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Nationaltheater Mannheim: Armer Eisbär, es wird wärmer

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		Nationaltheater Mannheim:  Armer Eisbär, es wird wärmer

Von Volker Oesterreich

Mannheim. Ja, wir wissen es alle, aber wir tun zu wenig, deshalb tickt die "Carbon Clock" des Mercator-Instituts unerbittlich weiter. Noch 7 Jahre, 6 Tage, 18 Stunden, 21 Minuten und 5 Sekunden, dann muss das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden. Wenn nicht, sieht es zappenduster aus für den Blauen Planeten und alle, die sich darauf eingerichtet haben. Diese Warnung steht während der Uraufführung des Ensembleprojekts "2027 – Die Zeit, die bleibt" über allem. Ein fakten- und facettenreiches Stück zur drohenden Klimakatastrophe, ersonnen von Gernot Grünewald zusammen mit seinem gesamten Team auf und hinter der Bühne des Nationaltheaters Mannheim.

Schon vor zwei Jahren sollte die Premiere steigen, doch dann fuhr der Truppe Corona in die Parade. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben, obwohl im Theater ständig neu disponiert werden muss. Manchmal wisse man morgens nicht, ob abends gespielt werden könne und ob das Publikum den Theaterleuten die Treue halte, sagte Schauspiel-Intendant Christian Holtzhauer vor Beginn der Vorstellung, um sich bei allen Beteiligten für ihre Beharrlichkeit und ihren Kultur-Enthusiasmus in diesen schwierigen Zeiten zu bedanken: "Wir sind ausverkauft, das ist nicht selbstverständlich in diesen Zeiten." Applaus für diese Mutmacher, und zwar nicht zu knapp!

Vier Ensemblemitglieder des Nationaltheaters – Sophie Arbeiter, Maria Munkert, Patrick Schnicke und Nicolas Fethi – appellieren zusammen mit 17 Mannheimerinnen und Mannheimern im Alter zwischen 17 und 74 Jahren an unser Verantwortungsbewusstsein. Argument reiht sich an Argument, Menetekel an Menetekel. Es geht darum, wie wir den CO2-Emissionen Einhalt gebieten können, wie wir uns ernähren sollten, dass von SUV-Fahrern, dem Mannheimer Großkraftwerk oder etlichen Konzernen Gefahren ausgehen. Der globale Norden lebt auf Kosten des globalen Südens, die Polkappen schmelzen, der Meeresspiegel steigt, Klimakatastrophen nehmen zu und gewaltige Völkerwanderungen stehen bevor. Alles bekannt, aber wir sind Weltmeister in den Disziplinen Verdrängung und Weggucken.

Man kennt diese Warnungen nicht erst seit Greta Thunberg, sondern schon seit fünf Jahrzehnten. Anno 1972 erschienen die "Grenzen des Wachstums" von Dennis L. Meadows & Co., ein weltweit heiß diskutierter Report, dessen Befunden sich zahllose Wissenschaftler im "Club of Rome" anschlossen. Der Club arbeitet bis heute weiter, und ständig kommen neue Erkenntnisse dazu, aber getan wird zu wenig.

Für das Stück haben Grünewald und die Ensemblemitglieder gründlich recherchiert und die Fakten geschickt zu einem 100-minütigen Theaterabend verdichtet. Eine kreisrunde Projektionsfläche beherrscht Michael Köpkes Bühnenbild. Sie symbolisiert die fragile Mutter Erde, auf der live gefilmte Bilder des Ensembles und Bedrohungsszenarien im schnellen Wechsel gezeigt werden, beispielsweise von einem traurigen Eisbären, dem es viel zu warm geworden ist.

Dennoch: Zeigefingerndes Dokumentartheater ist nicht immer bühnenwirksam, es raschelt wie ein Papiertiger. Das weiß man seit Rolf Hochhuth und Heinar Kipphardt, den Altvorderen dieser Spielart. Psychologie, Schauspielkunst und sprachliche Finesse werden dabei zugunsten der mahnenden Botschaft verdrängt. Schade eigentlich. Aber es ist wie immer im Theater: Man kann nicht alles zugleich haben. Festzustellen bleibt, dass bei "2027 – Die Zeit, die bleibt" ein großer Konsens zwischen Bühne und Parkett herrscht. Gut so!

Info: nationaltheater-mannheim.de

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