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Flugzeugabsturz bei Sinsheim-Ehrstädt: Offenbar hat sich der junge Pilot überschätzt

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		Flugzeugabsturz bei Sinsheim-Ehrstädt:  Offenbar hat sich der junge Pilot überschätzt

Von Tim Kegel

Sinsheim. "Irgendeinen Weg wird man ja finden", tippte der 20-Jährige noch am Morgen vor dem Start in Münsingen-Eisberg in sein Handy. Keine drei Stunden danach war der aus Rheinland-Pfalz stammende Student tot. Seine Maschine war am 7. November in Ehrstädt abgestürzt. Ein Bericht der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung, der auch der Redaktion vorliegt, zeichnet jetzt den verhängnisvollen Flug nach.

Überforderung, Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, Unterschätzung der Wettersituation – und in den Wind geschlagene Warnungen anderer Piloten: Schon kurz nach dem Unfall hatten erfahrene Kraichgauer Privatflieger die Umstände anhand vorhandener Flugaufzeichnungen in der RNZ analysiert und lagen, auch wenn Untersuchungsergebnisse noch ausstanden, offenbar richtig. Damals war anhand ungewöhnlicher Bewegungen, die das System "Flightradar" erfasst hatte, schnell ersichtlich geworden, dass der junge Mann im Cockpit in eine Stresssituation geraten sein muss und im Weiß der tiefen Wolken wohl die Orientierung verlor. Bis zuletzt waren in dem bei Piloten gängigen System fürs Smartphone Schlingerbewegungen, Richtungswechsel, Auf- und Abwärtsmanöver und schließlich kontinuierliches Sinken verzeichnet worden, wohl, um die Wolken schließlich zu unterfliegen. Zu dem Flug aus dem Schwabenland zurück nach Pohlheim, so wurde gefolgert, hätte nicht nach Sichtflugregeln aufgebrochen werden dürfen. Zu gefährlich.

Warnungen zumindest eines Zeugen sind den Gutachtern bekannt: Der Mann, ebenfalls Pilot, hatte sich mit dem späteren Unfallopfer "zu mehreren Terminen" getroffen, und stand auch während des Rückflugs mit dem 20-Jährigen in Kontakt, zuvor habe der Bekannte des Toten "mehrfach appelliert, nicht zu fliegen", auch weil Flugwetterdaten des Deutschen Wetterdienstes für den Direktflug nach Pohlheim "X Ray" gemeldet habe: In den Fliegercodes steht dies für tiefe Wolken, Nebel und eine Sichtweite unter 1500 Metern.

Trotzdem hob der Student zur Mittagszeit mit der geliehenen Ultraleichtmaschine ab, stand kurz danach mit dem Tower am Stuttgarter Flughafen wegen einer Überflugsgenehmigung und der Durchgabe zweier Meldepunkte in Verbindung. Um 12.42 Uhr nahm er Kontakt mit dem Piloten-Informationsdienst "Langen Information" auf, danach sind mehrere Sink- und Steigflüge in Höhen zwischen etwa 1400 und 400 Metern verzeichnet. Ein letzter Kontakt zwischen dem Piloten und "Langen Information" ist um 13.02 Uhr belegt, kurz vor dem Absturz: Hier meldet der Mann, dass sich sein Transponder zur Erfassung "verabschiedet" habe und er nun einen Neustart versuche: "Nicht, dass Sie sich wundern", wird er zitiert.

Gesamtumstände und offenbar eine Panne, die in der Tat für Verwunderung bei Fachleuten sorgen: Drei Versuche von "Langen Information", wieder Kontakt zur Maschine aufzunehmen, sind noch dokumentiert. Die Anrufe laufen ins Leere. Über dem Kraichgau bricht das Leichtflugzeug schließlich auseinander.

Während des nur eine knappe Dreiviertelstunde dauernden Unglücksflugs werden vom Piloten mehrfach Bilder der Wetterlage über dem Unterland und dem Kraichgau geschickt, eines davon zeigt dunkle, tiefe Wolken in wenigen Kilometern Entfernung, wie sie auch die Waibstadter Wetterstation festgehalten hat. Der Zeuge verfolgt das Unterfangen – von Kennern im Kraichgau als verwegen bezeichnet – ebenfalls über Flightradar, da er sich "große Sorgen bezüglich des Wetters" macht, wie es im Untersuchungsbericht heißt. Nachdem er merkt, dass sich das Symbol der Unglücksmaschine in der Darstellung des Flugwegs "nicht mehr bewegt habe", recherchiert der Zeuge und erfährt, dass es im Raum Sinsheim "zu einem Flugunfall gekommen" ist. Die Polizei Sinsheim bestätigt ihm dies schließlich.

Nieselregen setzt ein, laut einer Zeugin ist es "sehr neblig", als die Maschine in Ehrstädt auf ein Obstbaumstück kracht, keine 200 Meter vom nächsten Haus entfernt. Die Spaziergängerin erinnert sich an "komische Geräusche", die "sehr laut" gewesen seien, außerdem an ein rauchendes Flugzeug am Himmel. Zweimal habe es geknallt. Ein weiterer Zeuge erinnert sich an "starken Benzingeruch".

Die Untersuchung kommt zu dem Schluss, dass der 20-Jährige in Ehrstädt in eine Fluglage kam, "die zu einem strukturellen Versagen der Tragflächenkonstruktion" führte. In der Folge bricht die linke Tragfläche ab, das Flugzeug ist hiermit unkontrollierbar. Der Einschlag reißt einen 60 Zentimeter tiefen, runden Krater. Als Todesursache des Piloten wird von einem schweren Schädel-Hirn-Trauma ausgegangen. Die Obduktion ist längst abgeschlossen. Der junge Mann war kerngesund. Eine präzise technische Untersuchung des in Tschechien gebauten Flugzeugs ist aufgrund der starken Beschädigungen so gut wie unmöglich. Die Instrumente sind zerstört, ebenso weitere Dokumentationssysteme. Ein Notausstiegssystem wurde aber nicht betätigt, alles ging am Ende wohl sehr schnell.

Mit "hoher Wahrscheinlichkeit" habe der Pilot die Kontrolle verloren "in Wetterbedingungen, die eine Durchführung des Fluges nach Sichtflugregeln nicht zufließen", kommt der "Zwischenbericht" der Gutachter zum Schluss.

Doch warum startetet der 20-Jährige überhaupt? Aus der fliegerischen Vita des Unfallopfers lässt sich einerseits eine gewisse Ambition herauslesen: Seit dem 15. Oktober 2020 durfte er unter anderem Ultraleichtflugzeuge fliegen. Ein flugmedizinisches Tauglichkeitszeugnis datierte ins Jahr 2017. Laut persönlichem Flugtagebuch betrug die Flugerfahrung auf Ultraleichtflugzeugen knapp 55 Stunden, die Gesamtflugerfahrung knapp 74 Stunden. Drei Wochen vor dem Unfall hatte er eine weiterführende Motorflugausbildung begonnen.

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