Hamburg rudern sehen, nachdem die englischen Geschäftsleute 1830 den „English Rowing Club“ gegründet hatten, aus dem sich 1836 der „Union Boat Club“ entwickelte. Die ersten Hamburger Ruderer ließen sich auf ihrer ersten Ausfahrt vom Regen durchnäßt nicht davon abhalten, umgezogen und trocken bei einem Essen in einem renommierten Hotel am Jungfernsteig den Hamburger Ruder-Club zu gründen. Wir Zuhörer erfuhren auch etwas über das Regattawesen und die unterschiedlichen Regattastrecken auf der Außenalster. Anfangs bildete die Regattastrecke ein Dreieck mit Wendepunkten, die eine Herausforderung für die Steuerleute waren. Die Trainer kamen zum Teil auch aus England. Gegründet wurden der Allgemeine Alster-Club (AAC, 1844) als erster deutscher Regattaverein, der 1864 den Amateurparagraphen ‚Amateurs‘ definierte. Der Norddeutsche Regattaverein (NRV) wurde 1868 in Hamburg gegründet (Villa auf der Uhlenhorst). Schon Anfang der 1860er haben die Gentlemen beider Nationen auf der beruderten Alster auch gesegelt und es fanden erste Segel-Regatten in Kiel statt, den Vorläufern der Kieler Woche (seit 1882 heißt die Segelwoche „Kieler Woche“). Nachdem der Hamburger Kaufmann Wilhelm Droege, Mitbegründer des NRV, 1864 das Gut Schrevenborn bei Kitzeberg gekauft hatte, war er so fasziniert von der Förde, daß er zusammen mit dem Ersten Kieler Ruder-Club am 22. August 1869 die erste Kieler Segel- und Ruderregatta initiierte. In Hamburg wird zudem 1896 der Norddeutsche Ruderer Bund (NRB) gegründet, deren Mitglieder nicht den Amateurbestimmungen des DRV entsprechen. Das betrifft die Elbvereine. 1980 erfolgte der Zusammenschluß von AAC und NRB zum AAC / NRB Hamburger Landesruderverband.
1900, im Jahr der Pariser Weltausstellung wurde Rudern olympisch. Der Sieg des deutschen Vierers vom Germania Ruder Club Hamburg wurde nachträglich zum Olympiasieg erklärt.
Der Hamburger Ruder-Club und der Germania Ruder-Club fusionieren 1934 zum DHuGRC. Bis dahin hatte der Germania Ruder-Club sein Bootshaus am Langen Zug, unterhalb des imposanten Uhlenhorster Fährhauses, zerstört im Zweiten Weltkrieg. Heute ist das Bootshaus das Schülerbootshaus. (Bezüglich des Frauenruderns in Hamburg sei der 1925 gegründete Hamburger Damenruder Club 1925 e. V. erwähnt. Nach 1934 mußte sich der Verein umbenennen und nannte sich von nun an Hamburger Ruderinnen Club 1925 e. V.)
Und dann kam Kiel
Harald Schulz ergänzte die interessante Zeitreise und berichtete über die Entwicklung des Rudersports in Kiel. Der Erste Kieler Ruder Club wurde 1862 gegründet, als gerade noch der Dänische Gesamtstaat (1773 – 1864) bestand. Es ist leider nicht bekannt, was die 19 Gründungsmitglieder dazu brachte, am 24. März 1862, dem Erhebungstag Schleswig-Holsteins den Ersten Kieler Ruder-Clubs (EKRC) als ersten preußischen und dritten deutschen Ruderclub zu gründen. Welche Verbindungen hatten die Gründungsmitglieder als Kaufleute und als Angehörige der Berufsgruppen wie Beamte und Akademikern, zu Hamburger Ruderern? Gab es über das Segeln des Germania Ruder-Clubs Hamburg auf der Kieler Förde vor 1962 naheliegende persönliche Verbindungen zum Rudersport in Hamburg? 1869 initiierte der Hamburger Kaufmann Wilhelm Droege die erste Kieler Segel- und Ruderregatta. Er war Gründungsmitglied des NRV wie oben unter Hamburg beschrieben wird.
Interessant war auch die Lage der verschiedenen Bootshäuser in Kiel. Es gab zum Beispiel ein schwimmendes Bootshaus im alten Bootshafen, wo sich heute die Bühne befindet. Die Bootshallen des heutigen Bootshauses stammen noch von dem zerbombten vorherigen recht großen Gebäude. In Kiel wie in Hamburg war es interessant, Ansichten der Bootshäuser und die Umgebung zu sehen aus der Zeit von vor dem Zweiten Weltkrieg. Harald Schulz verwies auch auf das Frauenrudern in Kiel, welches mit der Gründung der Damenabteilung der Rudergesellschaft Germania Kiel e. V. von 1882 im Jahr 1928 begann. Einige Mitglieder aus der Damenabteilung gründeten im Jahr 1931 den Kieler Damenruderverein der bis 1972 / 1973 bestand. Im Jahr 1928, gründete sich auch ein Schülerinnen-Ruderklub des Oberlyceums am Ravensberg (OLRC), der späteren Ricarda- Huch-Schule. Zum Zweck ein Klub- und Bootshaus auf dem Westufer in bester Lage – Düsternbrooker Weg 38, nach Abriß des Gebäudes Anfang der 80er Jahre Sitz der heutigen Marine-Kameradschaft – zu schaffen, schließt sich der „Ravensberg“ 1930 mit dem Schülerinnenverein „Blocksberg“ und dem „Kieler Damenruderklub“ zum „Verband Kieler Frauenrudervereine e. V.“ (vermutlich Name ab 1934) zusammen. 1973 – über 70 Jahre nach dem ersten Damen-Ruder-Club in Deutschland (Friedrichshagener Damen-Ruder-Club 1901 und nach der Gründung der Lübecker-Frauen-Rudergesellschaft Lübeck, 1907 in SH) – wurde auch im EKRC eine Damenabteilung eingeführt. (Siehe Festschrift: „50 Jahre Frauenrudern – EKRC 1862) Harald Schulz hatte auch einige historische und beeindruckend dekorative Silber-Pokale aus der Vitrine geholt und auf dem Glastisch aufgebaut neben verschiedenen Unterlagen aus dem Club-Archiv.
Da an diesem Abend zugleich der von Anne Reimer sehr gut vorbereitete Punschabend angesetzt war, konnten wir den Abend mit leckerem Punsch ausklingen lassen. Für die gute Organisation dieses gelungenen Abends ist Harald Schulz und Anne Reimer sehr zu danken!
Gisela Kordes