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Ladenburg: "Ein unnötiger Angriff auf die Bibliotheksarbeit"

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Von Katharina Schröder

Ladenburg. Die Initiative "Fair lesen" erregt zurzeit die Gemüter. Dahinter steht eine recht ungewöhnliche Allianz: Autoren, Verlage und Buchhändler haben sich in einem offenen Brief zusammengetan, um gegen einen Gesetzentwurf zu protestieren, der eine rechtliche Grundlage für die sogenannte Onleihe schaffen soll – also die Ausleihe von E-Books über Bibliotheken. Im Interview erklärt Petra Göhring, Leiterin der Ladenburger Stadtbibliothek, wie sie zu dem Vorstoß steht und wie die Onleihe überhaupt funktioniert.

Frau Göhring, in der Diskussion um "Fair lesen" wird viel davon gesprochen, dass Autoren, Verlagen und Buchhandlungen die Existenzgrundlage genommen wird. Verstehen Sie das?

Nein.

Warum nicht?

Es wird so getan, als würden die Bibliotheken die E-Books umsonst haben wollen. Dabei geht uns darum, dass wir überhaupt Zugriff auf Neuerscheinungen bekommen. Denn manche Verlage verwehren uns E-Books prinzipiell. Die Gesetzesgrundlage wäre einfach nur eine Basis dafür, dass wir an neue Literatur kommen.

Wie funktioniert denn die Onleihe?

In unserer Region haben wir den Verein "Metropol-Card-Bibliotheken Rhein-Neckar" und darüber auch den Verbund "metropolbib.de". In diesem Verein managt eine Erwerbungskommission den zentralen Ankauf von E-Books für die zusammengeschlossenen Bibliotheken.

Wie wird das vergütet?

Physische Bücher kaufen wir als einzelne Bibliothek über den Buchhandel. Dafür zahlen Bibliotheken eine pauschale Tantieme, die einen Ausgleich dafür schaffen soll, dass sich nicht jeder ein Buch kaufen muss, um es zu lesen. Bei den E-Books zahlen wir für eine zeitlich begrenzte Lizenz.

Das heißt?

Was das Ausleihen eines E-Books betrifft, gibt es keinen Unterschied zum physischen Buch. Ob elektronisches oder Printbuch – es kann immer nur eine Person zeitgleich ausleihen. Manchmal kaufen wir deswegen auch mehrere Lizenzen, so wie wir auch manche Printbücher mehrfach kaufen. Und wir bezahlen mehr als ein Privatmensch für das E-Book. Es gibt also de facto bereits einen finanziellen Ausgleich.

Warum ist die Onleihe so wichtig?

Sie bietet Chancen für Menschen, die nicht so mobil sind. Das sind zum Beispiel Menschen mit Handicap. Wir sind hier aufgrund der Altstadtsituation noch immer nicht barrierefrei. Und dann gibt es Leute, die einfach nicht so viel Zeit haben oder nicht, wenn wir gerade geöffnet haben. Wir wollen allen ein Angebot zur Verfügung stellen. Und gerade in Corona-Zeiten hatten wir einen riesigen Anstieg bei der Onleihe, die man jederzeit von überall aus nutzen kann.

Im offenen Brief der Initiative ist immer wieder die Rede vom "Nulltarif". Woher kommt das?

Das ist Quatsch. Wenn ich eine Lizenz erwerben darf als Bibliothek, ist das kein Nulltarif. Keiner hat gesagt, dass wir die Lizenzen geschenkt bekommen wollen. Durch den Gesetzentwurf kann es sein, dass Verlage Lizenzen an Bibliotheken ab Erstverkaufstag verkaufen müssen. Und somit nicht mehr frei sind, wann und zu welchen Konditionen sie Bücher lizenzieren. Das stört die Verlage.

Und was stört die Autoren?

Ich weiß es nicht. Einige sind auch schon wieder zurückgerudert, glaube ich. Es haben auch viele namhafte Autoren unterschrieben, das ist mir unverständlich.

