Fußball
News melden
Nachrichten

Schriesheim: Kosmetikinstitute sind zum Abwarten verdammt

0 19

		Schriesheim:  Kosmetikinstitute sind zum Abwarten verdammt

Von Max Rieser

Schriesheim. Für viele eine Sehnsucht wie nach Urlaub: Sich mal wieder etwas gönnen, eine Gesichtsbehandlung oder einfach etwas Farbe auf die Nägel. Schriesheims Kosmetikinstitute würde so gern Abhilfe schaffen, nur dürfen sie nicht. Als körpernahe Dienstleister sind ihnen alle Behandlungen, die nicht medizinisch notwendig sind, verboten. Dabei standen Anfang März alle Zeichen auf Öffnung, was alle Kosmetikerinnen als Labsal empfanden. Termine waren ausgemacht, Strategien für die notwendigen Tests wurden ausgetüftelt, die Kundinnen waren bereit. Swetlana Egetenmeier hat ihr Studio in Altenbach: "Ich mache auch viele Enthaarungen, und die Frauen waren nach einem halben Jahr sehr froh, dass sie wieder kommen durften", sagt sie und lacht.

Sabine Keller, Betreiberin der "Kosmetikinsel" in Schriesheim, war froh, dass das kostenlose Testangebot im Dok:Tor ihren Kundinnen einen Besuch ermöglichte. Selbsttests aus der Apotheke wollte sie ihren Besuchern nicht zumuten: "Da hätten sich die Leute erst einen Test für 30 Euro kaufen müssen, um dann noch mal das gleiche Geld für die Behandlung auszugeben."

Franziska Wonde, Inhaberin von "Wonde Cosmetics", hatte massiv investiert, um den Kundinnen auch vor Ort eine Testung zu bieten: "Ich habe für knapp 4000 Euro Tests gekauft und alle, die schon einen Termin hatten, informiert, dass sie sich bei uns direkt testen können." Dass ein negativer Test für eine Behandlung obligatorisch war, fanden sowohl Kundinnen als auch Kosmetikerinnen absolut gerechtfertigt. Auch Christa von Schachtmeyer, die das gleichnamige Kosmetikinstitut in Schriesheim betreibt, sagt: "Die Kunden kamen dann mit einem negativen Test, das hat wunderbar geklappt. Und jetzt werden wir unter Generalverdacht gestellt." Gerade weil auch Friseure weiter geöffnet bleiben dürfen und die "Notbremse" im nahen Hessen und auch in Heidelberg wegen der Inzidenzzahlen nicht greift, sind die Betreiberinnen frustriert: "Ich gönne den Friseuren von Herzen, dass sie öffnen dürfen, aber bei denen ist die Körpernähe ja genauso da wie bei uns", schätzt von Schachtmeyer die Lage ein.

Keller findet, dass mehr abgewogen werden müsste: "Ich sehe es völlig ein, dass wir Behandlungen, die ohne Maske im Gesicht gemacht werden müssten, nicht anbieten dürfen." Dass sie den Kundinnen aber sagen muss, dass nach der medizinischen Fußpflege kein Lack aufgetragen werden darf, sei nicht ganz nachvollziehbar. Wonde versteht nicht, warum die Friseure "immer eine Stufe höher gestellt werden als die Kosmetik", obwohl alle Hygienemaßnahmen bestens umgesetzt werden könnten. Sie moniert außerdem, dass bei Hautärzten Botox- und Hyaluron-Behandlungen zulässig seien, obwohl diese Injektionen keinerlei Systemrelevanz aufweisen.

Gleichzeitig würden viele Kunden darunter leiden, dass sie ihre notwendigen Gesichtsbehandlungen zum Beispiel bei chronischer Akne nicht bekommen, so Egetenmeier. Nicht nur Extrainvestitionen in Masken, Tests, Luftreiniger und Plexiglastrennwände machen den Geschäften zu schaffen. Auch die Preise für Utensilien, die ein körpernaher Betrieb täglich braucht, hätten angezogen. Von Schachtmeyer berichtet, dass ein Fünf-Liter-Kanister mit Desinfektionsmittel, der früher rund 35 Euro kostete, heute bei gut 100 Euro liegt, was eine Steigerung von knapp 200 Prozent bedeutet. Wonde hat bei der Durchsicht ihrer Unterlagen für die "Überbrückungshilfe 3" bemerkt, dass ihre coronarelevanten Ausgaben mittlerweile bei fast 9000 Euro liegen. Produkte wie Gesichtsmasken, die nicht ewig haltbar sind, mussten außerdem weggeworfen werden, sagt Egetenmeier. So schwinden die Ersparnisse dahin, die sich die Selbstständigen über Jahre angelegt haben. Sie empfinden es als deprimierend, dass der Notgroschen nun aufgebraucht ist, der auch einen Teil der Altersvorsorge darstellte.

"Ich mache das Geschäft jetzt im 26. Jahr, und jetzt kriegt man einen zwischen die Hörner, die Ersparnisse gehen drauf, das ist schon ärgerlich", so von Schachtmeyer. Die staatlichen Hilfsgelder reichen allen gerade so zur Deckung der Fixkosten. Für die Unternehmerinnen selbst bleibt nichts übrig. Modelle wie "Click and Collect" können den finanziellen Schaden nur bedingt eindämmen. Trotzdem sind die Kosmetikerinnen froh, wenn sie solche Möglichkeit haben. Das Liefer- und Abholangebot sowie Online-Shops in den Läden seien auch wichtig, um der Stammkundschaft zu zeigen, dass man noch da ist. Denn es droht ein Abwandern zur hessischen Konkurrenz.

Bisher berichten aber alle von einer großen Solidarität der Stammkundinnen, für die sie mittlerweile Wartelisten führen, um die Termine nicht wieder und wieder verschieben zu müssen. "Die Kundinnen leiden auch mit mir, manche haben sogar Blumen vorbeigebracht, das hat mich sehr gerührt", so von Schachtmeyer. Keller ist froh, beim Liefern ab und zu Kontakt zu den Stammkunden zu haben. Sie befürchtet keinen Kundenverlust und sieht einen klaren Vorteil für die Branche: "Kosmetik ist sehr personenbezogen, und dann kommen die Leute auch wieder, weil sie unsere Behandlungen schätzen." Das bestätigt auch die Altenbacher Kosmetikerin, deren Kundinnen weitere Fahrwege in Kauf nähmen. Wonde konnte nach den beiden Lockdowns auch immer wieder Neukunden verzeichnen, was sie selbst überraschte. Egetenmeier befürchtet aber ein längeres Ausbleiben der Kundinnen: "Kosmetik ist für die meisten Luxus, den können sich jetzt viele nicht leisten." Aber nicht nur Zuspruch erreicht die Institute. So berichtet Wonde: "Was krass war, wie viele einen unter Druck setzen wollten, sie doch zu behandeln, und dann wirklich bitterböse waren, wenn man gesagt hat ,Nein, wir haben definitiv zu.’"

Alle tragen die Maßnahmen mit Geduld und Verständnis mit. Sie sehen die Pandemiebekämpfung an erster Stelle. Eine Perspektive und eine Gleichbehandlung mit ähnlichen Dienstleistern würden sie sich dennoch wünschen.

Загрузка...

Comments

Комментарии для сайта Cackle
Загрузка...

More news:

Read on Sportsweek.org:

Andere Sportarten

Sponsored