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Besuch bei Neckarwiesen-Anwohnern: Wie Gröler und Randalierer die Einheimischen zermürben

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		Besuch bei Neckarwiesen-Anwohnern:  Wie Gröler und Randalierer die Einheimischen zermürben

Von Anica Edinger

Heidelberg. Samstagabend, 21.30 Uhr. Am Neuenheimer Neckarufer bricht die Dunkelheit herein. Die Wiese ist voll, insbesondere im Bereich zwischen Theodor-Heuss-Brücke und Wasserspielplatz. Gut 700 Menschen sind da, sagt die Polizei. Auf Bänken, auf dem Boden, überall sitzen junge Leute, schätzungsweise zwischen 15 und 18 Jahre alt. Einige sind offensichtlich betrunken. Fast alle haben Flaschen mit alkoholischen Getränken dabei. Die Polizei ist mit Mannschaftswagen vor Ort. Auch der Kommunale Ordnungsdienst ist da. Die Stimmung ist ausgelassen, aber friedlich.

Familie Blank hat in der Küche zu Abend gegessen. Es gab Fisch. Den großen Esstisch im Wohnzimmer, den meiden sie am Wochenende. Ebenso ihren kleinen, wunderschönen Balkon mit Blick auf den Neckar und die Neckarwiese. Die Blanks wohnen seit gut sieben Jahren in der Uferstraße. Auf ihrem kleinen Balkon sitzen sie wochenends schon lange nicht mehr.

In den vergangenen zwei, drei Jahren sei die Situation immer schlimmer geworden, berichten die Blanks – beide gebürtige Neuenheimer – am Samstagabend. Der Lärmpegel in der Wohnung im ersten Obergeschoss ist enorm. Jugendliche, die Sprechchöre anstimmen. Mädchen, die aufschreien. Selbst in der Küche, die nicht zur Uferstraße ausgerichtet ist, ist die Party auf der Wiese zu hören.

Friedrich Blank misst mit seinem Handy den Lärm. Um die 63 Dezibel werden angezeigt. "Das ist noch ruhig", sagt Blank. Nach der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm, kurz TA Lärm, sind nachts 45 zulässig. Es habe auch schon Wochenenden gegeben, da habe er Werte über 70 gemessen, berichtet Friedrich Blank – und das weit nach 22 Uhr, der Zeit, ab der laut Polizeiverordnung die Nachtruhe gilt. Etwa am Pfingstwochenende, als gut 80 Jugendliche auf der Neckarwiese randalierten. Was da passiert sei, das sei "unvorstellbar" gewesen, sagt Friedrich Blank. Etwas, dass es "vorher noch nie gab".

Ganz anders läuft es diesen Samstag: Die Polizei greift früh ein, zeigt Präsenz. Bluetooth-Musik-Boxen sind schon um 22 Uhr keine mehr zu hören. Laut neuer Neckarvorlandsatzung sind die Geräte ab 23 Uhr komplett verboten. Ein kleiner Erfolg für Friedrich Blank, obwohl es ihm lieber gewesen wäre, hätten die Stadträte das Verbot bereits ab 22 Uhr angesetzt. "Doch 23 Uhr", sagt Blank, "das ist auch in Ordnung."

Gegen 23 Uhr ist an diesem Samstagabend ohnehin Feierabend auf der Neckarwiese. Die jungen Menschen wandern ab. "Die ziehen jetzt in die Altstadt", mutmaßt Blank. Auch die Polizei beendet ihren Einsatz gegen 23 Uhr. Ein Polizeisprecher erklärt auf RNZ-Anfrage, dass es an diesem Abend zu keinen Ausschreitungen oder besonderen Vorkommnissen gekommen sei. Ein Abend wie dieser, "das ist für uns der Traum", sagen Petra und Friedrich Blank einhellig. Doch in diesem Sommer sei er eine absolute Ausnahme gewesen.

