Raus aus dem Schatten des Eishockeys
Von 2005 bis 2019 gehörten die Eisbären Bremerhaven der Basketball-Bundesliga an.
Deutsches Schifffahrtmuseum, Auswandererhaus, größtes Offshore-Windkraftzentrum der Republik, Sail City Aussichtsplattform, Überseehafen: Bremerhaven hat einiges zu bieten. Und sich längst seines Images entledigt, die einzige ostdeutsche Großstadt auf westdeutschem Boden zu sein. Die Arbeitslosenquote ist von rund 25 Prozent in den 90er-Jahren auf 14 gesunken, rund eine Million Touristen strömen pro Jahr in die Stadt. „Mehr“, wie Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) gerne betont, „als Schwerin oder Flensburg“.
Manche kommen aber auch, um die Eisbären zu sehen. Nicht jene, die im weltberühmten „Zoo am Meer“ nahe des Leuchtturms Groß und Klein begeistern. Sondern die, die in der über 4000 Zuschauer fassenden Stadthalle versuchen, Fans zu generieren. Im Schnitt der BARMER 2. Basketball-Bundesliga ProA nur magere 1300, an diesem Mittwoch aber, wenn die GIESSEN 46ers um 20 Uhr zum ersten von maximal fünf Playoff-Viertelfinals ihre Visitenkarte im hohen Norden abgeben, laut Kapitän Adrian Breitlauch viele, viele mehr: „Die Halle wird brennen, ich denke, sie wird ausverkauft sein.“
So wie die der Fishtown Pinguins, die in der benachbarten Eisarena regelmäßig vor über viereinhalbtausend Fans auflaufen und sich in der Deutschen Eishockey-Liga inzwischen zu einem erst zu nehmenden Titelaspiranten entwickelt haben.
Doch wer sind eigentlich die Eisbären Bremerhaven, die sich auf dem letzten Drücker noch das Heimrecht in der Ausscheidungsrunde der Saison 2024/25 gesichert haben? Ein Blick zurück verdeutlicht, dass die Nordlichter zur Jahrtausendwende, als sie in der Regionalliga spielten, noch niemand auf der Agenda hatte. Es folgten fünf Spielzeiten in der 2. Bundesliga, der Aufstieg 2005, 14 Jahre im Oberhaus und seit 2019/20 und dem Corona-Saisonabbruch der Versuch, der ProA wieder (nach oben) entrinnen zu können.
Der Bundesliga-Aufstieg vor exakt 20 Jahren ist eng verknüpft mit dem litauischen Trainer Sarunas Sakalauskas. Nach einem 80:65-Heimsieg vor 3450 Zuschauern in der ausverkauften Stadthalle gegen ETB SW Essen stand der Aufstieg Anfang Mai 2005 fest. Im ersten Spieljahr nach dem Sprung in die Beletage mischten die Eisbären vorne mit und beendeten die Punktrunde als Vierte. In den folgenden Playoffs schieden sie im Halbfinale gegen Alba Berlin aus. Sakalauskas wurde von Medienvertretern und seinen Kollegen als „Trainer des Jahres“ ausgezeichnet. Er hatte die Mannschaft auch ins Pokal-Halbfinale geführt.
In der Saison 2006/07 standen die Eisbären in der Abschlusstabelle abermals auf dem vierten Rang, in den Playoffs war diesmal im Viertelfinale nach fünf Partien gegen Köln Endstation. Erneut stand Bremerhaven darüber hinaus im Pokal unter den besten Vier. Ein Jahr später mussten sich die Nordlichter erneut im Playoff-Viertelfinale beugen, dieses Mal mit 0:3 gegen Alba Berlin. Im Pokal verloren sie das Halbfinale und sicherten sich Rang drei. Die mittleren Nuller-Jahre gelten bis heute als die erfolgreichsten in der Basketball-Geschichte der Eisbären.
Die Saison 2008/09 endete nicht nur mit dem Rücktritt von Sakalauskas, sondern auch mit dem sportlichen Abstieg, der nur am grünen Tisch vermieden wurde, da die Köln 99ers sowie die Giants Nördlingen zurückzogen und die Eisbären per teurem Wildcard-Verfahren in der Liga blieben. Namhafte Trainer wie Doug Spradley, Calvin Oldham und Muli Katzurin gaben sich in der Folge die Klinke in die Hand, der schleichende sportliche und wirtschaftliche Abstieg war jedoch nicht zu stoppen. Bis dann am 9. Mai 2019 die Liga bekannt gab, dass den Eisbären keine Spielberechtigung mehr für die Bundesligasaison 2019/20 erteilt wird. Als Grund nannte der Lizenzausschuss einen unzureichenden Eigenkapitalnachweis. Ein angedachter Einspruch hatte sich erübrigt, da der Club am letzten Spieltag nach einer Niederlage gegen den Mitteldeutschen BC ohnehin ans Tabellenende abrutschte.
Nun also die ProA, in der sich das Team unter dem ehemaligen Paderborner Coach Steven Esterkamp als Nachfolger des einst auch in Gießen tätigen Steven Key zu einem Spitzenteam entwickelt hat. Eines, das sich anschickt, dass die Stadt Bremerhaven außer Deutschem Schifffahrtmuseum, Auswandererhaus, größtem Offshore-Windkraftzentrum der Republik, Sail City Aussichtsplattform und Überseehafen auch für sportbegeisterte Besucher etwas neben Eishockey zu bieten hat.
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