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Martin Sonneborn: "Die Partei"-Vorsitzender schaute in Heidelberg vorbei

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		Martin Sonneborn:

Von Philipp Neumayr

Heidelberg. Kaum schreitet er heran, bricht, wie könnte es bei diesem Namen auch anders sein, die Sonne hindurch. Mit knapp eineinhalb Stunden Verspätung trifft Martin Sonneborn am Wahlkampfstand seiner Partei "Die Partei" am Anatomiegarten in der Hauptstraße ein. Dort stehen sie schon, die Parteikameraden und -kameradinnen, standesgemäß im blauen Hemd, grauen Anzug und mit roter Krawatte, und warten auf ihren Vorsitzenden und "Grövaz", den "Größten Vorsitzenden aller Zeiten".

Sonneborn trägt ebenfalls blaues Hemd und rote Krawatte, den Hausmeistermantel darüber offen. Dass es den 56-Jährigen am Donnerstagnachmittag nach Heidelberg verschlägt, hat vor allem pragmatische Gründe. "Das lag auf dem Weg zwischen Straßburg und Berlin", sagt Sonneborn. Er selbst hat laut eigener Aussage einer früheren Geliebten wegen einmal zwei Jahre in der Hauptstraße gewohnt. Der Dialekt habe ihn aber aus der Kurpfalz vertrieben. Hier, sagt Sonneborn, sei es nur solange auszuhalten, wie "die Leute die Fresse halten".

Seit 2014 ist Sonneborn Mitglied des Europäischen Parlaments. Mit seinen satirischen Reden hat er die Politik der Europäischen Union (EU) in den vergangenen Jahren das ein oder andere Mal entlarvt. Erst am Mittwoch holte er zum verbalen Rundumschlag aus, nachdem EU-Chefin Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur "State of the Union" ("Lage der Union") die inhaltlichen Leitlinien für das kommende Jahr in der EU vorgestellt hatte. "Die EU scheint heute mehr denn je ein gut geschmierter Apparat zur Umschichtung von Steuergeldern an die Privatwirtschaft zu sein, mit rhetorischen und ethischen Nullnummern an der Spitze."

Einen Tag darauf, in Heidelberg, zeigt sich Sonneborn dann doch etwas zahmer. Der Parteivorsitzende lächelt in Smartphone-Kameras und unterschreibt geduldig auf unzähligen Bieren, besser gesagt: seinen Bieren. Die Parteigenossen hatten für den Besuch des "Grövaz" eigens ein Bier mit dem Namen "Sonnebräu" brauen lassen. Und die Passanten können es gar nicht so richtig glauben, dass ihnen da auf ihrem Gang durch die Hauptstraße unverhofft die Möglichkeit begegnet, ein kostenloses Bier zu ergattern.

Es sind vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, die an diesem Nachmittag an den Wahlkampfstand herantreten, wo sie sich neben Bier mit verschiedenen Flyern eindecken dürfen – etwa einem mit dem Abbild "Arminion Lushets" (CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet in Form eines Minion, einer Figur aus der Animationsfilmreihe "Ich – Einfach unverbesserlich").

Der 15-jährige Mathis aus Edingen hatte gemeinsam mit seiner Mutter mehr als eine Stunde auf Sonneborn gewartet. Als er dann da ist, stellt er sich ihm als "großer Fan" vor und bittet um eine Signatur ins Sonneborn-Buch "99 Ideen zur Wiederbelebung der politischen Utopie: Das kommunistische Manifest". Er habe "Die Partei" über einen Freund kennengelernt und folge ihr über die Social-Media-Kanäle, sagt Mathis. Der Humor gefalle ihm. Wählen würde er sie auf Bundesebene dennoch nicht.

Auch der 21-jährige Julian kann sich nicht ernsthaft vorstellen, die Satire-Partei am 26. September zu wählen, und das, obwohl er selbst Parteimitglied ist. Aber ihm geht es da ähnlich wie seiner Freundin Cheyenne (20), die findet: "Diese Bundestagswahl ist einfach zu wichtig."

Sonneborn und seine Parteikollegen kämpfen natürlich trotzdem um jede Stimme. "Geben Sie uns Ihre Stimme!", befiehlt – vielmehr als empfiehlt – "Die Partei"-Stadtrat Björn Leuzinger einem älteren Herren. "Aber das ist ja eine verlorene Stimme", entgegnet dieser. "Nein, bei uns ist keine Stimme verloren", sagt Leuzinger.

Während die lokalen Spaßpolitiker versuchen, sich die Gunst des Volkes nicht nur mit Bier, sondern auch anhand von überdimensionierten 500-Euro-Scheinen zu erkaufen ("Damit sie nicht mehr arbeiten müssen!"), hat Sonneborn kein Problem, den Wählerinnen und Wählern gegenüber auch einmal unbequeme Wahrheiten auszusprechen. "Wir sind eine Partei für Rentner und für kleine Leute – so wie Sie", sagt er, als ein klein gewachsenes Paar auf ihn zukommt.

Die Satire ist eine von "nur vier, fünf Arten, auf den alltäglichen Irrsinn des kapitalistischen Systems zu reagieren", so das Motto Sonneborns. Auch in krisenhaften Zeiten wie diesen sei sie für ihn das Mittel der Wahl. "Solange es uns und den Leuten Spaß macht, machen wir weiter."

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