"So krass wie dieses Jahr war es noch nie", erzählt auch Tochter Lina. Die 19-Jährige studiert Molekularbiologie, zog vor Kurzem gemeinsam mit einer Freundin eine Ecke weiter, in die Ladenburger Straße. Ist sie abends bei ihren Eltern zu Besuch und geht wieder nach Hause, geht sie nie allein. "Mein Vater begleitet mich." Die Wiese meide sie schon lange, eigentlich immer ab 20 Uhr. Sie zeigt auf Hunderte betrunkene Jugendliche am Neckarufer. "Wollten Sie da durchlaufen?", fragt die 19-Jährige.

Mutter Petra Blank ist mit den Nerven längst am Ende. Am vergangenen Freitag, berichtet sie, da machten die Blanks alle Fenster und Fensterläden dicht. "Wir haben uns ins Bett gelegt, wollten nichts sehen und nichts hören." Der Lärm, die aufgeheizte Stimmung, die Aggressionen, die massive Polizeipräsenz. Wochenende um Wochenende. "Das belastet auch das Familienleben." Viele Abende habe sie schon mit Weinen verbracht. Dabei wolle sie so nicht sein, sagt Petra Blank. Sie wolle sich nicht ständig beklagen, nicht "wie eine Spießerin dastehen. Denn das sind wir nicht."

Ganz im Gegenteil: Auch sie wolle in einer lebendigen Stadt leben. Gegen junge Menschen, die auf der Wiese sitzen, die sich unterhalten, lachen, auch mal über die Stränge schlagen, dagegen sei nichts einzuwenden. Doch damit habe die derzeitige Situation nichts zu tun. Schlägereien, massive Ruhestörungen, Vermüllung, Wildpinkeln und Landfriedensbruch: Fast jedes Wochenende müssten sie die Polizei rufen – "der Name Blank ist beim Revier bekannt". Schon häufiger habe sie "junge Mädels" erwischt, wie sie zwischen die Autos pinkelten. Jungs seien schon über die Geländer gestiegen und hätten sich in die Vorgärten gesetzt. Wenn man sie dabei erwische und bitte, zu gehen, "wird man aufs Übelste beschimpft und bedroht", so Petra Blank.

Ein eigentlich lebenswerter Ort, eine lebenswerte Stadt, ist für die Blanks genau das nicht mehr: lebenswert. Sie sollten doch einfach wegziehen. Das hätten ihnen auch Freunde bereits nahegelegt. "Doch ist das wirklich die Lösung?", fragt Petra Blank. Müsse man als Anwohner dem Mob, der jedes Wochenende Party am Neckarufer mache, ohne Rücksicht auf Verluste, wirklich klein beigeben? Nein. Finden die Blanks. Und deshalb kämpfen sie. Obwohl ihre Kräfte längst am Ende sind.

In der Aktionsgruppe Neckarwiese, die aufgrund der Ereignisse am Neckarufer gegründet wurde, hätten sich schon über 100 Anwohner zusammengefunden. Es gab Treffen mit fast allen politischen Fraktionen im Stadtparlament, mit dem Jugendgemeinderat, den Nachtbürgermeistern. Erste Ergebnisse können sich sehen lassen. Das "Feierbad" auf dem Gelände des ehemaligen Schwimmbadclubs im Neuenheimer Feld war eine Idee, die aus verschiedenen Diskussionen auch mit Anwohnern erwachsen ist. Es könne sein, ist Friedrich Blank vorsichtig optimistisch, dass es am Samstagabend auf der Neckarwiese auch wegen dieses neuen Angebots verhältnismäßig ruhig war. Rund 500 junge Leute feierten in der Nacht zum Sonntag in dem Open-Air-Club. Die Blanks wünschen sich mehr solcher Angebote, in allen Stadtteilen.

Samstagabend, 1 Uhr. Friedrich Blank geht mit den beiden Möpsen noch eine Runde spazieren. Wenige kleine Grüppchen sind noch auf der Wiese. Nahe der Ernst-Walz-Brücke läuft noch eine Musikbox. Polizei oder Ordnungsdienst sind nicht mehr da. Von der Box hört man bei den Blanks nichts. Sie werden eine ruhige Nacht haben. Ausnahmsweise.

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