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Der Ziegelhäuser Tagesschau-Sprecher: "Es gibt ein großes Bedürfnis nach glaubwürdigen Informationen"

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		Der Ziegelhäuser Tagesschau-Sprecher:

Von Steffen Blatt

Wer regelmäßig Nachrichten in der ARD sieht, kennt Michail Paweletz. Der gebürtige Heidelberger ist Sprecher und Moderator von verschiedenen Formaten im "Ersten". Seit Januar präsentiert er zusammen mit Susanne Stichler die Tagesschau am Nachmittag. Im RNZ-Interview spricht der 55-Jährige über seine Erinnerungen an Heidelberg, er erzählt, wie er als studierter Geiger zum Fernsehen anstatt zum Orchester kam – und was seine dramatischste Nachrichtensendung war.

Herr Paweletz, was geht Ihnen als erstes durch den Kopf, wenn Sie an Heidelberg denken?

Heidelberg ist Heimat, Kindheit, Odenwald. Wir haben in Ziegelhausen am Hang gewohnt, und ich habe mit Freunden viele Nachmittag mit Spielen im Wald verbracht – bis der Förster uns aufgegriffen und uns erklärt hat, dass das gerade wegen der Wildschweine zu gefährlich ist. Wie schön Heidelberg eigentlich ist, habe ich erst begriffen, als ich weggezogen bin. Hin und wieder bin ich noch in der Stadt, und dann genieße ich das auch. Ich bin in einem Bildungshaushalt aufgewachsen, sehr privilegiert eigentlich. Mein Vater war Leiter eines Instituts für Zellforschung am Deutschen Krebsforschungszentrum. In unserem Haus haben uns regelmäßig Wissenschaftler aus verschiedenen Ländern besucht. Dieses Kosmopolitische durch die Wissenschaft und die internationalen Studenten, das verbinde ich auch mit Heidelberg.

Dann wäre nach der Schule ein naturwissenschaftliches Studium eigentlich vorgezeichnet gewesen.

Meine Eltern hätten sich sicher gefreut, wenn ich Arzt geworden wäre. Aber ich habe mich früh für die Musik entschieden. Ich habe sehr viel Geige gespielt, hatte unter anderem Unterricht an der Musikschule im Handschuhsheimer Schlösschen. Es lief gut, hat mir viel bedeutet, und ich hatte Erfolg. Darum habe ich schon mit 16 oder 17 Jahren beschlossen, Musik zu studieren.

Warum führte Ihr Weg dann in den Journalismus und nicht in den Orchestersaal?

Mein Ziel nach dem Studium war tatsächlich, eine Stelle in einem sehr guten Orchester zu bekommen. Während ich für Probespiele geübt habe, hat mir ein ehemaliger Kommilitone vorgeschlagen, nebenher beim NDR-Radio zu arbeiten. Dort habe ich das "ARD-Nachtkonzert" moderiert, um nebenher ein bisschen Geld zu verdienen. Mir wurde gesagt, dass es theoretisch ab und zu vorkommen könnte, dass ich auch mal Nachrichten lesen muss – was dann natürlich passiert ist.

Und wie wurden Sie dann Tagesschau-Sprecher im Fernsehen?

2004 gab es ein Casting für alle Nachrichtensprecher und -sprecherinnen der NDR-Radioprogramme. Da geht man natürlich hin. Und als ich auf diesem Platz saß und die erste Runde gelesen habe, hatte ich sofort das Gefühl, dass das mein Zuhause ist und dass ich dort hingehöre. Jo Brauner, der ehemalige Chefsprecher der Tagesschau, hat mich engagiert. Ich habe dann lange die Nachrichten in der Nacht gelesen. Da ich auch Erfahrungen als Journalist und Moderator hatte, wurde ich für Tagesschau24 eingekauft, das damals noch Eins Extra hieß. Dort konnte ich auch meine Erfahrung als Moderator und Interviewer einbringen.

Was war Ihre dramatischste Nachrichtensendung?

Das war sicher die Sonderberichterstattung nach den Terroranschlägen in Paris im November 2015 über sehr lange Strecken im Ersten. Bei einer solchen krisenhaften Breaking-News-Lage schlägt die Aktualität jede Planung, und wir sind durchgehend auf Sendung. Ich werde dann in der Regel sehr ruhig, was von Vorteil ist. Ich gebe den Zuschauern in einer nicht vorhersehbaren Entwicklung Orientierung, etwa wie ein Reiseleiter, der sie durch den Informationsdschungel führt.

