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___Wie Juden in Meckesheim lebten

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		 ___Wie Juden in Meckesheim lebten

Von Inge Hanselmann

Meckesheim. Den Spuren früherer Mitbürger jüdischen Glaubens ist Edith Wolber nachgegangen. Was sie dabei herausgefunden hat, dokumentieren und nachfühlen kann, berichtete sie den Teilnehmern einer gemeindlichen Veranstaltung. "Führung durchs Dorf. Jüdisches Leben in Kraichgau und jüdische Gemeinde in Meckesheim" war der Titel des Rundgangs, der im Rahmen der Reihe "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" stattfand. Rund 50 Teilnehmer aus allen Altersgruppen, darunter auch ein Paar aus Israel, hatten sich dazu im Schatten der Grünanlage vor dem Friedhof zusammengefunden.

Sicher seien Juden schon länger als die schriftlich belegten 1700 Jahre in Deutschland, begann die Ethnologin Wolber ihren Vortrag. Sie seien als Handelsleute mit den römischen Soldaten aus dem Mittelmeerraum gekommen. Zentrale Orte waren die Städte Speyer, Worms und Köln. Vor 700 Jahren seien sie im Kraichgau urkundlich erwähnt worden, als sie als Sündenböcke für die Pestepidemien herhalten mussten. Seit über 300 Jahren ist ihre Anwesenheit in Meckesheim belegt.

Hier sei eine der kleineren jüdischen Gemeinden ansässig gewesen, erklärte Wolber. Die Juden stellten einen Bevölkerungsanteil von höchstens fünf Prozent dar. Aber alles, was für eine jüdische Gemeinde notwendig war, sei vorhanden gewesen: ein Betsaal mit Thora, später sogar eine Synagoge, ein eigener Friedhof, jüdische Gasthäuser und jüdische Schächter.

Der Rundgang zeigte, was davon noch erhalten ist und wo an jüdisches Leben erinnert wird. Die Gruppe stieg den steilen Weg hinauf zum Judenfriedhof. Die kleine Begräbnisstätte liegt etwas abseits unterhalb der Aussegnungshalle am Hang. Rund 20 Grabsteine stehen in dem umzäunten Geviert und zeugen von den verstorbenen "Hanchen Kaufmann" oder "Marx Bär Kern".

Vielen der hier aufzufindenden Namen ist Wolber in ihren Recherchen nachgegangen, indem sie die Lebensgeschichten der Menschen ermittelte. "Salomon Eisemann" sei Gemeindevorsteher gewesen. "Siegfried Kaufmann" war demnach ein guter Sportler aus dem Verein, dessen tödlicher Unfall bei einer Schlittenfahrt den Meckesheimern im Gedächtnis geblieben ist.

Aber an Vieles aus der Zeit des Nationalsozialismus wollten sich befragte Zeitzeugen nicht mehr erinnern, hat Wolber erfahren müssen. Manche empfänden jedoch Scham und böten um Vergebung, wie der Gedenkstein der "Bürger Meckesheims" auf dem Friedhof bezeugt. "Zum Gedächtnis an unsere jüdischen Mitbürger", steht dort in Stein gemeißelt. Auch das Gurs-Denkmal am Dammweg zeugt von respektvoller Erinnerung. Ein Randstein aus der Bahnsteigkante trägt ein Stück Gleis, über das jüdische Menschen deportiert wurden oder in die Vernichtungslager rollten.

In der Ortsmitte, wo sich Leopold-, Friedrich- und Bahnhofstraße treffen, erzählte Wolber von einzelnen Schicksalen der hier ansässigen deutschen Mitbürger jüdischen Glaubens: von Lina Stein mit ihrem Kurzwarengeschäft oder von dem wohlhabenden Geschäftsmann Max Neuberger, der von einer angesehenen Person im Dorf zum "Scheißjuden" wurde. Auch ging es um die Wirtsleute des beliebten Gasthauses "Zur Krone", das unter dem Druck der Faschisten nach und nach gemieden wurde. Das wiederum führte die Gastwirte in bitterste Armut.

Wolber erzählte kenntnisreich, einfühlsam und mit viel Detailkenntnis. Sie brachte ihren Zuhörern die einzelnen Lebensläufe nahe und legte dar, wie sich heute die Enkelgenerationen wieder begegnen können. Sie wies auch auf die im Pflaster des Gehwegs eingelassenen Stolpersteine hin, die lange noch nicht vollständig seien.

Erhalten geblieben ist in Meckesheim die Synagoge. Sie liegt etwas versteckt in der zweiten Baureihe an der Leopoldstraße. Das Gebetshaus, erbaut 1844/45, wurde von der jüdischen Glaubensgemeinschaft aufgegeben, als die jüdische Gemeinde zu klein wurde. Es wurde 1937 in sogenannt arisch-deutsche Hände verkauft und blieb deshalb in den Pogromnächten von der Zerstörung verschont. Heute wird es als Wohnhaus genutzt. An seinen Rundbogenfenstern ist noch seine ursprüngliche Nutzung zu erkennen.

Die Teilnehmer der Führung, deren Zahl während des Weges durchs Dorf nicht kleiner geworden war, durften das privat genutzte Anwesen ansehen. Alte Fotos zeigten die getrennten Eingänge für Männer und Frauen. Die Lage des rituellen Bades ist noch bekannt und einzelne Stücke aus der früheren Einrichtung sind erhalten.

Höchst interessant sei der Rundgang gewesen, dankte Bürgermeister Maik Brandt zum Abschluss des zweistündigen Rundgangs der kundigen Führerin. Er freute sich, dass die Veranstaltungsreihe, die Julia Wieland in ihrer Praktikantenzeit bei der Gemeinde zusammengestellt hatte, einen so großen Zuspruch findet.

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