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Heidelberger Stückemarkt: Schauspielhaus Zürich bietet unterhaltsame Aufklärung nach Wedekind

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		Heidelberger Stückemarkt:  Schauspielhaus Zürich bietet unterhaltsame Aufklärung nach Wedekind

Von Daniel Schottmüller

Heidelberg. Wer muss hier aufgeklärt werden? Das ist die Frage, die zunächst über Suna Gürlers per Livestream übertragener Inszenierung zu schweben scheint. Wobei Interpretation der bessere Ausdruck für das ist, was die Regisseurin mit Frank Wedekinds "Frühlings Erwachen" (1891) gemacht hat. Denn wie das Online-Publikum beim Heidelberger Stückemarkt und die rund 50 Zuschauer in Zürich erfahren, hat es einen Grund, dass der Titel des einstigen Skandalstücks auf den Plakaten durchgestrichen wurde. "Frühlings Erwachen isch cancelled", kräht uns das jüngste Ensemblemitglied gleich zu Beginn in schönstem Schwyzerdütsch entgegen. Der Lockdown kam dazwischen. Und überhaupt, die Erfahrungen der jugendlichen Darsteller sind doch spannend genug. Muss man da unbedingt einen angestaubten Text rezitieren, der vielleicht mal vor 130 Jahren als obszön missverstanden wurde?

Die Mädchen und Jungen sind ja auch nicht auf sich gestellt. Mit Vincent (Matthias Neukirch) haben sie einen Vollprofi zur Seite. Er, der Berufs- unter den Laiendarstellern, der Erwachsene zwischen sechs Pubertierenden, ist allzu gerne bereit, ihnen den Weg durchs schlüpfrige Terrain zu weisen. Wie es sich für einen Aufklärer gehört, in astreinem Hochdeutsch. Schade nur, dass er ständig in die falsche Kamera schaut, während er die von Algorithmen ferngesteuerte Tinder-Generation belehrt: Brennen sollen sie, flirten, was riskieren: "Zu meiner Zeit musste man sich die Telefonnummer der Angebeteten noch erkämpfen", schwadroniert er. Nicht lange.

Spätestens beim Thema Pornografie wird klar: So unverkrampft, wie er sich gerne selbst sieht, ist der Mann in den Jogginghosen nicht. Vincent muss sich erst mal setzen, während ihm seine Mitspieler "Only Fans" und "Fair Trade Porn" näher bringen. Zurück zur Eingangsfrage: Ist es dann die Generation X, die eine Aufklärungsstunde erhält? Was uns das Ensemble in "freshem" Schwyzer Denglisch – Kompliment an Autor Lucien Haug! – mitgibt, ist "safe" die "message": Wir können was lernen, wenn wir uns zuhören. Denn Fragen haben alle!

Was tun, wenn die Eltern nicht akzeptieren, dass die Tochter auf Mädchen steht? Oder wenn man als Junge von einer erfahreneren Frau verführt wird? Als Aylin (Sascha Bitterli) ihre Bondage-Fantasien schildert, werden Parallelen zu Wedekind deutlich. Die Inszenierung ist aber mutig genug, auch auf die Gegenfahrbahn zu lenken. Etwa wenn Moritz (Matthias Kull), der im Stück heißt wie ein "Frühlings Erwachen"-Charakter, eben nicht suizidal ist. Sondern gut damit leben kann, dass er "Jungmann" ist. Nicht nur mit dieser Wortschöpfung beweist die Inszenierung Kreativität. Gecancelled wird hier, wenn, nur die Scham, die der Aufklärung im Weg steht. Gut so!

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