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Hirschberg: "Es muss für die Firmen bezahlbar bleiben"

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Von Annette Steininger

Hirschberg. FDP-Fraktionsvorsitzender Oliver Reisig fällt im Gemeinderat eher als sachlicher, ruhigerer Diskussionsteilnehmer auf. Doch 2021 ist ihm auch ein-, zweimal der Kragen geplatzt. Warum, das verrät er im RNZ-Interview. Er spricht auch darüber, weshalb ihm das Thema "Wohnraum" so am Herzen liegt und wo er Lücken sieht, die es zu schließen gilt.

Herr Reisig, wie herausfordernd war aus Ihrer Sicht das Jahr 2021 kommunalpolitisch?

Ich finde, es war lange nicht so herausfordernd wie 2020. Man hat sich mit der Corona-Situation abgefunden. Ab dem Frühjahr herrschte schon fast wieder Normalität, was die Gemeinderatssitzungen angeht. Die großen Stellschrauben waren schon gestellt und die Themen gesetzt, wie Gewerbegebiet und Hallensanierungen. Nur das erste Quartal mit dem Bürgerentscheid war herausfordernd. Da ging es noch etwas drunter und drüber, und man hat für die Sache gekämpft. Als dieser dann aber, auch in unserem Sinne, entschieden war, ist eine große Last abgefallen und man konnte wieder zur Tagesordnung übergehen.

Die Entscheidung pro Gewerbegebietserweiterung war ja knapp. Hätten Sie sich ein deutlicheres Ergebnis gewünscht?

Natürlich, ein noch deutlicheres Ergebnis wäre schön gewesen. Aus unserer Sicht, also derjenigen der Befürworter, waren da auch viele Fehlinformationen unterwegs, die von der Gegenseite aufgerufen wurden. Irgendwann war die Faktenlage für den Bürger aber auch so überlagert, dass mancher wohl gar nicht mehr wusste: Was stimmt denn jetzt? Ein bisschen ist es mit der Corona-Lage vergleichbar. Es ist jetzt so, wie es ist: Unterm Strich ist es eine Mehrheit. Die Argumente Bodenversiegelung, Umwelt und Natur haben hier sicherlich auch eine Rolle gespielt und zum knappen Ergebnis beigetragen. Dem wollen wir auch Rechnung tragen. Die FDP steht zu ihrem Versprechen, dass wir ein zeitgemäßes Projekt realisieren wollen, bei dem Ökologie nicht nur am Rande steht.

Welche Forderungen des grün-roten Flügels sollten denn auch Ihrer Meinung nach im Gebiet umgesetzt werden oder hat die FDP eigene Schwerpunkte?

Wir müssen es schaffen, Ökonomie und Ökologie zu verbinden. Denn wir können uns das tollste ökologische Vorzeigeprojekt ausdenken, aber wenn es am Ende des Tages keine Gewerbetreibenden gibt, die mit diesen Konditionen leben können, dann ist solch ein Gewerbegebiet unterm Strich auch ein Reinfall. Wir müssen schauen, dass wir hier einen gesunden Mittelweg finden. Es muss letztlich für die Unternehmen bezahlbar sein. Daher waren wir den von SPD und GLH vorgeschlagenen Leitlinien anfangs auch erst mal kritisch gegenübergestanden. Jetzt müssen wir abwarten, welchen Weg wir einschlagen wollen, welche Ideen der Projektentwickler hat und welche Leitlinien wir tatsächlich möchten. Denn Letztere brauchen wir auf jeden Fall. Da geht es um Punkte wie: Welche Firmen sollten sich hier ansiedeln? Wie sieht es mit der Verkehrsbelastung aus? Es gibt ja jetzt schon Konsens über alle Parteien hinweg: Einen zweiten Pfenning (Logistiker im benachbarten Heddesheim, Anm. d. Red.) wollen wir hier nicht, das passt nicht zum neuen Gewerbegebiet.

Sie sind ja eher als ruhiges, sachliches Gemeinderatsmitglied bekannt. Dennoch ist Ihnen ein-, zweimal der Kragen geplatzt nach Stellungnahmen von SPD oder GLH. Warum?

