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Prozess in Heidelberg: "Wie in Actionfilmen" - Mann, Frau, Feuerwerk und das Auto (Update)

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		Prozess in Heidelberg:

Von Jonas Labrenz

Heidelberg. Ein 67-Jähriger hat im August letzten Jahres in der gemeinsamen Wohnung eine Feuerwerksbatterie auf seine Frau gerichtet und gezündet. Die 44-Jährige erlitt Verbrennungen und Prellungen, das Wohnzimmer fing Feuer. Anschließend schob der Angeklagte das Auto seiner Frau 60 Meter weit in eine Böschung. Seit Dienstag muss er sich unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Landgericht verantworten. Am Freitag schilderten die Nachbarn die Vorfälle, es sind noch drei weitere Prozesstage geplant.

Es war ein heißer Sommertag, so erinnern sich die Nachbarn. Einer von ihnen hatte auf dem Balkon gerade eine Zigarette geraucht, als er Feuerwerk hörte. "Es war mitten am Tag und ja nicht Silvester, ich habe mich gefragt, wieso jetzt jemand Feuerwerkskörper abfeuert. Dann habe ich Schreie gehört." Der 47-Jährige hechtete aus der Wohnung und die Treppen hinunter. Am Eingang traf er auf die Frau des Angeklagten mit ihrer Tochter. "Sie hat geweint, ist zwischen die Autos gelaufen und hat sich hingehockt", erzählte der Kraftfahrer.

Kurz darauf sah er den Angeklagten, der in sein Auto stieg und das Auto seiner Ehefrau – einen weißen Smart – rammte und bis in die Böschung schob. Nachdem er gewendet hatte und wieder ausstieg, habe er ihn angeschrien: "Was machst Du?" Er habe gefürchtet, dass der Angeklagte wieder in sein Auto steigt und die Wagen rammt, zwischen denen sich die Frau versteckt hatte. "Ich habe ihm gesagt, er soll das Auto stehenlassen und weggehen." Daraufhin sei der Angeklagte weggefahren.

"Er war ganz ruhig", erinnerte sich ein anderer Zeuge an das Auftreten des Angeklagten. Als er wieder zurückgekommen sei, "da hat er bös’ geguckt, aber sonst nichts". Auch er hatte vorher das Feuerwerk gehört, "wie Kanonenschläge: Bumm, bumm, bumm". Doch als er näher kam, seien schon viele Leute dort gewesen und die Frau des Angeklagten habe er kaum gesehen. Dafür seien ihm die Rauchschwaden aus der Wohnung des Ehepaars aufgefallen.

Von seinem Balkon aus hat ein weiterer Nachbar die Szene beobachtet. Er habe sich etwas entspannen wollen, "und plötzlich höre ich so ein Geknalle". Ihm sei noch durch den Kopf gegangen, wie jemand bei der Waldbrandgefahr auf die Idee kommen könnte, Feuerwerk abzufackeln. Dann hörte er ein weiteres lautes Geräusch: "Es klang wie ein Auffahrunfall." Mit der Entspannung war es vorbei: "Erst das Geballere und dann das – was ist denn hier los?" Er schaute dann von seinem Balkon herunter und konnte kaum glauben, was er sah. "Wie eine Planierraupe" – so erzählte er es der Polizei – habe der Angeklagte mit seinem Wagen das Auto seiner Frau über die Straße geschoben. "So was sieht man höchstens in Actionfilmen."

Über die beiden Eheleute konnte der Zeuge wenig sagen. "Man kannte sich als Nachbarn", habe aber keine Geburtstage zusammen gefeiert. "Ich kann nichts Schlechtes über sie sagen. Es waren sehr nette Menschen."

Mehr über das Familienleben konnte eine Nachbarin erzählen, die seit 20 Jahren mit dem Ehepaar befreundet ist. Nach seiner Krankheit sei der Angeklagte "ein ganz anderer Mensch" geworden. 2017 brach bei dem Angeklagten eine Autoimmunkrankheit aus, die eine Muskelschwäche auslöst. Immer wieder war er in der Klinik, war teilweise auf den Rollstuhl und auf Sauerstoffflaschen angewiesen. Es habe auch schon vorher Streits gegeben, einmal habe ihr Mann schlichten müssen, erinnert sich die Zeugin. Aber erst kürzlich habe der Angeklagte seine Frau bedroht. "Als ich die Geschosse gehört habe, wusste ich, woher es kommt", erzählte sie: "Ich habe gedacht, dass er sie erschießt."

