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Weltmeisterschaft 2018

Porträt | Der Phantomfunktionär

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Aleksander Čeferin ist als UEFA-Präsident der Gegenentwurf zur Selbstherrlichkeit anderer Fußballfunktionäre

Eine Herrscherattitüde wie Gianni Infantino hat Aleksander Čeferin nicht. Während der Weltmeisterschaft 2018 verfolgte FIFA-Präsident Infantino die Spiele auf einer Art Thron. Zu seiner Rechten und Linken durften die jeweiligen Staatschefs sitzen, Infantino machte sich noch größer als Putin. Čeferin hingegen veranstaltet bei der derzeit laufenden Europameisterschaft überhaupt kein Gewese. Wenn er im Stadion ist, wird er von den Kameras eingefangen, aber er beansprucht keine weitere Aufmerksamkeit.

Doch trotz seines Verzichts auf jeglichen persönlichen Pomp ist der hagere Rechtsanwalt aus Slowenien kein besonders beliebter Sportfunktionär. Dafür läuft es bei seinem Verband, der Europäischen Fußball-Union UEFA, derzeit zu schlecht. Die Europameisterschaft wird überlagert von Diskussionen um die angeordnete Fortsetzung des Spiels Dänemark–Finnland, in dem ein Spieler einen Herzinfarkt erlitt, den Umgang mit Symbolen wie dem Regenbogen und dem demonstrativen Niederknien als Zeichen gegen Rassismus sowie dem Umgang der UEFA mit Corona. Das alles bleibt hängen an Čeferin.

Der ist nun schon fünf Jahre UEFA-Präsident – und immer noch ein Unbekannter. Seine Vorgänger waren der barocke Schwede Lennart Johansson und der frühere französische Weltklassespieler Michel Platini. Platini wurde zunehmend schwammig und schmierig mit den Jahren, ein ominöser Geldfluss aus der FIFA auf sein Konto für Beratungsleistungen stoppte seine Karriere. Čeferin kam vor den UEFA-Neuwahlen aus dem Nichts, zwar hatte er in der UEFA einen Sitz in der Kommission für Rechtsfragen, aber keinen nennenswerten Einfluss. Als Favorit als Platini-Nachfolger galt eigentlich der integre Niederländer Michael van Praag, den der Deutsche Fußball-Bund stets forciert hatte. Nur nicht dann, als es zählte. Auch die deutsche Stimme ging an Čeferin, der die Wahl mit 42:13 gewann.

Čeferin, heute 54, entstammt einer Juristenfamilie aus der slowenischen Hauptstadt Ljubljana, 1991 trat Aleksander in die Kanzlei seines Vaters ein. Über Mandate kam er in den Fußball, lernte dort erste Klienten kennen. Er selbst hatte auch gespielt, Fußball und die Hallenvariante Futsal, aber nicht auf professionellem Niveau. Čeferins Sport war Karate, da ist er berechtigt, einen schwarzen Gurt zu tragen. Mit Freunden durchquerte er im Auto und auf dem Motorrad mehrmals die Sahara. Čeferin, der drahtige Abenteurer mit dem Dreitagebart. Die UEFA, so schien es, bekam einen coolen Typen.

Er führte sich mit einem Gedanken ein, der den Aufbruch verhieß: „Good Governance“, Beschränkung der Amtszeiten an der Spitze der UEFA und in ihrer Regierung, dem Exekutivkomitee; es sollte kein Feudalsystem entstehen wie bei der FIFA, wo die Macht etliche Funktionäre zu krummen Geschäften verführt hatte und in den Kontinentalverbänden Gelder versickerten. Die UEFA sollte der Gegenpol sein – der anständige Verband.

Sie ist aber auch der Dachverband, der sich mit der FIFA im Konkurrenzkampf befindet. Die will ihre lukrative WM lieber alle zwei statt nur alle vier Jahre ausrichten und zudem eine WM der Klubs in Szene setzen. Die UEFA muss die Europameisterschaft schützen, die ihre wichtigste Erlösquelle ist, und die Champions League. Letztere wurde zuletzt massiv bedroht durch das Projekt „The Super League“. Zwölf auch in den UEFA-Wettbewerben vertretene Klubs wollten sich im April 2021 mit Mitteln einer US-amerikanischen Bank selbständig machen. Čeferin drehte auf. „Ich will sie nicht das dreckige Dutzend nennen“, sagte er in Richtung der Vereine aus England, Italien und Spanien – und hatte die Wertung in die Welt gesetzt. Er ging auf Distanz zu Andrea Agnelli, einem der Antreiber der Abspalter-Liga, obwohl der einer seiner wenigen Freunde und er Pate von Agnellis Tochter ist. Die Aufregung um die Super League half Čeferin, seine UEFA und sich als Streiter für den wahrhaften Fußball zu inszenieren. Und im Windschatten der gescheiterten Super League eine Aufblähung der Champions League als das kleinere Übel durchzusetzen.

Auf wen hört Čeferin? Die Kanzlei seiner Familie unterhält Kontakte nach Russland, er gilt als UEFA-Präsident, der auch dem FIFA-Kollegen Gianni Infantino genehm ist. Öffentliche Auftritte von Čeferin sind selten, seine einzige Weltsprache ist Englisch. Nicht verbergen kann er, dass er unter dem Einfluss der UEFA-Sponsoren steht, die mehr denn je aus China und dem arabischen Raum kommen. Das erklärt seine konservative Haltung in der Regenbogen-Frage: Er wollte die Financiers der EURO nicht verstören. Und er wollte ihnen eine Welt bieten, aus der die Geisterspiele der Corona-Zeit verschwunden sind. Dublin und Bilbao wurden wegen ihrer Weigerung, Zuschauer zu garantieren, rausgekegelt, München unter Druck gesetzt. Und mag es am ungarischen Staatschef Viktor Orbán, der sein Stadion voll besetzt, in ganz Europa Kritik geben – der UEFA-Präsident schweigt. Wenn er spricht, sagt Čeferin: „Ich bin unabhängig. Offensichtlich fällt es den Leuten schwer zu glauben, dass man das sein kann, wenn man aus einem kleinen Land stammt.“ Er versichert: „Ich komme niemandem zu nahe.“

Čeferin ist stolzer Slowene, er hat vor 30 Jahren für die Unabhängigkeit seines Landes gekämpft. „Zum Glück musste ich nicht schießen“, sagt er. Er möge es nicht, wenn es kracht, erklärt er, er will nicht schreien müssen, um zu führen. Er hat in Slowenien eine Hütte im Wald, 15 Kilometer vom nächsten Ort entfernt. Die EM wird dort weit entfernt sein.

Günter Klein, Autor von Hansi Flick. Die Biografie, ist Chefreporter Sport beim Münchner Merkur und Kolumnist des Freitag im Ressort Debatte

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