Man versucht ja wirklich, für jede Partei und jede Position Verständnis zu haben, aber manchmal findet man dieses Verständnis nicht. Die letzte große Sache, bei der ich kein Verständnis hatte, war das ständige Mäkeln an Kostensteigerungen. Da ging es um die Hallensanierungen. Man muss doch sehen, wir befinden uns in so dynamischen Zeiten, die Baupreise explodieren. Und sich dann hinzustellen und zu sagen "Ja, aber, wir hatten doch vor zwei Jahren ganz andere Zahlen", das verstehe ich nicht. Natürlich müssen wir darauf achten, dass wir nicht zu viel für eine Sache ausgeben. Aber ich denke, dass mein Fraktionskollege Tobias Rell und ich aus unseren privaten Erfahrungen Folgendes mitgenommen haben: Wenn ich etwas mache, dann richtig. Nicht umsonst gibt es den berühmten Spruch: Wer billig kauft, kauft zweimal. Wenn wir jetzt die Hallensanierung richtig angehen wollen, dann kostet es schon 70.000/80.000 Euro mehr als noch vor ein paar Jahren. Und ja, das ist viel Geld, ja, das ist Steuergeld. Aber ich denke, die Bürger wollen auch, dass es dann 20/30 Jahre hält und auf dem aktuellen Stand der Technik ist. Wir wollen hier ja keinen Luxus.

Auch beim Neubau des evangelischen Kindergartens Leutershausen wurde ja schon heiß diskutiert.

Ja, im Grunde ist es genau dasselbe. Natürlich hätten wir auch kleiner bauen, es auf ein Minimum reduzieren und dadurch eventuell 1,2 Millionen Euro sparen können. Wir wissen aber alle, dass die Qualität, die ein Kindergarten leisten muss, von Jahr zu Jahr steigt – und das spiegelt sich im Platzbedarf und in den Betreuungszahlen wider. Und das muss ja auch irgendwie in zehn bis 15 Jahren abgebildet werden. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir durch die Wahl des Gebäudes, wie es jetzt ausfällt, in Zukunft Ruhe haben und keine Probleme bekommen, wenn zum Beispiel noch eine Gruppe mit verlängerten Öffnungszeiten in eine Ganztagesgruppe umgewandelt werden muss. Das geben die Räume dann auch her.

Ungewohnte Töne auch bei Ihrer Nachfrage bei der Verwaltung zum Stand des gemeinsamen CDU-, FDP-, FW-Antrags bezüglich des Neubaugebiets. Geht Ihnen die Entwicklung da zu langsam?

Hm, speziell was das Thema "Neubaugebiet" angeht, schon. Wobei man auch sehen muss: Die Verwaltung kann nur im Schnitt acht Stunden am Tag arbeiten, es waren viele Themen, und dann gibt es noch die Corona-Pandemie, die die Verwaltung ja auch belastet. Daher hatten wir erst mal gewartet und in Absprache mit der Verwaltung den Antrag ruhen lassen. Aber jetzt waren wir der Meinung: Es ist an der Zeit, ihn wieder auf den Tisch zu holen, weil das Thema "Wohnraum" die Bürger sehr umtreibt. So ist es richtig schwierig, hier in der Region etwas zu finden, von der Bezahlbarkeit will ich gar nicht erst anfangen. Da muss etwas passieren! Rings um uns herum wird schon wie wild gebaut. Und wir wollen ja den Menschen, die schon lange am Ort wohnen, in den Vereinen aktiv sind, auch die Möglichkeit bieten, hier bleiben zu können. Wenn solche engagierte Bürger nach Ladenburg oder Heddesheim abwandern, dann trifft das die Gemeinde doppelt.

Finden Sie denn das Modell der Landsiedlung mit dem Grundstücksfonds BW attraktiv?

Grundsätzlich ist das eine gute Sache, gerade wenn es darum geht, größere Flächen anzukaufen, über die man dann selbst entscheiden kann. Dann muss die Gemeinde keine eigene Liquidität dafür vorhalten. Inwieweit das dazu führt, dass die Gemeinde bezahlbaren Wohnraum hinbekommt, kann ich noch nicht abschätzen. Wo wir die große Lücke sehen: Zwischen den Menschen, die wirklich dringend Hilfe benötigen, und denjenigen, die alles bezahlen können, gibt es die Mittelschicht. Der Facharbeiter beispielsweise kann sich im aktuellen Preisgefüge mit Grundstückspreisen von 1000 Euro den Quadratmeter und mehr hier nichts leisten. Und das ist traurig, da muss was getan werden.

Wie sollte denn das Neubaugebiet aussehen?