Update: Freitag, 7. Mai 2021, 20.41 Uhr


Angeklagter schoss mit einer Feuerwerks-Batterie auf seine Frau

Von Jonas Labrenz

Heidelberg. Mit 64 Schuss aus einer Feuerwerksbatterie hat ein 67-Jähriger seine Frau in der gemeinsamen Wohnung in Ziegelhausen beschossen. Die 44-Jährige erlitt bei dem Angriff im August 2020 Verbrennungen und Prellungen, die Möbel fingen Feuer und die Wohnung musste für 53.000 Euro saniert werden. Seit Dienstag muss sich der chronisch kranke Mann unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung vor dem Heidelberger Landgericht verantworten. Am ersten von sechs Prozesstagen räumte er die Tat im Wesentlichen ein, erklärte aber, er habe die Batterie nur in Richtung der Frau gehalten, nicht auf sie gezielt.

"Ich hatte Todesangst", erinnerte sich die Frau im Zeugenstand. Die Stimmung zwischen den Eheleuten war schon länger schlecht, auch an diesem Tag gab es Streit. Es eskalierte, als die Frau mit einer der Töchter spontan zum Arzt fahren wollte. Das Mädchen hatte starke Bauchschmerzen. Erst habe ihr Mann ihr den Autoschlüssel nicht geben wollen, erklärte die Frau, dann sei er in sein Schlafzimmer gegangen, habe seinen Rollstuhl vor der Wohnungstür platziert, sich hineingesetzt und etwas Großes im Schoß gehabt. "Er zündete etwas an, ich wusste nicht, was es war, bis die Raketen in meine Richtung flogen."

Der Angeklagte leidet seit 2017 an einer Immunerkrankung, die zu einer Muskelschwäche führt. Nach Ausbruch der Krankheit musste er seine selbstständige Arbeit einstellen. Vorher hatte er regelmäßig Renovierungen durchgeführt. Nach einem zweijährigen Krankenhausaufenthalt und mehreren Suizidversuchen und -ankündigungen war das Eheleben stark belastet. Nach Aussage seiner Frau sei er auch schon vorher depressiv und auch immer wieder gewalttätig gewesen.

Die Frau flüchtete sich nach den ersten Schüssen aus der Feuerwerksbatterie vom Flur ins Wohnzimmer, weil der Angeklagte die Wohnungstür blockierte. Die beiden Kinder verschanzten sich im Schlafzimmer der Mutter und im Badezimmer. Der Angeklagte folgte seiner Frau, die sich eine Decke vom Sofa vor den Körper hielt, aber trotzdem am Arm und den Füßen verletzt wurde. "Die Schmerzen habe ich nicht wahrgenommen, nur die Angst", erinnert sie sich.

Die Möbel im Wohnzimmer fingen schnell Feuer: "An der Seite hat es angefangen zu brennen, das Atmen fiel schwer", so die 44-Jährige. Schließlich rannte sie los, griff sich ihre Tochter und lief die Treppen hinunter. Viele der Nachbarn hatten bereits aus ihren Wohnungen geschaut, um zu sehen, was so viel Krach gemacht hatte. Die ältere Tochter hatte im Badezimmer mittlerweile die Polizei gerufen.

Unten angekommen, rief ein Nachbar der Mutter zu, sie solle sich mit ihrem Kind verstecken. Der Angeklagte kam hinterher, stieg in seinen Wagen, rammte das Auto seiner Frau und schob es so rund 60 Meter weit über die Straße. Dann drehte er um und fuhr zurück. "Ich habe an seinen Augen gesehen, dass er uns gesucht hat", erzählte die Frau. Doch weil zu viele Leute bereits auf der Straße waren, sei er weiter gefahren.

Als sich auch die ältere Tochter aus der brennenden Wohnung gerettet hatte, begann für die kleine Familie eine weitere Tortur, wie die Mutter berichtete. Keine Einrichtung konnte sie aufnehmen, sie hatten nichts als das, was sie bei ihrer Flucht am Körper trugen und waren in ständiger Angst, dass der Angeklagte sie finden könnte. Mit Unterstützung von Freunden und dem Weißen Ring Heidelberg, einer Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer und ihre Familien, konnten sie die Monate überbrücken, bis die Wohnung wieder hergerichtet war.

Die ältere Tochter schilderte, was für sie das Schlimmste war. Körperlich sei sie nicht verletzt worden, aber die seelischen Schäden seien extrem. "Ich habe Albträume, Flashbacks, kann meine Zukunft nicht planen." An den Vorsitzenden Richter Jochen Herkle gewandt, sagte sie: "Sie haben hier eine 21-Jährige vor sich, die sich nicht vorstellen kann, im Herbst eine neue Ausbildung anzufangen, weil sie sich keine Zukunft vorstellen kann."

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