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Very British: Wie Rudern und Rugby den Weg nach Heidelberg fanden

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		Very British:  Wie Rudern und Rugby den Weg nach Heidelberg fanden

Von Christoph Offner

Heidelberg. Am Nachmittag eine Tasse schwarzen Tee mit Milch und Zucker – "very british". Ein trockener, unverblümter Humor – "very british". Kulinarische Köstlichkeiten wie "Haggis" (Schafsmagen gefüllt mit Zwiebeln und Hafermehl, dazu Herz, Leber, Lunge und Nierenfett vom Schaf) oder "Jellied Eels" (in Brühe gekochte Aale) – definitiv "very british".

Doch auch Rudern und Rugby – Sportarten, die die Heidelberger Sportlandschaft prominent prägen – haben ihren Ursprung im Vereinigten Königreich. Freilich war das Rudern bereits weit in vorchristlicher Zeit und nicht nur auf den britischen Inseln Antriebskraft für Schiffe. Die sporthistorischen Anfänge liegen aber in London. Dort veranstaltete der Schauspieler Thomas Dugget 1715 zu Ehren der Thronbesteigung George I. mit dem "Doggett’s Coat and Badge" auf der Themse den ersten belegten Ruderwettkampf der Neuzeit. Auch heute noch ist die Themse Austragungsort der wohl berühmtesten Regatta der Welt, wenn die "Achter" der Universitäten Cambridge und Oxford im "Boat Race" gegeneinander antreten.

Pierre de Coubertin, Gründungsvater der modernen Olympischen Spiele, sagte einst: "Rudern sollte der Lieblingssport unserer jungen Leute werden, da keine andere Sportart ihnen die physischen und moralischen Werte vermittelt, die sie brauchen: Energie, Initiative, Kraft und Gesundheit."

Ein berühmtes englisches Sprichwort dagegen weiß: "Fußball ist ein von Raufbolden gespielter Gentleman-Sport, Rugby ist ein von Gentlemen gespielter Raufbold-Sport." Tatsächlich sind beide Sportarten eng verquickt. Der Erfindung des modernen Rugbyspiels kann sich der in der Grafschaft Warwickshire geborene William Webb Ellis rühmen. Im Jahr 1823 nahm Ellis an einem Fußballspiel seiner Heimatstadt Rugby teil. Mit dem, was man darunter heute versteht, hatte dies allerdings nur wenig zu tun. Die Mannschaften jener Zeit bestanden aus bis zu 50 Feldspielern je Team, das Spielfeld konnte bei Zeit sogar die Strecke zwischen den Dörfern der beteiligten Mannschaften umfassen.

Es begann im Neuenheim College

Jedenfalls wurde es jenem William Webb Ellis im Laufe des Spiels zu bunt. Als Torwart nahm er den Ball mit der Hand auf. Über das heillose Durcheinander des Spielfelds hinweg rannte er, verfolgt von einem wilden Knäuel, bis ins gegnerische Tor, wo er den Ball ablegte. Es war die Geburtsstunde des Rugbyspiels.

Doch wie schafften beide Sportarten den Sprung von den britischen Inseln hinüber nach Heidelberg? Das 1843 offiziell gegründete, vermutlich aber bereits seit 1814 bestehende Neuenheim College (heute Heidelberg College) und sein Lehrer Dr. Edward Hill Ulrich spielen dabei eine zentrale Rolle. Das Neuenheim College nahm für sich in Anspruch, die "größte englische Internatsschule auf dem europäischen Kontinent" zu sein. Die Schüler wurden auf die Aufnahmeprüfungen englischer Universitäten vorbereitet, was eine beachtliche Zahl an Schülern von der Insel nach Heidelberg lockte. Mitgebracht hatten sie auch ihre Begeisterung für Rudern und Rugby.

Dieser Begeisterung war auch Dr. Edward Hill Ulrich bei mehreren Aufenthalten in Großbritannien verfallen. Er war es auch, der die ersten Rugbybälle nach Heidelberg brachte und sich für die Übersetzung des Regelwerks ins Deutsche federführend zeigte. Am 9. Mai 1872 gründete Hill Ulrich mit einigen Schülern den Heidelberger Ruderklub, den deutschlandweit ältesten seiner Art. Rugby war dabei zunächst nur der winterliche Ausgleich, wenn das Rudern auf dem zugefrorenen Neckar nicht möglich war.

Das Treiben auf den Neckarwiesen sollte auch von der einheimischen Jugend nicht unbemerkt bleiben. Schnell waren auch die Heidelberger vom, wie sie es nannten, "Durchtragerles" begeistert, Sportplätze wurden gebaut und Vereine gegründet oder um eine Rugbyabteilung erweitert: 1902 der SC Neuenheim, 1919 die Rudergesellschaft Heidelberg, 1921 der Heidelberger Turnverein und 1949 der TSV Handschuhsheim. Diese Vereine sind heute alle in der 1. und 2. Rugby-Bundesliga vertreten. Mit Fug und Recht also darf Heidelberg als Hochburg des Rugbys bezeichnet werden.

Nun ist noch nicht gänzlich abzusehen, welche Einschnitte der Brexit in den verschiedenen Bereichen des intereuropäischen Zusammenlebens mit sich bringen wird. Schaut man sich aber das rege Treiben der Ruderer auf dem Neckar oder die gut besuchten Rugbyspiele im Neuenheimer Feld an, so muss man sich zumindest über die Zukunft dieser beiden Sportarten in Heidelberg keine Gedanken machen. Über Ostern reist eine Heidelberger U 14-Auswahl zum Rugbyspielen nach Cambridge – wie seit fünf Jahrzehnten.

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