Gerade in solchen unübersichtlichen Situationen schwirren regelmäßig alle möglichen vermeintlichen Neuigkeiten durchs Internet. Wie gehen Sie damit um?

Vor allem durch die Sozialen Medien verläuft die Informationsverbreitung in einem solchen Fall explosionsartig. Häufig stimmen die Informationen nicht, das weiß jeder, der mal "Stille Post" gespielt hat. Darum haben wir Kolleginnen und Kollegen, die diese Kanäle verfolgen und versuchen, Fakten zu verifizieren. Unsere Maßgabe ist, niemals etwas zu melden, was nicht bestätigt ist. "Wahrheit braucht Zeit", sagt der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen.

Viele Menschen trauen mittlerweile "alternativen Fakten" mehr als der Tagesschau. Ist das Umfeld heute schwieriger für seriöse Nachrichten?

Ganz im Gegenteil. Es gibt ein großes Bedürfnis nach glaubwürdigen Informationen, besonders seit Beginn der Corona-Pandemie. Die Zuschauerzahlen zum Beispiel der Tagesschau um 20 Uhr steigen, ebenso der Marktanteil bei jungen Zuschauenden – auch wenn wir wegen unseres hohen Anspruchs an Sorgfalt manchmal nicht die Schnellsten sind und nicht die spektakulärsten Bilder zeigen, weil wir keinen Voyeurismus bedienen wollen. Natürlich bemühen wir uns auch um diejenigen, die zwischen Fake-News und der seriösen Meldung nicht mehr unterscheiden können und den öffentlichen Medien nicht mehr vertrauen. Das machen wir zum Beispiel mit dem Format "Faktenfinder". Dabei greifen wir mögliche Falschinformationen aus der Diskussion auf und prüfen sie auf ihren Wahrheitsgehalt – etwa die Meldung über ein neues Coronavirus in Frankreich.

Die öffentlich-rechtlichen Medien werden häufig als "Staatsfunk" kritisiert.

Das Gegenteil ist richtig. Unsere Unabhängigkeit ist unser größter Wert. Wir werden durch Beiträge finanziert, das heißt, wir sind im Auftrag der Beitragszahlenden unterwegs, wir sind ihre Tagesschau. Ich finde, es gibt keine bessere Möglichkeit der Finanzierung. Wir sind nicht abhängig von Steuern oder vom Geld privater Unternehmen, das ist eine ziemlich geniale Konstruktion. Ich selbst hatte noch nie eine Schere im Kopf, wenn es darum ging, ob und wie wir über ein Thema berichten.

Neben Ihrer Tätigkeit als Nachrichtensprecher und -moderator entwickeln Sie auch regelmäßig neue Formate für die ARD. Bei "Wie rassistisch bist Du – Das Experiment" haben Sie mit sechs weißen Menschen über Rassismus und ihre eigenen Einstellungen dazu gesprochen. Haben Sie selbst Rassismus erlebt?

Es ist gar nicht so wichtig, ob ich das selbst erfahren habe. Schwierig ist eine Denkstruktur, die darauf fußt, dass eine Seite der anderen unterlegen ist. Muss mein Gegenüber knien, damit ich mich groß fühle? Diese Frage sollte man sich stellen – und nicht schockiert sein, wenn man feststellt, dass man sie spontan mit Ja beantwortet. Dann muss man aber darüber reden und Wege finden, damit konstruktiv umzugehen. Das gilt für Beziehungen zwischen Menschen, aber zum Beispiel auch für das Verhältnis des reichen Westens gegenüber dem globalen Süden.

Jan Hofer ist zu RTL gewechselt und macht jetzt dort eine Nachrichtensendung, Linda Zervakis und Mathias Opdenhövel machen ein Info-Format bei Pro 7. Wird man Sie auch mal bei einem anderen Sender sehen?

Das kann ich mir im Augenblick überhaupt nicht vorstellen. Die ARD und das, was ich hier mache, passen perfekt zu mir, und es ist absolut der richtige Platz für mich. Gerade weil ich immer wieder die Möglichkeit bekomme, mich neu auszuprobieren, das brauche ich und dafür bin ich sehr dankbar.

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