Warum?

Unbekanntere Autoren haben sicherlich nicht die Möglichkeiten, große Forderungen zu stellen. Was die Gewinncharge für sie angeht, ist das aber kein Problem mit den Bibliotheken, sondern eins zwischen Autoren und den Verlagen. Im Prinzip haben wir hier einen klassischen Fall von Fake News. Die Fakten stimmen einfach nicht.

Wie meinen Sie das?

Es geht nur darum, dass wir den ganzen E-Book-Markt bespielen wollen. Und wir als Bibliothek in öffentlicher Trägerschaft haben ja den Auftrag, Literatur für alle zugänglich zu machen. Noch mal: Wir wollen die E-Books nicht geschenkt bekommen. Aber der Gewinn geht zunächst an die Verlage, nicht an die Autoren. Und das stört mich an der aktuellen Debatte. Diese derzeitige Situation nützt nur den Verlagen.

Warum?

Bei Printbüchern legt die Bibliothekstantieme genau fest, wie viel Geld für ein Buch fließen muss. Für E-Books gibt es das nicht, da verhandeln die Verlage die Lizenz frei und auch die Weitergabe an die Autoren funktioniert meines Wissens anders. Man darf nicht vergessen, dass Verlage kommerzielle Einrichtungen sind. Sie versuchen gerne, sich zu idealisieren, trotzdem sind sie Wirtschaftsbetriebe.

Sind Flatrate-Angebote durch große Anbieter im Netz so gesehen nicht problematischer für Autoren als das Bibliothekswesen?

Auf jeden Fall. Wenn man Angebote wie ’Kindle unlimited’ und andere nutzt, zahlt man einen pauschalen Betrag und kann uneingeschränkt auf E-Books zugreifen. Und die kann man weitergeben, man hat ja dann die Medien zur uneingeschränkten Nutzung.

Der offene Brief kritisiert auch die Onleihe ab Erscheinungsdatum. Gibt es bei Printbüchern eine Sperrfrist?

Nein. Für uns gilt das Erscheinungsdatum im Buchhandel. Wenn wir schnell sind, können unsere Kunden die Bücher sofort ausleihen. Der E-Book-Markt beschränkt uns die ganze Zeit schon sehr durch verspätete oder manchmal eben gar keine Lizenzierungen.

Wie wird die Onleihe in Ladenburg im Vergleich zur Printausleihe genutzt?

Bei uns ist die Ausleihe von E-Medien relativ gering. Im letzten Jahr war die Ausleihe der physischen Medien fast fünfmal so hoch wie die der E-Medien. Aber in Pandemiezeiten ist die Onleihe im Verbund sehr gestiegen. Und wir haben auch Kunden, die nur zum Ausweis verlängern bei uns reinkommen und sonst die Onleihe nutzen.

Was bedeutet die Initiative "Fair lesen" für Sie?

Mich hat betroffen gemacht, dass wir als Bibliotheken angegriffen werden, obwohl wir Autoren ja auch fördern. Sei es über klassische Lesungen und Empfehlungen oder hier in Ladenburg über die Literaturgruppe "vielerorts" und das Angebot "Flaneure und Flaneusen". Wir laden Autoren ein, und sie lesen ja nicht umsonst bei uns. Für mich ist das ein unnötiger Angriff auf die Bibliotheksarbeit. Ich finde das nicht in Ordnung. Einfach, weil die Fakten nicht stimmen.

Ändert "Fair lesen" jetzt etwas an Ihrer Arbeit?

Nein. Vielleicht trägt der Diskurs ja sogar dazu bei, dass der Gesetzesentwurf für beide Seiten noch verbessert wird. Außerdem hat die Debatte noch einen schmackhaften Nebeneffekt für uns.

Und zwar?

Bibliotheken wurden durch den Aufruf in den Mittelpunkt gerückt, was ja selten passiert. Es zeigt sich, was der Auftrag öffentlicher Bibliotheken ist und was wir bieten. Das finde ich eigentlich ganz toll.

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