Vom Standort her wäre unterhalb der B 3 in Leutershausen ideal, da gibt es noch genügend freie Flächen. Zu einem modernen Gebiet gehört eine Durchmischung: Geschossbau, Mehrfamilienhäuser, Reihenhäuser und auch ein gewisser Anteil an Bauland für Einfamilienhäuser, sodass das Spektrum komplett bedient ist. Dann bekommt man auch eine Querfinanzierung ins Gebiet hinein. Einfamilienhäuser sollte man für diejenigen vorhalten, die es sich leisten können. Und wenn die Gemeinde daran ein, zwei Euro verdient, kann sie es ja wieder reinvestieren. Da kann man dann Reihenhäuser bauen lassen oder Geschossbau für bezahlbaren Wohnraum realisieren und so den Kaufpreis oder die Mieten drücken, dass es sich die Facharbeiter-Familie auch leisten kann.

Jetzt stehen aber so viele Projekte an beziehungsweise sind gerade am Laufen: Hallensanierungen, Hallenanbau, Kindergarten-Neubau etc. Bleibt denn da überhaupt noch Luft für Themen wie das Neubaugebiet oder auch die Ortsrandstraße?

Wir werden irgendwann an einen Punkt kommen, an dem wir priorisieren müssen. Dann muss geschaut werden, was aktuell das Wichtigste ist. Wir haben mit den Sanierungen der Hallen und des Sportplatz-Gebäudes, dem Neubaugebiet, der Ortsentlastungsstraße und dem Kindergarten-Neubau schon jetzt vier große Themen, die am besten parallel bespielt werden müssen. Wenn die Verwaltung irgendwann sagt, "das schaffen wir nicht", müssen wir priorisieren. So setzen sich auch die Themen für 2023 und 2024 fast schon von selbst. Wenn ich sage, ich will die kommunalen Gebäude in den nächsten Jahren sanieren, dann sind die großen Pflöcke schon eingerammt. Kommt jetzt noch was dazu, müssen wir es wohl nach hinten schieben. Mit den schon genannten Punkten sind wir die nächsten Jahre jedenfalls gut beschäftigt. Und einiges wird sich auch noch hinziehen. Wir müssen die Bürger viel mehr mitnehmen als noch vor 10, 15 Jahren.

Sollte es Ihrer Meinung nach bei der Ortsentlastungsstraße einen Bürgerentscheid geben oder hätten Sie Sorge, dass das den Ort wieder spaltet?

Ich glaube, wenn wir es andersherum aufziehen und von vorneherein sagen, dass wir die Bürger mitnehmen, sei es durch eine Bürgerinformation oder einen Bürgerentscheid, ist das der bessere Weg. Denn es würde uns sowieso ereilen, dann lieber von Anfang an mit offenen Karten spielen. Das hat man aus den letzten beiden Bürgerentscheiden gelernt.

Jetzt liegen aber zwischen einer Bürgerinfo und einem Bürgerentscheid noch mal Welten. Wofür sind Sie denn?

Ich würde es so unbürokratisch wie möglich lösen. Eine Bürgerinfo ist sowieso immer der erste Aufschlag. Wenn man dann in die Bürgerschaft reinhört und merkt, das wird heiß diskutiert, dann muss es wohl zu einem Bürgerentscheid kommen, auch um das Ganze auf rechtlich sichere Füße zu stellen. Ich würde mich keinem Bürgerentscheid verschließen, wenn es die Bürger wollen.

Die FDP hat ja zumeist die Finanzen der Gemeinde gut im Blick. Sehen Sie bei den nun bevorstehenden Haushaltsberatungen schon Einsparpotenzial?

Wir werden wie immer schauen, wo es Möglichkeiten gibt, etwas einzusparen. Aber es wird immer schwieriger. Die großen Projekte sind gesetzt, und da werden wir auch nicht dran rütteln können oder wollen. Wenn Hallensanierungen anstehen, bleibt eben nicht mehr viel Investitionsvolumen übrig. Beim Parkplatz in der Großsachsener Straße könnte man sich fragen, ob es wirklich sinnig ist, schon Gelder in 2022 vorzuhalten, weil ja noch fraglich ist, wie weit der Bau des Gemeindehauses voranschreitet.

Auf was würden die Liberalen denn beim RNZ-Jahresinterview 2022 gerne stolz zurückblicken?

Dass wir die Grundpfeiler für den Sachsenhallen-Anbau in eine gute Richtung gebracht haben, dass wir dort hoffentlich bessere Erfahrungen mit dem Wettbewerb gemacht haben als bei vergangenen Projekten. Wenn wir es hier schaffen, dass die geplanten und die tatsächlich anfallenden Kosten etwas besser übereinstimmen, würde es mich schon sehr freuen. Da wäre ich stolz drauf. Und ich wäre stolz, wenn wir einen großen Schritt Richtung Neubaugebiet gemacht, vielleicht schon den Standort festgelegt haben und dann 2023 starten können.

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